[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Zauberer Palermo

Es war einmal eine Königin, die hatte einen Sohn, der war sehr leichtsinnig und verspielte alles, was er hatte. Eines Tages spielte er sogar um seine Juwelen und Besitzungen und verlor alles. Da zog er ganz verzweifelt in die Welt hinaus. Er hatte sagen hören, dass der Zauberer Palermo unglaublich reich sei und alles könne, was er wolle, weil er ja ein Zauberer war. Der Prinz, der nicht wusste, was er sonst anfangen sollte, beschloss, ihn auf gut Glück zu suchen, denn er konnte nicht herausbekommen, wo er wohnte.

Eines Tages, als er es am wenigsten erwartete, stand der Zauberer vor ihm: »Ich weiß, dass du mich suchst«, sagte der Zauberer, »was willst du von mir?«

»Ich suche Euch, denn ich habe alles verspielt, was ich besaß, und ich möchte, dass Ihr mir helft, es wiederzuerlangen.«

»Gut; ich will dir einen Beutel geben, damit wirst du stets beim Spiel gewinnen; doch gebe ich ihn dir nur, wenn du mir an einem Tag in diesem Jahr alles in meinem Haus bezahlst, das jenseits des Meeres liegt, und eine meiner Töchter heiratest.«

»Abgemacht«, sagte der Prinz, »das will ich tun.« Er nahm den Beutel, begann zu spielen und bekam nicht nur das Verlorene zurück, sondern gewann stets so viel, dass keiner mehr mit ihm spielen mochte.

Das Jahr verstrich, und da er sein Versprechen einlösen wollte, machte er sich auf die Suche nach dem Zauberer Palermo. Er brach auf und zog weiter und immer weiter, bis er an ein schloss kam. Eine Alte trat heraus, und er fragte sie, ob sie wisse, wo das schloss des Zauberers Palermo sei. »In meinem ganzen Leben habe ich diesen Namen noch nicht gehört«, sagte die Alte, »doch wartet ein Weilchen, denn dies ist das schloss der kleinen Vögel, und vielleicht weiß einer, wo es liegt.« Er blieb die Nacht über dort, und immer, wenn einige Vögel zurückkamen, fragte die Alte sie, ob sie wüssten, wo der Zauberer Palermo wohne, doch keiner konnte es ihr richtig sagen. »Nun, Ihr hört ja«, sagte die Alte, »keiner weiß es. Geht ins schloss der großen Vögel, die haben den Zauberer vielleicht gesehen, da sie doch weiter fliegen als die kleinen.«

Der Prinz brach auf und schritt rüstig voran, immer weiter und immer weiter, bis er schließlich wieder ein schloss erreichte, das den großen Vögeln gehörte. Als er ankam, erschien eine Alte und fragte ihn, womit sie ihm zu Diensten sein könne. »Liebe Frau, ich suche das schloss des Zauberers Palermo und möchte Euch bitten, mir zu sagen, wo es sich befindet, wenn Ihr es wisst.«

»Das kenne ich nicht«, sagte die Alte, »doch tretet ein; hier schlafen alle großen Vögel, und es kann angehen, dass einer von ihnen das schloss gesehen hat.« Die Vögel kamen zurück, um sich auszuruhen, und jeden fragte die Alte nach dem schloss, doch alle sagten, dass es ihnen nicht bekannt sei.

Schließlich erschien der Adler, und die Alte sagte zu ihm: »Hört einmal! Hier ist ein Jüngling angekommen, der sucht das schloss des Zauberers Palermo, und er möchte wissen, ob du, der du stets so große Strecken zurücklegst, es vielleicht ausfindig gemacht hast.«

»Ja«, sagte der Adler, »ich weiß, wo es ist, doch wird es für ihn nicht leicht sein, dahin zu kommen, denn es liegt jenseits des Wassers, und diese Reise kann er nicht machen.«

»Und könntest du ihn nicht dahin bringen?«

»Wenn du es gern willst, werde ich ihn dahin bringen; doch dazu ist nötig, dass er sein Pferd und einen Hammel tötet, und jedes Mal, wenn ich ihn um etwas zu fressen bitte, muss er mir das eine Viertel vom Tier geben; denn wenn ich unterwegs schwach werde, fallen wir beide ins Meer, und da der Weg sehr weit ist, so weiß ich nicht, ob ich mit meinen Kräften ausreiche. Wenn er damit einverstanden ist, soll er morgen früh reisefertig sein.«

