[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Alte und ihr Hahn

Einst hatte, eine alte Frau einen Hahn. Sie schickte ihn jeden Tag zum Scharren, ob er nicht vielleicht etwas im Mist fände. Als er wieder eines Morgens so scharrte, fand er in dem Mist eine kleine Goldmünze. Er nahm sie auf und gab sie der Alten. Die Alte hatte eine Steuerschuld beim Kaiser, und da sie kein anderes Geld hatte, gab sie ihm eben diese Münze. Nach einiger Zeit verlangte der Hahn die Münze von ihr; die Alte aber sagte: »Ich habe sie dem Kaiser für meine Schuld gegeben.« Der Hahn sagte: »Wie? Und der Kaiser hat von einer alten Frau die Münze angenommen? Ich will zu ihm gehen und sie von ihm zurückfordern!«

Und so machte sich der Hahn auf den Weg und traf den Fuchs. Der Fuchs fragte ihn: »Wohin gehst du, lieber Hahn?« - Er sagte zu ihm: »Ich gehe zum Kaiser, um von ihm meine Münze zu verlangen.«

»Willst du mich nicht auch mitnehmen?«

»Ja, ich will wohl, aber kannst du denn marschieren?«

»Freilich kann ich das, wie sollte ich es nicht können! Dafür bin ich doch der Fuchs!« Und der Hahn nahm ihn mit. Und so wanderten sie und wanderten, aber auf einmal blieb der Fuchs stehen und konnte nicht mehr weitergehen. Der Hahn aber sagte zu ihm: »Oh, oh! Fuchs! Wie schwer wird dir dein Körper! Weshalb bist du denn stehen geblieben?«

»Ich kann nicht mehr, ich bin müde, es ist mir, als seien mir die Füße abgeschnitten.«

»Komm doch nur näher, komm näher«, sagte der Hahn, und als der Fuchs näher kam, verschluckte er ihn.

Als er weiter seines Weges zog, traf er den Wolf. Der Wolf fragte ihn: »Wohin gehst du denn, Hahn?«

»Ich gehe zum Kaiser, um von ihm meine Münze zu verlangen.«

»Willst du mich nicht auch mitnehmen?«

»Warum sollte ich nicht wollen? Aber kannst du auch marschieren?«

»Wie sollte ich das denn nicht können? Dafür bin ich doch der Wolf.«

»Nun gut, aber es ist weit.«

»Wie weit es auch sein mag, ich kann es.«

Und so nahm der Hahn auch diesen mit, und sie wanderten, bis auch der Wolf stehen blieb. Der Hahn sagte zu ihm: »Komm doch, Wolf! Weshalb gehst du denn nicht weiter? Hast du denn schon genug?«

»Ich kann nicht mehr. ich bin müde.« - Der Hahn aber sagte zu ihm: »Komm doch näher, komm näher!« Und als der Wolf näher kam, da sperrte der Hahn den Schnabel auf und verschluckte den Wolf.

Und so wanderte der Hahn und wanderte und traf die Biene. Die Biene sagte zu ihm: »Wohin gehst du denn, Hahn?« Er aber sagte ihr: »Ich gehe zum Kaiser, um von ihm meine Münze zu verlangen.«

»Willst du mich nicht auch mitnehmen?«

»Freilich will ich das, aber kannst du denn marschieren?«

»Wie sollte ich das nicht können? Bin ich doch die Biene! Fliege ich nicht überallhin, um Honig und Wachs zu sammeln?«

Und er nahm auch diese mit, und sie zogen weiter ihres Weges. Und sie wanderten und wanderten, und es blieb auch die Biene stehen, denn sie war müde geworden, und ihre Flügel versagten ihr den Dienst. »Komm doch, Biene! Was bleibst du denn stehen?«

»Ich kann nicht mehr, ich bin müde geworden, ich kann nicht mehr!«

»Komm doch nur näher, komm näher.« Und als die Biene näher kam, sperrte der Hahn den Schnabel auf und verschluckte sie.

Der Hahn machte sich wieder auf den Weg und traf den Bach. Der Bach sagte zu ihm: »Wohin gehst du denn, Gevatter?«

»Ich gehe zum Kaiser, um von ihm die Münze zu verlangen.«

»Willst du mich nicht auch mitnehmen?«

»Freilich will ich das! Wie sollte ich es nicht wollen?« Und sie zogen und zogen ihres Weges, und da blieb auch der Bach stehen. Der Hahn sagte zu ihm: »Komm doch, Bach! Bist du denn müde geworden?«

»Ich bin müde geworden!«

»Komm doch nur näher«, sagte zu ihm der Hahn, und als der Bach näher kam, sperrte er den Schnabel auf und verschluckte ihn.

