[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der kleine Hans

Es waren einmal drei Brüder; einer von ihnen hieß der kleine Hans. Der kleine Hans war eine Handspanne groß, sein Bruder ein und eine halbe Handspanne und sein anderer eine halbe. Vater und Mutter starben; da zogen die drei in die Welt hinaus.

Sie kamen an das Schloss eines Königs und klopften an das Tor und fragten, ob der König wohl einen Diener brauche. Es war der König der Türken. Er fragte sie, ob sie lesen könnten. Sie antworteten: »Nein.« Da sie nicht lesen konnten, schickte der König sie wieder fort. Da gingen sie in ein anderes Schloss, um dort ihre Dienste anzubieten. Bei diesem König sagten sie, sie könnten lesen. Der König bestellte den kleinen Hans zum Buchhalter, den, der nur eine halbe Handspanne groß war, zum Gärtner und den, der ein und eine halbe Handspanne groß war, zum Aufseher über seine Feldarbeiter.

Die beiden Brüder waren sehr neidisch auf den kleinen Hans, weil er immer im Haus bleiben konnte und sie aufs Feld gehen mussten. Sie wollten nun dem kleinen Hans eine Falle stellen, um ihn zu töten. Sie gingen also zum König und sagten zu ihm, der kleine Hans sei imstande, dem Türkenkönig eine wunderschöne Decke, die er besaß, zu entwenden.

Der kleine Hans machte sich auf den Weg; aber der Türkenkönig hatte an seinem Schlosstor einen Papagei, der schrie immer, sobald er jemanden erblickte: »Du armer Türkenkönig wirst bestohlen!« Der kleine Hans kam an das Tor. Er hatte viele Kuchen bei sich, denn er wollte sehen, ob er den Papagei zum Schweigen brächte, und er fragte ihn, ob er Kuchen haben wolle. Der Papagei sagte ja, und der kleine Hans stieg zum Schloss hinauf und legte sich unter das Bett des Königs. In der Nacht begann er, die Decke bald nach der einen, bald nach der anderen Seite zu ziehen. Den König ärgerte dies so sehr, dass er schließlich die Decke auf den Fußboden warf. Sofort nahm der kleine Hans die Decke an sich und machte sich mit ihr auf und davon.

Als er durch das Tor entschwunden war und sich schon ein Stück vom Schloss entfernt hatte, kam es dem Papagei erst in den Sinn, zu rufen: »Eile herbei. Türkenkönig, du wirst bestohlen!« Der Türkenkönig erschien am Tor, erblickte den kleinen Hans noch und sagte zu ihm: »Geh nur zu, denn du wirst noch oft wiederkommen, bis du eines Tages hier bleibst.« Und der kleine Hans antwortete ihm:

»Ja, ich komme zurück, ich komme wieder, und eines Tages nehme ich dich selber mit.«

Er kam bei seinem König an und gab ihm die wunderschöne Decke. Als die Brüder sahen, dass er noch mit dem Leben davongekommen war, sagten sie zum König, Hänschen sei imstande, den Papagei zu holen, der das Schlosstor des Türkenkönigs bewache. Der kleine Hans ging wieder hin und hatte viel Kuchen bei sich und gab ihn dem Papagei und sagte zu ihm, er möge doch den Schnabel halten, wenn er ihn jetzt mitnehme. Als der Papagei die Kuchen gefressen hatte und der kleine Hans ihn mitnehmen wollte, rief der Papagei: »Eile herbei. Türkenkönig, du wirst bestohlen!« Der Türkenkönig erschien und nahm den kleinen Hans fest, führte ihn ins Schloss zurück, fesselte ihn an Händen und Füßen und sagte zur Köchin, sie solle den kleinen Hans schlachten und ihn zum Essen zubereiten. Dann ging der Türkenkönig wieder fort.

Und die Köchin machte sich daran, einen Schinkenknochen durchzusägen. Als der kleine Hans dies sah, sagte er: »Willst du ihn selbst durchsägen? Mach mir doch die Hände frei, dann säge ich dir den Knochen in einem Augenblick durch.« Da antwortete sie: »Nein, denn dann entfliehst du mir.« Und er sagte: »Das stimmt nicht; binde mir ruhig die Hände los, denn mit gefesselten Füßen kann ich doch nicht fliehen.« Da band die Köchin ihm die Hände los, und er machte sich schnell ganz frei. Er ging auf die Köchin zu, schlug ihr den Kopf ab, nahm den Körper und kochte ihn statt des seinen. Dann kämmte er die Haare ihres Kopfes und legte ihn ins Bett, so dass er nur ein wenig herausguckte. Dann ging er zum Papagei und schnitt ihm die Zungenspitze ab und sagte zu ihm, er werde ihn töten, falls er ein Sterbenswörtchen von sich gebe, wenn er ihn mitnehme. Dann versteckte sich der kleine Hans hinter dem Tor, und als der Türkenkönig wieder im Schloss war, nahm er schnell den Papagei und floh.

Und der Türkenkönig fand die Köchin tot vor, und er wurde sehr böse und zornig auf den kleinen Hans. Der kam indessen bei seinem König an und übergab ihm den Papagei. Da wurden die Brüder noch neidischer auf ihn und erklärten, der kleine Hans sei imstande, den Türkenkönig selbst zu holen. Der kleine Hans sagte ja, er wolle ihn wohl holen, aber man müsse ihm einen Wagen zurechtmachen, der mit sieben Schlüsseln zu verschließen sei. Dann stieg er in den Wagen, kam an das Tor des Türkenkönigs und fragte: »Wer will sehen, wie der kleine Hans getötet wird?« Der Türkenkönig sprang heraus und rief: »Ich, ich!« Der kleine Hans antwortete ihm, ohne sich zu zeigen: »Kommt hier in diesen Wagen hinein, dann seid Ihr eher da.«

Sobald der kleine Hans den Türkenkönig im Wagen hatte, verschloss er ihn mit den sieben Schlüsseln und sagte: »Wer will sehen, wie der Türkenkönig getötet wird?« Dann übergab er ihn seinem König. Der befahl nun, den Türkenkönig zu erschießen, und darauf erzählte der kleine Hans seinem König, dass er an allem ganz unschuldig sei und dass alles seine Brüder erfunden hätten. Der König fragte ihn, wie er nun seine Brüder dafür bestrafen wolle. Der kleine Hans antwortete, der König solle sie auf die Turmspitze steigen und da tanzen lassen. Kaum waren die Brüder oben angelangt, da fielen sie vom Turm herunter.

Als der König nun sah, dass der kleine Hans in allem sehr geschickt war, gab er ihm seine Tochter zur Frau.