Die Alte erzählte dem Prinzen, was der Adler ihr gesagt hatte, und da er unbedingt ins schloss des Zauberers wollte, tötete er sein Pferd und einen Hammel und machte sich reisefertig. Sobald es zu dämmern begann, belud er den Adler mit dem Pferd und dem Hammel und bestieg ihn dann selbst; der Adler schwang sich empor und begann los zu fliegen, doch ging es zuerst recht langsam wegen des schweren Gewichtes, das er trug. Als sie eine Zeitlang geflogen waren, krächzte er und drehte den Schnabel zur Seite, und der Prinz gab ihm das eine Viertel des Pferdes. Nach einiger Zeit musste er ihm noch eines geben, und so warf er ihm nacheinander die anderen beiden Viertel des Pferdes und die vier Viertel des Hammels zu, doch immer noch sah man nichts als Wasser. Schon war das Fleisch ausgegangen, als der Adler wieder krächzte; da sagte er zu ihm: »Pick von meinem Oberschenkel, denn ich habe kein Fleisch mehr.« Da sah man in der Ferne Land, und obwohl der Adler sich sehr schwach fühlte, raffte er noch einmal alle seine Kräfte zusammen, überflog das Meer, setzte ihn an Land und sagte zu ihm: »Hätten wir noch etwas länger gebraucht, wären wir ins Wasser gefallen, denn ich war schon am Ende meiner Kräfte. Siehst du dort das Gebäude in der Ferne? Das ist das schloss, das du suchst; solltest du dich in irgendeiner Verlegenheit befinden, so sage nur: ›Beschütze mich der Adler!‹, dann komme ich dir zu Hilfe.«

Damit stieg der Adler in die Lüfte und verschwand.

Der Prinz ging ins Schloss; kaum war er eingetreten, da kam ihm schon der Zauberer entgegen. »Ich bin gekommen, um Euch den Beutel zu bezahlen, den Ihr mir gegeben habt, und Ihr seht, dass ich mein Wort halte«, sagte der Prinz. - »Gut«, antwortete der Zauberer, »auch mir gefällt es, mein Versprechen zu halten; ich habe dir eine meiner Töchter zur Heirat angeboten, doch vorher musst du einige Proben bestehen, die ich dir stelle. Tritt an dies Fenster. Was siehst du dort?«

»Himmel, Wasser und ödes Land.«

»Nun gut; du musst jetzt in vierundzwanzig Stunden das Land dort roden, die Erde pflügen, die Saat streuen und mir von dem Weizen, den du erntest, ein warmes Brötchen zu meiner Tasse Schokolade bringen.«

»Ja, aber wie soll ich das alles in vierundzwanzig Stunden machen?«

»Ich gebe dir keine Minute mehr. Wenn du es bis morgen nicht vollbracht hast, gehört dein Leben mir.« »Jetzt sind wir ja wirklich schön dran!« sprach der Prinz bei sich; und er ging auf das Feld hinaus und sagte: »Beschütze mich der Adler!« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da stand ein wunderschönes Mädchen vor ihm, das sagte: »Ich bin die jüngste Tochter des Zauberers Palermo, und ich bin gekommen, das Wort zu halten, das der Adler, der in meinem Dienst steht, dir gab. Mein Vater nimmt an, dass du mich von seinen drei Töchtern zur Frau wählen wirst; und da er nicht will, dass ich fortgehe, versucht er, dir Schwierigkeiten in den Weg zu legen, damit du ihn von seinem Versprechen entbindest, wenn du sie nicht überwinden kannst. Doch hab keine Angst, ich werde dir stets zur Hilfe kommen. Was hat er denn heut von dir gefordert?«

»Er will, dass ich innerhalb von vierundzwanzig Stunden das Ödland pflüge, Saat streue und ihm daraus ein warmes Brötchen zu seiner Tasse Schokolade beschaffe.«

»Gut; mach dir darüber keine Gedanken. Leg du dich schlafen; ich werde dafür sorgen, dass alles so geschieht.«

