[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Sohn ohne Glück

Es war ein Bauer, der hatte einen Sohn. Dem Sohn wollte nichts glücken. Doch sein Vater war so klug, dass er es einem jeden Menschen ansehen konnte, ob er Glück hatte oder nicht. So sah er es auch seinem Sohne an, dass er durchaus kein Glück hatte. Deshalb konnte er ihn nicht leiden und wünschte, dass er umkommen möge.

Da fand sich ein Mädchen, das der Sohn heiraten konnte, und er fragte seinen Vater: »Könnte ich sie wohl heiraten?« Der Vater sah, dass dieses Mädchen Glück hatte. »Nein«, sagt er, »mit der kannst du nicht zusammen leben.« Dann lernte er eine andere kennen. Der Vater sah das Mädchen und sagte: »Diese kannst du heiraten, mit der wirst du zusammen leben können.« Und alsbald, ob es nun lang oder kurz währte, heirateten sie.

Nach der Hochzeit jagte der Vater die beiden aus dem Haus. Er sagte: »Geht eurer Wege, wohin ihr wollt!« Was sollten die beiden nun machen? Sie gehen von Haus zu Haus, um Brot zu erbetteln. Doch sie bekommen nirgends etwas. Und so weit kam es, dass man ihnen nicht einmal ein Nachtquartier gab. Sie haben weder etwas zu essen, noch gibt ihnen jemand Arbeit.

Hungrig gehen sie in den Wald und sagen: »Werden wir irgendwo eine starke Astgabel finden, damit wir uns wenigstens aufhängen können?« Denn auch wenn sie sich aufhängen wollen - sie hätten kein Stückchen Strick dazu gehabt; deshalb suchten sie eine Astgabel, in die sie ihre Köpfe zwängen konnten.

Als sie so durch den Wald gingen, begegneten sie einem Alten, der einen kleinen Widder mit sich führte. Der sagt: »Wohin geht ihr denn, Kinderlein?« Sie sagen: »Wir gehen in den Wald, vielleicht können wir unserem Leben irgendwo ein Ende machen. Wir beide haben nirgends Glück, wir bekommen weder Arbeit noch Essen und auch kein Nachtquartier.« Da sagt der Alte: »Ich will euch diesen kleinen Widder geben, dann könnt ihr von dem Glück leben, das der Widder hat.«

Kaum hatten sie den kleinen Widder bekommen, da wurden sofort ihre Augen hell. Sie gingen sogleich zu einem Bauern und bekamen beide Arbeit. Und wo sie waren, da hatten sie auch ihren kleinen Widder bei sich. Alsbald wurden sie sichtlich wohlhabender, so dass sie ein Haus kauften und bald in Reichtum leben konnten. Sie bekamen Kinder. Die Kinder wurden groß. Doch der Vater hörte von ihrem glücklichen Leben und machte sich zu ihnen auf den Weg. Er wollte aber nur herausfinden, wo sie ihr Glück herbekommen hätten.

Er kam an und betrachtete alle Tiere - doch keins von ihnen hatte das Glück. Aber da sieht er - auf dem Hof spaziert ein kleiner Widder herum, und der hat das Glück. Was soll er sich nun für eine Bosheit ausdenken? Er sagt: »Kindchen, ich möchte so gern Hammelfleisch essen! Könntest du mir nicht diesen kleinen Widder schlachten, der da auf dem Hof umherspaziert?« Und der Sohn denkt sich nichts Böses und sagt: »Er ist schon alt, wir können ihn schlachten.« Und der Vater freut sich schon auf den Augenblick, wo der Widder geschlachtet sein wird. Sie schlachteten den Widder, zogen ihm das Fell ab und kochten natürlich das Fleisch.

Als, es kaum gar gekocht war, gaben sie sofort den Kindern je ein Stückchen und kosteten auch selbst beide davon. Da sieht der Vater, dass auch von den Kindern jeder schon das Glück hat, und auch die beiden haben es jetzt! Da wurde der Vater wütend, dass er nichts hatte ausrichten können, und mit hängendem Kopf zog er ab nach Hause. Doch sie lebten nun erst recht glücklich.