[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Müller und der Professor

Da kam einst ein berühmter ausländischer Professor nach England, und bevor er kam, machte er bekannt, er wolle die Studenten aus allen Hochschulen in England prüfen. Nach einiger Zeit hatte er alle außer Cambridge besucht, und er war nun auf dem Weg dorthin und wollte öffentlich die ganze Universität prüfen. In Cambridge wurde der Empfang des Professors mit großer Geschäftigkeit vorbereitet, und groß war auch die Angst der Studenten, die sich vor dem Augenblick fürchteten, in dem sie vor einem, der für seine Gelehrsamkeit so berühmt war, zeigen sollten, was sie an Wissen erworben hatten. Als die Stunde seiner Ankunft näher kam, wuchsen ihre Ängste, und zuletzt beschlossen sie, Mittel und Wege zu finden, um die drohende Prüfung abzuwenden. Zu diesem Zweck verkleideten sich einige der Studenten als gewöhnliche Arbeiter und verteilten sich in Grüppchen von zweien oder dreien in passendem Abstand voneinander entlang der Straße, auf der der Professor erwartet wurde.

Er war in seiner Kutsche bis auf eine Entfernung von ein paar Meilen an Cambridge herangekommen, als er die erste Gruppe dieser Arbeiter traf. Der Kutscher hielt die Pferde an und fragte die Leute, wie weit es noch sei. Der Professor war erstaunt, als er sie auf lateinisch antworten hörte. Er setzte seinen Weg fort, und als er etwa eine halbe Meile gefahren war, traf er auf eine zweite Gruppe von Arbeitern, die sich an der Straße zu schaffen machten. Der Kutscher fragte sie so ähnlich wie die ersten. Noch mehr überrascht war der Professor, als er hörte, wie sie griechisch antworteten. »Ach«, dachte er, »das müssen tüchtige Gelehrte sein in Cambridge, wenn sogar die gewöhnlichen Arbeiter auf der Straße Latein und Griechisch sprechen. Es wird nicht genügen, sie auf die gleiche Art wie andere Leute zu prüfen.« Und während des ganzen restlichen Weges sann er darüber nach, welche Prüfungsweise er anwenden solle. Und gerade als sie den Stadtrand erreichten, kam er zu dem Entschluss, sie durch Zeichen zu prüfen. Sobald er aus seiner Kutsche ausgestiegen war, verlor er also keine Zeit und machte unverzüglich diese neuartige Prüfungsmethode bekannt.

Nun hatten die Studenten niemals mit einem solchen Ergebnis ihrer Kriegslist gerechnet, und wie man sich wohl denken kann, waren sie arg enttäuscht. Besonders war da ein Student, der sehr fleißig studiert hatte, und jedermann erwartete von ihm, dass er den Preis bei der Prüfung erhalten würde. Und weil nun aber auch der faulste Student der Universität mit der gleichen Wahrscheinlichkeit wie er selbst die Zeichen des Professors erraten konnte, war er darüber sehr mutlos.

Der Tag der Prüfung war da, aber er ging nicht hin und spazierte stattdessen traurig und bekümmert am Flussufer entlang. Es war in der Nähe der Mühle, und zufällig sah ihn der Müller, der war ein lustiger Bursche, und gewöhnlich sprach er mit diesem Studenten, wenn der auf seinen Spaziergängen an der Mühle vorbeikam. Nun fragte er ihn, was mit ihm los sei. Da erzählte ihm der Student alles und auch, dass der große Professor durch Zeichen prüfen wolle und dass er nun Angst habe, er werde die Prüfung nicht bestehen. »Oh, wenn das alles ist«, sagte der Müller, »dann seid darüber nicht bekümmert. Habt Ihr nie davon gehört, dass manchmal ein Narr den Gelehrten Weisheit lehren kann? Lasst mich nur Euere Kleider anziehen, Euer Barett und den Talar, und ich werde für Euch zu der Prüfung gehen. Und wenn ich Erfolg habe, sollt Ihr die Ehre davontragen, und wenn ich nicht bestehe, will ich ihnen sagen, wer ich bin.«

»Aber jeder weiß, dass ich nur ein Auge habe«, sagte der Student. »Macht Euch keine Sorgen«, sagte der Müller, »ich kann mir leicht einen schwarzen Flicken über eines meiner Augen binden.« So tauschten sie also die Kleider, und der Müller ging zu der Prüfung des Professors in Barett und Talar des Studenten und mit einer schwarzen Binde über dem Auge.