Und so geschah es auch, er legte sich zu Bett, und als er am nächsten Morgen aufstand, war das ganze Land in ein Stoppelfeld verwandelt, und er sah die Tochter des Zauberers kommen, die ihm in einem kleinen Tuch ein warmes Brötchen gab und sagte: »Nimm, bring das Brötchen meinem Vater, doch hab acht und sage nichts davon, dass ich dir geholfen habe.« Der Prinz nahm das Brötchen und brachte es dem Zauberer. Der ging sogleich ans Fenster, um hinauszuschauen; als er das Stoppelfeld erblickte, fragte er ihn, wie er das nur zuwege gebracht habe. »Das ist für mich ein leichtes«, sagte der Prinz. »Nun gut; jetzt musst du eine weitere Probe bestehen.«

Und er führte ihn in den Stall und zeigte ihm ein sehr schönes Pferd, das da stand. Dann sagte er: »Du musst dieses Pferd zähmen; doch ich mache dich darauf aufmerksam, dass es sehr wild ist und die geringste Unachtsamkeit dich das Leben kosten kann.« Der Prinz sagte: gut, er wolle das machen; dann ging er aufs Feld, rief den Adler, und wieder erschien die Tochter des Zauberers. »Was willst du von mir?«

»Dein Vater hat mir befohlen, ein Pferd zu zähmen, das er in seinem Stall hat, und er hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass es sehr wild ist.«

»Gut, nun höre genau zu: Hole morgen das Pferd, das dann schon gezäumt sein wird, aus dem Stall, doch steige nicht darauf; führ es aufs Feld und nimm einen starken Stock mit, der nicht entzweibricht. Denk daran, dass das Pferd mein Vater ist, der Sattel meine Mutter, die Steigbügel meine Schwestern und die Zügel ich. Sobald du dann draußen auf dem Felde bist, beginn auf das Pferd, den Sattel und die Bügel loszuhauen, doch schlag nicht auf die Zügel, denn dann schlägst du mich.«

Und wirklich, so wie sie ihm gesagt hatte, tat er. Am nächsten Morgen führte er das Pferd aufs Feld, und mit einer Peitsche, die er vorsichtshalber gleich mitgenommen hatte, verabreichte er dem Pferd derartige Hiebe, dass ihm die Knochen krachten. Das Pferd bäumte sich auf, doch er schlug und schlug auf das Tier los, auf den Sattel und die Bügel, bis das Pferd schließlich zu Kreuze kroch. Dann ging er ins schloss zurück, und das erste, was er tat, war, den Zauberer, seine Frau und seine beiden ältesten Töchter aufzusuchen, die alle vier zu Bett lagen und dicke Verbände trugen. Er fragte sie, was ihnen geschehen sei, und sie antworteten ihm, eine Wand sei eingestürzt und habe sie verwundet.

Es vergingen einige Tage, und sie wurden wieder besser. Doch der Zauberer war jetzt misstrauisch, denn er hatte bemerkt, dass seine jüngste Tochter nichts von den Schlägen abbekommen hatte, und er fürchtete, dass sie es war, die dem Prinzen half. »Hör«, sagte er zu dem Jüngling, »ich will dich jetzt zum letzten Mal auf die Probe stellen. Vor vielen Jahren fiel meiner Großmutter ein Ring ins Meer, der für mich sehr wertvoll ist, du sollst ihn jetzt herausholen.«

»Gut«, sagte der Prinz, »ich will versuchen, ihn herauszuholen.«

Er ging hinaus aufs Feld und sagte: »Beschütze mich der Adler!«, und sogleich erschien Luise, denn so hieß die jüngste Tochter des Zauberers, und fragte ihn: »Was verlangt mein Vater von dir?«

»Er will, dass ich ihm einen Ring aus dem Meer hole, den seine Großmutter hineinfallen ließ.«

»Das ist schon ein gefährlicheres Unternehmen, doch wir werden das auch noch schaffen. Aber dazu musst du mich töten.«

»Dann kann lieber der Ring im Meer bleiben, denn töten tu ich dich auf keinen Fall.«

»Doch, du wirst mich töten; aber hab keine Angst, ich komme ins Leben zurück. Du nimmst ein Messer, tötest mich und schneidest meinen Körper in Stücke, legst sie zusammen in ein Tuch und wirfst sie ins Meer. Doch pass auf, dass nichts auf die Erde fällt, denn das fehlt meinem Körper nachher.« Der Prinz konnte es nicht über sich bringen, das zu tun, doch Luise beteuerte ihm so sehr, ihr werde nichts geschehen, dass er schließlich tat, wie sie ihm gesagt hatte. Nachdem er sie getötet hatte, schnitt er den Körper in Stücke und warf sie ins Meer, doch blieb am Tuch ein Stückchen Fleisch kleben, das auf den Boden fiel. Nach einiger Zeit begann das Wasser zu schäumen, und gleich darauf kam Luise mit dem Ring heraus, den sie dem Prinzen gab; an der linken Hand aber fehlte ihr der kleine Finger.

