[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Tod im Schnupftabaksbeutel

Ein Mann war des Lebens auf der Erde überdrüssig, und er ging hinaus in den Himmel zu Gott, um vor ihm zu klagen, dass er ihn vergessen habe. Doch den Himmel fand er verschlossen, und er begann zu klopfen. Da kam der heilige Petrus heraus und fragte ihn: »Was begehrst du?« Da sagte jener, was er wünschte. Petrus ging hin und berichtete Gott: »Ein Mann ist gekommen, um sich vor dir zu beklagen, dass er es überdrüssig sei, auf der Erde zu leben.« Gott stellte den Mann an das Himmelstor und gebot ihm, niemanden ohne Erlaubnis einzulassen. Der Mann steht einen Tag, er steht den zweiten - da kommt doch der Tod und klopft ans Tor. Der Mann fragt: »Wer ist da?« Jener antwortet: »Der Tod.«

»Und was begehrst du?«

»Ich weiß nicht, was ich tun soll, welche Art Menschen ich sterben lassen soll.«

Der Torwächter ging zu Gott und fragte, was der Tod machen solle. »Mag er doch in den nächsten drei Jahren die alten Leute sterben lassen«, sagte Gott. Aber der Wächter kehrte zum Tod zurück und sagte, er solle in den nächsten drei Jahren die alten Eichen ausreißen. Der Tod hörte diesen Befehl und ging, die stärksten und ältesten Eichen auszureißen.

Als drei Jahre vergangen waren, kam der Tod wieder, um zu fragen, was er tun solle. Er klopfte ans Tor, und der Torwächter fragte! »Wer ist da?«

»Der Tod.«

»Was begehrst du?«

»Ich weiß nicht, was ich machen soll.«

»Warte, ich werde fragen.«

Der Mann ging zu Gott und fragte, was der Tod machen solle. Gott antwortete, er solle die nächsten drei Jahre die mittleren Menschen sterben lassen, die im mittleren Lebensalter. Der Torwächter befahl dem Tod, er solle auf die Erde gehen und die Eichen im mittleren Alter ausreißen, die allerstärksten. Da ging er hin - riss Eichen mit ganzer Kraft aus, drei lange Jahre hindurch, und dabei wurde er elend und magerte ab.

Nach drei Jahren kam er wieder zum Torwächter, um zu fragen, was er weiterhin machen solle. Als er am Tor angelangt war, klopfte er. Der Torwächter fragte: »Wer ist da?«

»Der Tod.« Der Torwächter fragte Gott, was der Tod tun solle. Gott dachte nach: Nicht eine Seele habe ich im Laufe von sechs Jahren gesehen, die in den Himmel gekommen wäre - vielleicht waren alle sündig? Mag er jetzt die kleinen Kindlein sterben lassen! Der Torwächter sagte zum Tod, er solle auf die Erde gehen und die wilden Seitentriebe ausreißen. Der Tod ging hinunter, riss alle Triebe rings um die Baumstümpfe aus und brach sie ab. Er wurde dürr, er wurde schwach. Er blieb kaum noch am Leben.

Als die drei Jahre vorüber waren, ging er wieder hinauf, um zu fragen, was er jetzt tun solle. Er klopfte ans Tor, der Torwächter fragte: »Wer ist da?« Der Tod konnte nur noch mit schwacher Stimme sprechen, denn er war völlig entkräftet. Der Wächter sagte Gott, dass der Tod gekommen sei. Gott kam selbst herbei, um den Tod auszuschimpfen: »Du hast wohl die neun Jahre hindurch nichts getan, da nicht eine Seele in den Himmel gekommen ist?« Er sieht, dass der Tod ganz mager geworden ist. Er fragt: »Was hast du getan, was hast du gearbeitet, dass du so schwach geworden bist?« Er antwortete: »Während dreier Jahre riss ich alte Eichen aus, während weiterer drei Jahre Eichen im mittleren Alter, und wiederum während dreier Jahre riss ich wilde Seitentriebe aus.«

»Wer hat dir befohlen, so etwas zu tun?«

»Herr Gott, doch der Knecht, der am Himmelstor steht!« Da wandte sich Gott an den Mann und befahl ihm, auf die Erde zu gehen und den Tod sehr zu lieben, ihn gut zu füttern, dass er wieder zu Kräften käme und so würde wie früher.

Als der Mann diesen Befehl von Gott erhalten hatte, führte er den Tod mit sich, und sie gingen auf die Erde. Da er aber nichts hatte, wovon er mit dem Tod leben konnte, ging er betteln. Beim Betteln nahm er ihn aber auch mit. Der Tod war jedoch schon so schwach geworden, dass er nicht mehr mit ihm zu gehen vermochte, und er bat, sich ausruhen zu dürfen. Da setzte sich der Bettler an den Rand des Grabens, holte einen Schnupftabaksbeutel heraus, und nachdem er genug Tabak getrunken hatte, sagte er: »Ts-ts-ts, das schmeckt gut!« Der Tod hörte das und fragte: »Was hast du da, was so gut schmeckt? Gib mir auch etwas zu kosten!« Der Mann machte den Tabaksbeutel auf und hielt ihn dem Tod hin. Es war nur noch wenig Tabak darin geblieben. Der Tod griff danach, doch der Mensch packte ihn an den Füßen und schob ihn in den Tabaksbeutel, machte ihn zu, steckte ihn in die Tasche und trug ihn die ganze Zeit mit sich herum.

Nachdem drei Jahre vergangen waren, brachte der Mann den Tod vor Gott, um ihn Gott zu zeigen. Gott fragte: »Wo hast du den Tod gelassen?« Er machte den Tabaksbeutel auf - und der Tod kam heraus gekrochen wie eine kleine Fliege. Deswegen schalt Gott den Mann heftig und wollte ihn bestrafen. Der Mensch bat Gott um Verzeihung. Wegen seines inständigen Bittens erließ Gott ihm die Schuld, doch den Tod nahm er in seine eigene Obhut und Gewalt. Zu seiner Wiederherstellung fütterte und pflegte Gott den Tod drei Jahre hindurch. Er brauchte nichts dafür zu tun, aber weil er gar zu abgemagert war, konnte er ihn nicht wieder machen wie früher. Und der Tod blieb mager und vertrocknet bis heute.

Fünfzehn Jahre lang waren keine Menschen gestorben. Und sie hatten sich sehr vermehrt, da es kein Sterben gab. Als aber der Tod wieder zu Kräften gekommen war, fing er an, diejenigen zu peinigen, die sterben sollten - und er hatte Arbeit, dass er schwitzte.