[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Python und seine zwei Frauen

Ein Python heiratete zwei Frauen. Die Hauptfrau, Nengome, wusste wohl, dass ihr Mann ein Python war. Die jüngere aber wusste das nicht, und wann immer sie sich nach ihrem Mann erkundigte, sagte man ihr, sie solle sich um nichts bekümmern. Eines Nachts, als die junge Frau schlief, spürte sie, wie der Python an ihre Seite kroch. Da wachte sie auf und sang: »Es tropft mich nass, es tropft mich nass.
Nengome!
Es tropft mich nass, es tropft mich nass.
Nengome!«
Das wiederholte sich mehrere Nächte lang, und der Python trug Nengome auf, der jungen Frau zum Trost ein Halsband zu geben und ihr zu sagen, sie solle ruhig sein.

Nun war es so, dass die Morgenmahlzeit von Nengome, der Hauptfrau, aufgetragen wurde und die Abendmahlzeit von der jungen Frau. Tagsüber arbeiteten beide Frauen auf den Maisfeldern, und bei Sonnenuntergang kehrten sie nach Hause zurück. Wenn sie sich dem Kraal näherten, sang Nengome: »Wir kommen! Wir kommen!« Und der Python erwiderte: »Ihr habt gehackt, und wo habt ihr aufgehört?« Zur Antwort sang Nengome: »Aufgehört haben wir beim Mufhanda-Baum, dem Dornenbaum in der Mitte.« Darauf erwiderte der Python: »Ja, meine Frau. Ja, meine Frau.« Die junge Frau aber sang dazwischen: »Den Magen voller Haare.« Und sie meinte den Magen eines Python.

Eines Tages, als die beiden Frauen auf den Maisfeldern arbeiteten, sagte die jüngere: »Ich muss meine Schnupftabakdose holen, die ich zu Hause vergessen habe.« Nengome wollte sie nicht gehen lassen und sagte: »Ich selbst werde sie holen.« Am nächsten Tag geschah das gleiche. Am dritten Tag aber rannte die junge Frau zum Kraal. Dort fand sie den Python, ihren Mann, der sich eine Mahlzeit Fliegen fing. Als sie aufs Feld zurückkam, rief Nengome: »Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht gehen sollst. Jetzt hast du den Python gesehen, und nun weiß ich nicht, was geschehen wird.« Der Python-Mann aber schlüpfte in ein tiefes Wasser und kehrte nicht wieder zurück. Alle Ströme, alle Flüsse, alle Bäche und Wasserlöcher begannen auszutrocknen, und die Menschen, das Vieh und die wilden Tiere schrieen vor Durst. Vergebens fragte der Häuptling bei allen Regenmachern um Rat. Der einzige Ort, an dem es Wasser gab, war der Fundudzi-See, dort wohnte der große Python.

Nengome wusste natürlich, warum alle Wasser ausgetrocknet waren, und heimlich teilte sie es den Leuten mit. Also versammelten sich die Häuptlinge und baten Nengome, ihnen alles zu erzählen. Dann befahlen sie, Bier zu brauen, damit man es dem Python im Fundudzi-See anbieten konnte. Und der jungen Frau wurde erklärt, der einzige Weg, die Leute zu retten, sei der, dass sie mit einem Topf voll Bier in den Fundudzi-See ginge. Als der festgesetzte Tag gekommen war, ließ man die junge Frau das Bier tragen, und die Männer tanzten, begleitet von Flöten und Trommeln, die Tshikona, um der jungen Frau auf ihrem Weg Mut zu machen. Sie schritt in den See und sang: »Leb wohl, meine Schwester!« Und als Antwort hieß es: »Spiel - so laut wie der Donner!« Wieder sang sie: »Mein Vater, lebe wohl!« Und die Erwiderung war: »Spiel - so laut wie der Donner!« Noch einmal sang sie: »Mutter, lebe wohl!« Und die Antwort war: »Spiel - so laut wie der Donner!«

Und während die Tshikona immer heftiger getanzt wurde, die Flöten und Trommeln immer lauter erklangen, warf sich die junge Frau in die Tiefe des Sees. Sogleich stieg in den Strömen und Flüssen, in den Bächen und Wasserlöchern das Wasser, und die Menschen, das Vieh und die wilden Tiere tranken voller Freude.