»Siehst du«, sagte sie zu ihm, »du hast nicht genügend Acht gegeben, und dafür fehlt mir nun dieser Finger. Wenn mein Vater das sieht, weiß er gleich, dass ich dir geholfen habe.«

Der Prinz ging zum Zauberer und gab ihm den Ring, und als er ihn sah, sprach er bei sich: »Ganz bestimmt steckt Luise dahinter!« Und als die drei Töchter kamen, beobachtete der Vater sie genau, und als er sah, dass die jüngste ein Taschentuch um die eine Hand gebunden hatte, fragte er sie, was ihr fehle. »Es ist nichts«, antwortete sie, »ich habe mich geschnitten; aber das ist bald wieder besser.« Doch der Vater ließ sich nicht täuschen und sprach bei sich: »Ich wusste ja, dass meine Tochter dahinter steckt; doch das soll sie mir büßen.« Und da er nicht mehr umhin konnte, sein Versprechen zu erfüllen, sagte er zum Prinzen: »Du hast alles vollbracht, was ich von dir verlangte, jetzt ist es an mir, mein Wort zu halten, du kannst dir nun eine meiner Töchter auswählen; doch musst du sie dir mit verbundenen Augen wählen.«

Der Jüngling wurde durch diese Laune des Zauberers in große Verlegenheit versetzt, doch als er Luise ansah, die auf die eine Hand wies, an der der Finger fehlte, nahm er den Vorschlag an. Man verband ihm die Augen, und der Zauberer rief seine drei Töchter zu sich. Der Prinz ergriff nacheinander ihre Hände, und als er die von Luise fasste, sagte er, die wolle er heiraten. Dem Vater gefiel das gar nicht, aber er konnte jetzt nicht mehr zurück und musste sie verheiraten, doch schwor er, dass die beiden es ihm büßen sollten.

Am Abend, als sie zu Bett gingen, hörten sie die Stimme des Vaters: »Luise, Luise!«

»Ihr wünscht, Vater?« Und indem sie ihren Mann ansah, sagte sie: »Mein Vater ist wütend auf mich, weil wir ihn besiegt haben, und er hat beschlossen, uns zu töten; deswegen müssen wir an unsere Rettung denken. Geh in den Pferdestall, dort wirst du zwei Pferde finden. Das dickere läuft dreißig Meilen in einer Stunde und das dünnere vierzig. Nimm dieses und gib mir Bescheid, wenn es gesattelt ist.« Der Prinz ging fort; indessen holte Luise ein Gefäß und spie hinein. Als er zurückkam, hörten sie den Vater wieder rufen, und sie antwortete wieder wie das vorige Mal. »Siehst du«, sagte sie zu ihrem Manne, »er wartet darauf, dass ich nicht mehr antworte, um dann hereinzukommen und uns zu töten; doch mein Speichel, der hier in dem Gefäß ist, wird statt meiner antworten; bis er ausgetrocknet ist, sind wir schon weit weg.« Sie stiegen in den Hof hinunter, und als sie das Pferd erblickte, sagte sie: »Mein Gott, Mann! Du hast das falsche Pferd genommen!«

»Wenn du willst, hole ich schnell das andere.«

»Nein, es ist keine Zeit mehr: Lass uns so schnell wie möglich eilen.«

Sie stiegen auf das Pferd, und wie im Fluge rasten sie dahin. Indessen rief der Vater von Zeit zu Zeit Luise wieder: »Luise, Luise!« Und der Speichel antwortete: »Ihr wünscht, Vater?« Doch da der Speichel allmählich trocknete, wurde das Echo von Mal zu Mal schwächer, bis es schließlich ganz aufhörte. Da sagte der Vater: »Jetzt sind sie eingeschlafen; nun sollen sie büßen.« Er ergriff ein Schwert und schritt geradeswegs auf das Bett zu, und als er merkte, dass sie dort nicht lagen, begriff er, dass sie entwischt waren und ging in den Stall hinunter. Als er das Pferd sah, sagte er: »Noch kann ich sie zu fassen bekommen, denn sie haben das Vierzigmeilenpferd hier gelassen.«

