[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der goldene Ball

Da waren zwei Mädchen, Töchter von einer Mutter, und als die vom Jahrmarkt kamen, sahen sie an der Haustür einen richtig hübschen jungen Mann vor sich stehen. Niemals hatten sie zuvor einen so hübschen Mann gesehen. Er hatte Gold an seiner Mütze, Gold an seinem Finger, Gold um den Hals, eine Uhrkette aus rotem Gold - ach, hatte der aber Geld! Er hielt in jeder Hand einen goldenen Ball. Jedem Mädchen gab er einen Ball, sie solle ihn behalten, und wenn sie ihn verlöre, müsste sie gehängt werden. Eines der Mädchen, es war die jüngere, verlor ihren Ball. Wie, das will ich dir erzählen.

Sie war neben dem Zaun eines Parks und warf ihren Ball, und der flog hoch, und hoch, und hoch, bis er glatt über den Zaun flog. Und als sie hinaufkletterte, um nach ihm zu sehen, da lief der Ball auf dem grünen Gras dahin und lief geradeaus zu der Tür des Hauses, und da lief der Ball hinein, und sie sah ihn nicht mehr. So wurde sie fortgeholt und sollte aufgehängt werden an ihrem Hals, bis sie tot war, weil sie ihren Ball verloren hatte.

Aber sie hatte einen Liebsten, und der sagte, er wolle gehen und den Ball holen. So ging er zu dem Parktor, aber es war geschlossen; da kletterte er auf die Hecke, und als er oben auf der Hecke war, erhob sich aus dem Graben vor ihm eine alte Frau und sagte, wenn er den Ball bekommen wolle, müsse er drei Nächte in dem Haus schlafen. Er sagte, das wolle er. Dann ging er in das Haus und suchte nach dem Ball, aber er konnte ihn nicht finden. Die Nacht kam und er hörte, wie Kobolde sich im Hof umher trieben. Er schaute also aus dem Fenster, und da war der Hof voll von ihnen.

Plötzlich hörte er Tritte über die Treppe heraufkommen. Er verbarg sich hinter der Tür und war mäuschenstill. Dann kam ein großer Riese herein, der war fünfmal so groß wie er, und der Riese schaute sich um, aber er sah den Burschen nicht, so ging er zum Fenster und beugte sich vor, um hinauszublicken. Und als er sich auf seine Ellbogen lehnte, um die Kobolde im Hof zu sehen, da trat der Bursche hinter ihn, und mit einem Streich seines Schwertes hieb er ihn in zwei Teile, so dass der obere Teil von ihm in den Hof fiel und der untere Teil vor dem Fenster stehen blieb und hinaussah.

Da machten die Kobolde ein großes Geschrei, als sie den halben Riesen zu sich heruntertaumeln sahen, und sie riefen: »Da kommt unser halber Herr, gib uns die andere Hälfte.« Da sagte der Bursche: »Du bist zu nichts nutze, du Beinpaar, wenn du allein am Fenster stehst, da du kein Auge zum Sehen hast. Geh also und folge deinem Bruder«, und er warf den unteren Teil des Riesen hinter dem oberen her. Nun hatten die Kobolde den ganzen Riesen bekommen und waren still.

In der nächsten Nacht war der Bursche wieder in dem Haus, und nun kam ein zweiter Riese zur Tür herein, und als er hereinkam, hieb ihn der Bursche in zwei Teile, aber die Beine spazierten zum Kamin und gingen von allein hinauf. »Geh, sieh zu, dass du hinter deinen Beinen herkommst«, sagte der Bursche zu dem Kopf und warf den auch in den Kamin hinauf.

In der dritten Nacht kroch der Bursche in das Bett, und er hörte die Kobolde unter dem Bett ihr Wesen treiben, und sie hatten da den Ball und warfen ihn hin und her. Nun hatte einer von ihnen sein Bein unter dem Bett hervorgereckt, da holte der Bursche mit seinem Schwert aus und hieb es ab. Dann streckte ein anderer seinen Arm an der anderen Bettseite hervor, und der Bursche hieb den ab. So hatte er schließlich alle verstümmelt, und sie liefen schreiend und jammernd davon und vergaßen den Ball, aber er holte ihn unter dem Bett hervor und ging seine Liebste suchen.

Nun hatte man das Mädchen nach York gebracht, und es sollte da gehängt werden. Sie war hinaus auf das Schafott geführt worden, und der Henker sagte: »Mädchen, nun musst du an deinem Hals gehängt werden, bis du tot bist.« Aber sie rief aus: »Halt ein, halt ein, ich glaub, ich seh die Mutter kommen! O Mutter, hast du gebracht meinen goldenen Ball,
und kamst du, um mich zu befrein?«
»Ich hab nicht gebracht deinen goldenen Ball,
nicht dich zu befrein ich kam.
Ich kam ja nur, um dich hängen zu sehn
an diesem Galgenstamm.«
Dann sagte der Henker: »Mädchen, nun sprich deine Gebete, denn du musst sterben.« Aber sie sagte: »Halt ein, halt ein, ich glaub, ich seh den Vater kommen! O Vater, hast du gebracht meinen goldenen Ball,
und kamst du, um mich zu befrein?«
»Ich hab nicht gebracht deinen goldenen Ball,
nicht dich zu befrein ich kam.
Ich kam ja nur, um dich hängen zu sehn
an diesem Galgenstamm.«
Dann sagte der Henker: »Hast du deine Gebete gesprochen? Mädchen, nun lege deinen Kopf in die Schlinge.« Aber sie antwortete: »Halt ein, halt ein, ich glaub, ich seh den Bruder kommen!« Und sie sang wieder, und dann glaubte sie, ihre Schwester kommen zu sehen, dann ihren Onkel, dann ihre Tante, dann ihren Vetter. Aber danach sagte der Henker: »Ich will nicht länger einhalten, du treibst dein Spiel mit mir. Jetzt gleich musst du hängen.« Aber nun sah sie ihren Liebsten durch die Menge kommen, und über seinem Kopf hielt er hoch in der Luft ihren eigenen goldenen Ball. Da sagte sie: »Halt ein, halt ein, ich seh meinen Liebsten kommen!
Liebster, du hast gebracht meinen goldenen Ball,
und kamst, um mich zu befrein?«
»Gewiss hab ich gebracht deinen goldenen Ball,
und dich zu befrein ich kam.
Ich bin nicht gekommen, dich hängen zu sehn
an diesem Galgenstamm.«
Und er nahm sie mit nach Hause, und sie lebten fortan glücklich allezeit.