Nun, gerade als der Müller den Hörsaal betrat, hatte der Professor alle andern Studenten geprüft, und keiner hatte die Bedeutung seiner Zeichen erraten oder seine Fragen beantworten können. Der Müller stand also auf, und der Professor steckte seine Hand in die Manteltasche, zog einen Apfel heraus und hielt ihm den hin. Der Müller steckte ebenfalls seine Hand in die Tasche und zog einen trockenen Brotkanten heraus, den hielt er ebenfalls dem Professor hin. Der Professor steckte den Apfel in die Tasche und zeigte mit einem Finger auf den Müller: der Müller zeigte mit zwei Fingern auf ihn zurück. Der Professor zeigte mit drei Fingern: und der Müller hielt ihm seine geballte Faust hin. »Richtig!« sagte der Professor, und er sprach den Preis dem Müller zu. Der Müller beeilte sich, die gute Nachricht seinem Freunde, dem Studenten, zu bringen, der in der Mühle wartete. Der Student zog wieder seine eigenen Kleider an und eilte zurück, um sich den Preis verleihen zu lassen.

Als er im Hörsaal ankam, stand der Professor da und erklärte den versammelten Studenten die Bedeutung der Zeichen, die er und der Student, der den Preis gewann, verwendet hatten. »Zunächst«, sagte er, »hielt ich einen Apfel hin und bezeichnete damit den Fall der Menschheit durch Adams Sünde, und er hob sehr richtig ein Stück Brot hoch, das bedeutete, durch Christus, also durch das Brot des Lebens, wurde die Menschheit erneuert. Dann streckte ich einen Finger aus, das bedeutete, ein Gott ist in der Dreifaltigkeit; er streckte zwei Finger aus, und meinte, es sind zwei; ich streckte drei Finger aus, das hieß, es sind drei; und er hielt die geballte Faust hin, das bedeutete, die drei sind eins.«

Nun, den Studenten, der den Preis gewonnen hatte, machte es ganz irre, darüber nachzudenken, wie der Müller dies alles wissen konnte, und sobald die Feier vorüber war, in der man den Namen des erfolgreichen Kandidaten öffentlich bekannt gegeben hatte, eilte er zur Mühle und erzählte dem Müller alles, was der Professor gesagt hatte. »Ach«, sagte der Müller, »ich will Euch sagen, wie alles war. Als ich hereinkam, schaute der Professor ordentlich grimmig drein, und er griff mit der Hand in die Tasche und tastete eine Weile herum, schließlich zog er einen Apfel heraus und hielt ihn hoch, als wolle er damit nach mir werfen. Da griff ich mit der Hand in meine Tasche, aber ich konnte nichts anderes finden als einen alten trockenen Kanten Brot. Also hielt ich den auf die gleiche Weise hoch und meinte damit, ich würde den Kanten nach ihm werfen, wenn er den Apfel würfe. Dann schaute er noch grimmiger drein und streckte einen Finger nach mir aus, so als wolle er sagen, dass er mein eines Auge ausstechen werde. Und da streckte ich zwei Finger aus und meinte, wenn er mein eines Auge ausstäche, würde ich seine beiden ausstechen. Und dann streckte er drei Finger aus, als wolle er mir das Gesicht zerkratzen, und ich ballte meine Faust und schüttelte sie gegen ihn und meinte damit, wenn er es täte, würde ich ihn niederschlagen. Und dann sagte er, ich hätte den Preis verdient.«