Er stieg auf das Pferd und raste hinter ihnen her, und obwohl sie ihm ein gutes Stück voraus waren, dauerte es doch nicht lange, bis sie ihn kommen sahen, denn sein Pferd legte ja zehn Meilen mehr die Stunde zurück. »Wir sind verloren«, sagte Luise, »denn mein Vater folgt uns auf dem Fuße; aber ich weiß schon, wie wir ihm entkommen können. Sobald mein Vater hier ist, verwandle ich das Pferd in einen Garten, dich in den Gärtner und mich in einen Kopfsalat; wenn er dich etwas fragt, stell dich taub!«

Und wirklich, so wie sie sagte, geschah es auch. Der Vater kam an, und als er den Gärtner sah, fragte er ihn: »Lieber Mann, habt Ihr hier einen Mann und eine Frau auf einem Pferd vorbeikommen sehen?«

»Ich habe nur diesen Salat, aber der ist gut.«

»Davon rede ich doch nicht; ich möchte wissen, ob hier zwei junge Leute zu Pferd vorbeigekommen sind.«

»Dieses Jahr gibt es wenig; aber nächstes Jahr wird es mehr geben.«

»Der Teufel soll dich holen!« sagte der Zauberer und kehrte in sein schloss zurück, wo er seiner Frau erzählte, was er erlebt hatte. »Du bist ein Dummkopf«, sagte seine Frau zu ihm, »sie haben dich getäuscht, denn der Garten, der Gärtner und der Kopfsalat sind sie selber gewesen.«

Der Vater eilte davon, doch fand er jetzt den Garten nicht mehr, denn als er umgekehrt war, hatten die beiden sofort ihren Weg fortgesetzt. Aber bald war er ihnen wieder ganz dicht auf den Fersen; da sagte Luise: »Da kommt mein Vater schon wieder. Das Pferd soll sich in eine Einsiedelei, du dich in einen Einsiedler und ich mich in das Heiligenbild verwandeln!« Sofort verwandelte sich alles, wie sie gesagt hatte, und als der Vater ankam, sagte er: »Einsiedler, habt Ihr hier zwei junge Leute zu Pferde vorbeikommen sehen?«

»Öl für die Lampe! Öl für die Lampe!«

»Davon red ich doch gar nicht, sondern ob Ihr hier zwei junge Leute habt vorbeikommen sehen?«

»Bald ist es ausgebrannt! Bald ist es ausgebrannt!« Der Zauberer schickte alle Tauben zum Teufel und kehrte fluchend heim.

Als die Mutter die Geschichte hörte, sagte sie: »Der Einsiedler war er und sie das Bild; lauf noch einmal hinter ihnen her und bring diesmal mit, was du auch findest; denn immer werden sie es sein.« Der Zauberer eilte also wieder wütend auf und davon und schwor, sie nicht noch einmal entwischen zu lassen. Schon war er ihnen ganz nahe, als Luise schnell ein Ei herausholte und es auf die Erde warf. Es verwandelte sich sofort in ein Meer, das die beiden von ihrem Vater trennte. Als der Zauberer sah, dass er sie nicht einholen konnte, sagte er zu dem Jüngling: »Wenn dich ein Hund berührt oder dich eine Alte umarmt, so mögest du Luise vergessen, das gebe Gott!« Und er kehrte in sein schloss zurück.

Sie setzten indessen ihren Weg wieder fort und kamen in sein Land; doch bevor sie seine Heimatstadt erreichten, sagte der Prinz zu ihr:

»Warte hier auf mich, ich hole die Droschken und alles, was sonst noch nötig ist, damit du in die Stadt einziehen kannst, wie es sich für uns gehört.«

»Ich möchte mich nicht von dir trennen, denn du wirst mich vergessen. Denk doch an den Fluch meines Vaters!«

»Hab keine Angst! Ich werde schon aufpassen, dass keiner mich umarmt.« Er ging in das schloss, und kaum sahen sie ihn, da kamen ihm alle entgegen, um ihn zu beglückwünschen und zu umarmen, vor allem seine Mutter; doch alle, die ihn umarmen wollten, wehrte er ab. Er befahl, die Droschken auffahren zu lassen und ein Gefolge zusammenzustellen, um die zu holen, die seine Frau werden sollte. Dann sagte er zu seiner Mutter: »Ich bin sehr müde und möchte mich ein wenig ausruhen; wenn alles fertig ist, soll man mir Bescheid geben.«

