[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Sohn als Dieb

Es war einmal ein Vater, der hatte einen Sohn. Der Sohn sagt: »Vater, ich will gehen, das Stehlen zu lernen.« Da sagt der Vater: »Nur zu!« So ging er denn aufs Feld, steckte einen Pfahl in die Erde, setzte dem Pfahl seine Mütze auf, die er vom Kopf genommen hatte, entfernte sich vom Pfahl um etwa hundert Schritt und machte sich dann daran, die Mütze zu stehlen. Als er herangekommen war, nahm er die Mütze vom Pfahl. Er will doch mal sehen, ob der Pfahl ihm etwas sagen wird. Darauf kehrte er zum Vater zurück und sagt: »Ich habe das Stehlen gelernt.«

»Wie denn«, sagt er, »mein Bester?« Er sagt: »So und so.«

»Ach geh, du Verrückter!« antwortete ihm der Vater. »Na, ich will jetzt losgehen, und wenn ich irgendetwas gestohlen habe, bringe ich es nach Hause.« Und er ging hinaus auf den Fahrweg, der durch den Wald führte.

Da sieht er einen Mann, der einen Ziegenbock bei sich hat. Den Bock möchte er stehlen. Das will und will ihm aber nicht gelingen. Da zieht er einen Schuh aus, beschmutzt ihn und wirft ihn hin. Dann läuft er ein Stück weiter und wirft den anderen, ganz sauber, hin.

Der Mann kommt zu dem ersten, er sieht, der ist völlig verschmutzt, und wirft ihn fort. Er kommt zu dem zweiten Schuh, er sieht, der ist sauber. Er denkt: Wenn einer schon alle beide verloren hat, will ich laufen und mir auch den ersten holen. Darauf bindet er den Ziegenbock an einen Strauch, läuft zurück, um den ersten zu holen. Der Junge führte inzwischen den Ziegenbock abseits, schnitt ihm den Kopf ab, bedeckte den Rumpf mit Reisig, doch den Kopf steckt er auf einen Pfahl, trug ihn zum Sumpf und steckte den Pfahl so tief hinein, dass nur noch der Kopf zusehen war.

Jener Mann kommt zurück - der Ziegenbock ist nicht mehr da. Er ruft und sucht ihn im Gebüsch. Der Dieb antwortet immer »mäh, mäh«. Der Mann sieht, sein lieber Ziegenbock wird gleich ganz versinken! Er zieht sich alle Kleider aus und watet zu dem Ziegenbock. Der Dieb nahm ihm inzwischen alle seine Kleider und lief damit fort. Jener aber ist an den Ziegenbock herangewatet, er zieht, doch er zieht nur den Kopf heraus. Er warf ihn fort und watet wieder aus dem Morast. Als er herausgewatet ist, sieht er, von seinen Kleidern fehlt jede Spur. Er denkt: dass du verrecken möchtest! Nicht genug damit, mir den Ziegenbock zu stehlen, nun auch noch die Kleider.

Er kann erst am Abend nach Hause gehen, als es schon ganz dunkel ist.

Als seine Frau sieht, dass er ohne Kleider nach Hause kommt, denkt sie zuerst: Der Teufel hat alles vertrunken, nicht einmal Kleider hat er mehr auf dem Leibe, von Geld kann schon gar keine Rede mehr sein. Sie brach sich eine Latte vom Zaun und begann ihm das Fell zu gerben: »Du Rumtreiber, du Hundsfott, den ganzen Tag säufst du in der Schenke. Ich weiß nicht, was ich zu Hause allen zu essen geben, womit ich alles bezahlen soll, und du treibst dich in den Kneipen herum und säufst!« Der Ärmste sagt: »Großes Missgeschick hat mich betroffen, so und so -.«

Und der Dieb brachte den Ziegenbock nach Hause, zog ihm das Fell ab und bereitete das Fleisch, wie es ihm zusagte. Da möchte auch der Vater von dem Fleisch haben. Der Sohn sagte zu ihm: »Wenn du mich so in Schrecken versetzt, dass ich davonlaufe, dann will ich dir das ganze Fleisch geben, doch wenn ich dich in Schrecken versetze und davonjage, dann gebe ich dir auch nicht den kleinsten Bissen.« Sie gingen an den Ort, wo er den Ziegenbock gestohlen hatte. Er zeigte ihn dem Vater und sagte: »Hier habe ich ihn gestohlen.« Dann schickte er den Vater los: »Geh«, sagt er, »versetze mich so in Schrecken, dass ich davonlaufe.« Der Vater ging in das Gestrüpp, kehrte das Fell um und geht auf allen vieren auf den Sohn los. Der sagte darauf: »Nur sachte, sachte, du Dummkopf«, sagt er, »so wirst du mir keinen Schrecken einjagen. Na, jetzt will ich gehen, dir Angst einjagen und dich davon treiben.« Er ging in das Gestrüpp, schnitt sich einen Haselstock ab und schlägt auf das Fell bumm-wumm, bumm-wumm, und dabei schreit er: »Lieber Oheim, schlag mich nicht! Nicht ich habe den Ziegenbock gestohlen, mein Vater hat ihn gestohlen.«

»Na, wo ist denn dein Vater, komm, gehen wir, zeig ihn mir!« Kaum hörte der Vater, dass jemand näher kommt, er - sofort auf und davon nach Hause. Der Sohn kommt an den Platz, doch vom Vater ist nichts mehr zu sehen.

So hatte er seinen Vater hinters Licht geführt.