[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der unerwartete Fürsprecher

Es lebten einst zwei Brüder, und der eine von ihnen nahm ein armes Mädchen zur Frau. Dem Bruder, der die arme Frau geheiratet hatte, gaben seine Angehörigen nichts, sie überließen ihm nur ein kleines Stückchen Land, das Ende eines Feldstreifens. Dieser Bruder baute sich auf dem Stückchen Land ein kleines Häuschen. Aber als er endlich dort wohnte, starb er.

Er starb, und seine Frau wurde Witwe mit zwei Kindern. Sein Bruder hatte ihm das Stückchen Land nicht etwa geschenkt, sondern auf Abzahlung überlassen. Als er gestorben war, da kommt der Bruder immer aufs Neue, das Geld für das Stückchen Land zu fordern. Er sagt: »Na, was wird nun? Wann endlich wirst du mir das Geld für das Stück Land geben?« Da kaufte sich die Frau des Verstorbenen zwei Ferkel und ließ sie im Häuschen frei laufen. Die Ferkelchen krochen unter das Bett und wühlten da den ganzen Lehmboden auf.

Ein kleiner Junge war vom Ofen herunter gekrochen und sah irgendetwas wie einen Henkel. Da sagte er: »Mama, sieh mal, ein Henkel!« Die Mutter schaute nach, was da für ein Henkel sein könnte. Sie kroch unter das Bett, und sogleich sieht die Witwe - unter dem Bett ist ein Kessel mit Gold herausgewühlt! Sie ergriff sofort den Kessel, zog ihn heraus, stellte ihn auf das Bett, schüttete dem Sohn, ihrem Jungen, Goldgeld in sein Hemdlein und sagt: »Bringe es dem Oheim, und gib ihm die Abzahlung!«

Er trägt das Geld im Hemdchen zum Oheim. Als er so dahin geht, begegnete er dem Oheim, der gerade wieder Geld fordern kommt. Sofort gab er ihm das Geld. Der Oheim fragt seinen Bruderssohn: »Woher habt ihr soviel Geld?« Sofort sagt der Sohn der Witwe: »Die Mama hat unter dem Bett einen Kessel mit Gold ausgegraben.«

Der Oheim glaubt ihm nicht und sagt: »Gehen wir einmal selber nachsehen.« Er ging hin, er sieht - ein Kessel mit Gold. Da sagt der Oheim auch schon: »Dieses Geld hier ist vergiftet, es ist schlechtes Geld. Nimm es und trage es in die Grube hinter meiner Scheune.« Die Schwägerin sagt: »Nein, das kann ich nicht, es tut mir zu sehr leid um das Geld.«

Da kam der Oheim nach Hause und sagt: »Der schwarze Ochse muss geschlachtet werden.« Er holte ihn, schlachtete ihn, zog ihm die Haut ab und hängte sie unter dem Dach des Schauers auf das Gestell aus Trockenstangen, damit die Haut gut austrocknete. Als es Abend geworden war, nahm der Oheim die Haut, hüllte sich hinein (die Haut hatte noch Hufe und Hörner). Nachdem er sich ganz in die Haut eingewickelt hatte, ging er zu dem Häuschen der Schwägerin, schaute in Ochsengestalt durch das Fenster, fing am Fenster an zu lärmen und zu wüten, versuchte, die Tür aufzustoßen, doch konnte er sie nicht aufbrechen. Und seine Schwägerin wusste vor Schrecken nicht, wo sie bleiben sollte. Sie denkt: Morgen früh, wenn ich es noch erlebe, will ich das Geld sofort in die Grube des Schwagers werfen.

Als der Morgen kam, war der schwarze Ochse verschwunden, fortgelaufen.

Und darauf kam wieder der Bruder des Verstorbenen zu seiner Schwägerin und sagt: »Hat es bei dir in dieser Nacht nicht gespukt?« Die Schwägerin sagt: »O je, schrecklich gespukt hat es - es war wer weiß was für ein Ochse auf zwei Füßen!« Da sagt der Bruder des Verstorbenen: »Ich habe es dir ja gesagt, bringe das Geld hinter meine Scheune zu der Grube und wirf es hinein.«

Als die Schwägerin aber die eine und die andere Arbeit tat, da hatte sie keine Zeit mehr, den Kessel mit Gold zu der Grube zu bringen. Da wurde es wieder Abend, und wieder begann es zu spuken, wieder kam solch ein Ochse, wieder begann er zu spuken, gegen die Tür zu rennen, an die Fenster zu schlagen. Die Schwägerin war in Ängsten, und sie denkt: Wenn ich diesmal noch den Morgen erleben sollte, will ich das ganze Gold sofort hinter der Scheune des Schwagers in die Grube werfen.

Als der Morgen gekommen war, verschwand der schwarze Ochse wieder. Am Tage denkt sie wieder: Jetzt will ich wirklich das Gold zur Grube bringen und hineinwerfen. Doch tagsüber hatte sie wieder keine Zeit, es dahin zu tragen, und wieder wurde es Abend. Am Abend denkt sie: Jetzt trage ich es hin. Doch als sie sich gerade anschickt, es wegzubringen, kam ein junger Herr zu ihr und bat um ein Nachtlager. Aber die Frau erschrak und sagte: »Weißt du, Kindchen, bei uns kann man nicht übernachten, denn bei uns spukt es. Und jetzt will ich gerade gehen, das Gold wegbringen und in die Grube werfen.« Der junge Herr sagt: »Wenn es spukt, soll es ruhig spuken - wir werden es schon überleben. Doch das Geld trage nicht fort: vielleicht wird es nicht mehr spuken.« Sogleich gab die Frau dem jungen Herrn etwas zu essen. Als sie sich satt gegessen hatten, legten sich alle schlafen.

Kaum hatten sie sich niedergelegt, da kam auch schon der schwarze Ochse an das Fenster, er begann wieder an der Wand entlang zu scharren und an die Fenster zu schlagen. Sofort stand der junge Herr auf, ging ans Fenster und fragt: »Von welcher Nummer bist du, schwarzer Ochse?« Der Ochse antwortete und sprach: »Ich bin von der Nummer elf.« Doch der junge Herr antwortete: »Ich bin von der Nummer zwölf!« Und er hatte kaum diese Worte ausgesprochen, da sprang er mitsamt dem Rahmen durchs Fenster, packte den schwarzen Ochsen und trug ihn mit sich fort.

Am nächsten Tage kommt die Frau des reichen Bruders ihren Mann suchen. Sie sagt: »Ist nicht mein Mann bei euch? Er kam doch öfter nach euch sehen. Ich kann meinen Mann nirgends finden.« Sie geht ihn überall suchen. Sie fand ihn am Ende des Ackerstreifens am Rande der Sumpfwiese: hingeschmettert, das Herz herausgerissen und weit fortgeschleudert.