Er legte sich hin und schlief ein. Da kam seine Großmutter, und schlafend, wie er dalag, umarmte sie ihn. Als alles vorbereitet war, rief die Königin ihn und sprach: »Das Gefolge und die Droschken sind fertig.«

»Welches Gefolge?« fragte der Prinz. »Welches? Das Gefolge, das du haben wolltest, um deine Frau zu holen.«

»Ihr träumt, ich wollte nichts haben und habe auch keine Frau; ich will nur hier bleiben.« Die Königin glaubte, ihr Sohn sei verrückt geworden oder wolle sie zum Narren halten; aber da ihn seine Großmutter umarmt hatte, hatte er alles vergessen, gerade so, wie der Zauberer es ihm gewünscht hatte.

Indessen wartete die arme Luise vergeblich auf ihn, und als sie merkte, dass er nicht zurückkam, ging sie in die Stadt und verdingte sich als Hausfräulein bei einem sehr reichen Ehepaar. Dieses Ehepaar hatte eine wunderschöne Tochter, in die der Prinz sich verliebte und um deren Hand er anhielt. Der Tag der Hochzeit wurde festgesetzt; da schlug nun Luise ihrer Herrin vor, zur Unterhaltung ein Puppenspiel zu geben mit Puppen, die sie selbst besaß. Die Herrin sagte, es sei gut, und Luise machte sich nun daran und kleidete zwei Puppen an, eine als Frau mit einem Kleid wie ihr eigenes und die andere als Mann mit einem Gewand, wie das war, das der Prinz trug, als er fort ging, um Geld zu suchen.

Es kam der Hochzeitstag, und als die ganze Gesellschaft zugegen war, ging man in einen Saal, wo ein Puppentheater aufgestellt war, hinter dem sich Luise verborgen hielt. An Drähten zog sie die Puppen auf die Bühne; die eine Puppe trug einen Stock und sagte zu der anderen: »Christoph, weißt du noch, dass du das schloss des Zauberers Palermo suchtest und dich ein Adler auf seinen Flügeln dorthin brachte?«

»Nein«, antwortete die Puppe, die wie der Prinz gekleidet war, und da bekam sie von der anderen einen Schlag mit dem Stock. Der Prinz zuckte zusammen, denn er fühlte den Hieb, als ob er ihn selber bekommen habe. Die Puppen fuhren fort: »Christoph, weißt du noch, dass der Zauberer dir befahl, das Ödland zu bebauen und aus dem Weizen ein Brötchen zu seiner Tasse Schokolade zu backen?«

»Nein.« Wieder ein Schlag. »Weißt du noch, dass er dir befahl, das Pferd zu zähmen?«

»Nein.«

»Weißt du noch, dass er dir befahl, einen Ring aus dem Meer zu holen?«

»Nein.« Obwohl der Prinz die Schläge fühlte, sagte er kein Wort, und Luise war schon ganz verzweifelt darüber, dass er sich an nichts mehr erinnerte. Dann sagte sie wieder: »Weißt du nicht, dass mein Vater, als er uns verfolgte, uns zuletzt verfluchte und wünschte, du solltest mich vergessen, wenn eine alte Frau dich umarmt?« Und als die Puppe wieder mit Nein antwortete, bekam sie einen Schlag, dass sie in tausend Stücke zerbrach. Da fühlte der Prinz einen so heftigen Schmerz, dass er aufsprang, mit der Hand über seine Stirn fuhr, wobei ihm langsam wieder alles zum Bewusstsein kam. Er fragte seine Braut, wer das Puppenspiel gemacht habe, und als sie antwortete, das sei ihr Kammermädchen gewesen, ließ er sie zu sich kommen; und als Luise vor ihm stand, erinnerte er sich an alles.

Er fasste sie bei der Hand, ging mit ihr zu seiner Mutter und sprach: »Mutter, hat mich irgend jemand umarmt, als ich mich nach der Rückkehr von meiner Reise schlafen legte?«

»Ja«, sagte die Königin, »deine Großmutter hat dich umarmt.«

»Dann hat mich diese Umarmung den Auftrag vergessen lassen, den ich Euch gab, bevor ich mich hinlegte. Hier ist die Frau, die auf mich gewartet hat, und nur sie will ich heiraten!«

Dann gingen sie ins schloss. Er heiratete Luise, und sie wurden sehr glücklich, die andere aber war unverhofft ihren Bräutigam los.