Und er wanderte und wanderte und gelangte zum Kaiser und stieg auf den Mist, und da begann er zu krähen, so laut wie nur seine Stimme reichte: »Kukuriku, riku,
Hört es alle, groß und klein!
Kaiser, gib mir meine Münze...«
Und als der Kaiser ihn hörte, sagte er: »Ei, ein Hahn soll mich beleidigen! Was soll denn das heißen? Nehmt ihn und steckt ihn zwischen unsere Hähne. Sie sollen ihn rupfen und ihn umbringen!«

Und als sie ihn unter die Hähne des Kaisers steckten, da ließ er den Fuchs aus seinem Schnabel springen, und der Fuchs erwürgte einen Hahn nach dem anderen, bis auch nicht ein Hahn des Kaisers übrig blieb, und dann begann er wieder zu krähen: »Kukuriku, riku,
Hört es, groß und klein!
Kaiser, gib mir meine Münze...«
Als der Kaiser ihn hörte, erzürnte er sich sehr und sagte: »He, lauft hin und seht nach, was geschehen ist!« Und als sie hingingen, fanden sie alle Hähne erwürgt. Unser Hahn aber war so groß wie ein Stier.

Der Kaiser aber sagte: »Nehmt ihn und werft ihn zwischen unsere Pferde, auf dass sie ihn zertrampeln, damit er endlich zugrunde gehe!«

Als sie nun den Hahn zwischen die Pferde des Kaisers warfen, sprang dieser, von einem Pferd auf das nächste, und dann ließ er den Wolf aus seinem Schnabel herausspringen, und dieser ermordete alle Pferde. Dann kam der Hahn wieder heraus und begann zu singen: »Kukuriku, riku,
Hört es, groß und klein!
Kaiser, gib mir meine Münze...«
Als der Kaiser ihn hörte, da brauste er auf: »He, rührt euch, lauft hin und seht nach, was dieser Hund von einem Hahn wieder macht!«

Als sie hinkamen, sahen sie alle Pferde tot zu Haufen liegen, der Hahn aber war nun noch größer als ein Stier. Da sagte der Kaiser zu seinen Leuten: »He, heizt den Backofen an, verbrennt ihn neunmal, damit er dann auch richtig verbrannt sei!« Und als sie den Backofen angeheizt hatten, steckten sie den Hahn hinein. Dieser aber wartete nicht erst lange, er ließ den Bach aus seinem Schnabel springen und löschte so das Feuer des Backofens. Darauf krähte er aus dem Ofen heraus: »Kukuriku, riku,
Hört es, groß und klein!
Kaiser, gib mir meine Münze...«
Der Kaiser hörte es und sagte wieder: »He, rührt euch und seht nach, was der Schurke macht!«

Und als sie zu dem Backofen kamen, fanden sie darin den Hahn, so groß wie einen Stier. Da sagte der Kaiser: »He, werft ihn in die Schatzkammer mit den Goldstücken. Lasst ihn sich sättigen an den Münzen, vielleicht wird er dann seine Gier stillen!«

Als man ihn in die Schatzkammer steckte, freute sich der Hahn. Er sperrte den Schnabel auf, verschluckte alle Goldstücke und begann vor lauter Lust zu singen. Da gingen des Kaisers Leute hin, öffneten und ließen ihn hinaus: Kaum war der Hahn frei, da lief er nach Hause und sagte zu der Alten: »Breite einen Teppich aus, Alte, und nimm auch ein Stöckchen zur Hand, denn ich werde mich auf die Stange setzen und du sollst mich gut klopfen!«

Und als die Alte den Teppich ausgebreitet und auch einen Stock zur Hand genommen hatte, setzte sich der Hahn auf die Stange und sie klopfte ihn so lange, bis alle Goldstücke draußen waren. Dann sprang der Hahn von der Stange herab und sagte zu der Alten:

»Nun suche ein Scheffelmaß, Alte, damit wir die Goldstücke messen.«

Die Alte ging in der Vorstadt umher und fand auch wirklich ein Scheffelmaß und kam zurück, um das Geld zu messen. Und sie maßen die Goldstücke, aber eines blieb am Boden des Scheffelmaßes haften, und als es die Alte dorthin zurücktrug, woher sie es bekommen hatte, fragte die Frau, die es ihr gegeben hatte: »Was habt ihr denn gemessen?«

»Ach, etwas Korn.«

»Aber das ist doch gar nicht Korn, ihr habt Geld gemessen! Sieh, das sagt mir das Goldstück, das da haften geblieben ist.«

Da konnte die Alte die Wahrheit nicht mehr verbergen und erzählte ihr, dass sie einen Hahn habe, und dass dieser sich auf die Stange gesetzt und sie ein Stöckchen genommen und ihn so lange geklopft habe, bis sie all die kaiserlichen Goldstücke herausbekommen habe.

Auch die andere hatte nur einen einzigen Hahn bei ihren Hennen, den setzte sie auf die Stange und schlug ihn und schlug ihn, bis sie ihn umgebracht hatte, aber sie brachte kein einziges Goldstück aus ihm heraus.