[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der König der Wölfe

Ein wohlhabender Bauer stellte fest, dass der Hafer, den er um einen Baum gesät hatte, nach jeder Nacht ganz zertreten war. Eines Abends ging er hin, kletterte auf den Baum und wartete, wer da kommt und den Hafer niedertritt. Und da sieht er, dass sich hier in der Nacht von allen Seiten die Wölfe versammeln. Als alle da waren, gebot ihr König einem jeden, was er am folgenden Tag reißen sollte. Dem einen befahl er, dort dieses und jenes Bauern Kalb zu würgen, dort des anderen Schwein, doch einem Wolf gebot er, unseres Bauern Pferd mit der Blesse zu reißen.

Kaum waren die Wölfe unter dem Baum auseinander gegangen, lief er sofort nach Hause und schmierte das Pferd, das eine Blesse hatte, mit Schmutz ein.

In der nächsten Nacht kletterte er wieder auf den Baum, um zu horchen, ob der Wolfskönig nicht wieder gebieten würde, ein teures Stück Vieh von ihm zu reißen. Die Wölfe versammelten sich, und der König begann wieder zu befehlen, was ein jeder reißen sollte. Da sagte einer von ihnen: »Du hast mir geboten, das Pferd mit der Blesse von jenem Bauern zu reißen, doch da ist gar keins mit einer Blesse - und ich bin so ohne Fressen geblieben!«

»Na, dann nimm dir jetzt seinen Ochsen mit der Blesse!« Danach trennten sich die Wölfe wieder, doch der Bauer lief nach Hause und schmierte die Blesse seines Ochsen mit Schmutz ein.

In der Nacht hockte der Bauer wieder auf dem Baum und horchte, ob der König nicht wieder gebieten würde, ein Stück von seinem Vieh zu reißen. Der König befahl allen, was sie zu würgen hatten, doch dem, der den Ochsen mit der Blesse nicht gefunden hatte, sagte er: »Du sollst den reißen, der auf diesem Baum sitzt!« Alle Wölfe bleiben und warten auf den Bauern, doch der sitzt auf dem Baum und steigt nicht herunter.

Am folgenden Morgen, als der Vater nicht nach Hause gekommen war, gingen seine Kinder zu dem Baum, um ihren Vater zu holen. Die Wölfe hatten sich inzwischen entfernt, so dass die Kinder sie nicht sahen. Der Vater hatte Angst herunter zu klettern, denn wer konnte wissen, ob die Wölfe sich nicht nur irgendwo versteckt hielten und dort warteten. Deshalb gebot er seinen Kindern, mit einem Wagen herzukommen und einen großen Waschbottich aufzuladen: »Stülpt den Bottich über mich«, sagte er, »und die Wölfe können mir nichts anhaben.«

Die Kinder machten es auch so, sie stülpten den Waschbottich über ihren Vater, fahren mit ihm los nach Hause, und kein Wolf ist zu sehen. Doch da kommt vom Wäldchen her schreiend ein Mädchen gelaufen: »Helft, helft! Die Wölfe sind hinter mir her!«

»Krieche unter den Bottich«, sagte er, »auch für dich ist noch Platz.« Das Mädchen kroch darunter. Unterwegs beim Fahren hören die Kinder, dass es im Fass poltert und poltert! Sie lachen noch darüber: »Da, hört nur, wie der alte Vater noch mit dem jungen Mädchen schäkert!« Und sie fuhren ihres Weges, ohne weiter darauf zu achten.

Als sie zu Hause angekommen waren, hoben sie den Bottich hoch. Da huscht ein Wolf darunter hervor und läuft eilig zum Wald, doch vom Vater fanden sie nur noch die Knochen.