[swahili, "Geschichte, Legende"]

Demane und Demazana

Vor langer Zeit einmal liefen ein Junge und ein Mädchen, es waren Zwillingsgeschwister, aus dem Dorf weg. Der Junge hieß Demane und das Mädchen Demazana. Sie liefen zu einer Höhle, die zwei Öffnungen hatte, um Licht und Luft hereinzulassen, und deren Eingang fest verschlossen werden konnte, und wohnten darin. Am Tage ging Demane zur Jagd und befahl seiner Schwester, in seiner Abwesenheit kein Fleisch zu braten, damit der Geruch ihren Zufluchtsort nicht dem Zim verriete. Das Mädchen wäre ganz sicher gewesen, wenn es sich so verhalten hätte. Aber sie war eigensinnig, und so briet sie sich eines Tages etwas Fleisch. Ein Zim roch das Fleisch, ging zur Höhle, fand aber den Eingang verschlossen. So versuchte er, Demanes Stimme nachzuahmen, und um hereingelassen zu werden, sang er: »Demazana, Demazana,
Kind meiner Mutter,
öffne mir die Höhle.
Die Schwalben können hinein,
denn sie hat zwei Öffnungen.«
Demazana sagte: »Nein, du bist nicht mein Bruder. Das ist nicht seine Stimme.« Der Zim ging fort, kam aber nach einer Weile wieder und sagte mit anderer Stimme: »lass mich herein, Schwester.« Das Mädchen antwortete: »Geh weg, Zim! Deine Stimme ist rau, du bist nicht mein Bruder.«

Da ging er und beriet sich mit einem anderen Zim. Er fragte: »Was muss ich tun, damit mein Wunsch erfüllt wird?« Was er sich wirklich wünschte, sagte er aber nicht, weil er fürchtete, der andere würde ein Stück von dem Mädchen haben wollen. Sein Freund gab ihm den Rat: »Du musst dir den Hals mit einem glühenden Eisen ausbrennen.« Das tat er, und nun sprach er nicht mehr rau. Dann stellte er sich wieder vor die Höhlentür und sang: »Demazana, Demazana,
Kind meiner Mutter,
öffne mir die Höhle.
Die Schwalben können hinein,
denn sie hat zwei Öffnungen.«
Davon ließ sich das Mädchen täuschen. Sie glaubte, ihr Bruder komme von der Jagd zurück, und so öffnete sie. Der Zim kam herein und ergriff sie. Als er sie wegtrug, verstreute sie hier und da am Wegesrand etwas Asche.

Bald darauf kehrte Demane zurück, der außer einem Schwarm Bienen an diesem Tag nichts gefangen hatte, und fand seine Schwester nicht. Er erriet, was passiert war, und mit Hilfe der Asche konnte er dem Weg folgen, bis er zur Behausung des Zim kam. Dessen Familie war unterwegs, um Feuerholz zu sammeln, der Zim aber war daheim und hatte Demazana in einen großen Sack gesteckt, in dem sie bleiben sollte, bis das Feuer brannte.

Demane bat: »Gib mir Wasser zu trinken, Vater.« Zim erwiderte: »Ich gebe dir welches, wenn du versprichst, meinen Sack nicht anzufassen.« Demane versprach es. Da ging Zim Wasser holen. Während er fort war, zog Demane seine Schwester aus dem Sack und steckte die Bienen hinein. Dann versteckten sich beide. Als Zim das Wasser brachte, kehrten auch Frau, Sohn und Tochter mit dem Feuerholz zurück. Zim sagte zu seiner Tochter: »Da im Sack ist etwas Hübsches. Bring ihn her.« Das Mädchen ging hin, aber die Bienen stachen sie in die Hand und sie schrie: »Es beißt!« Zim schickte seinen Sohn, danach die Frau, aber es war immer dasselbe. Da wurde Zim ärgerlich und trieb sie hinaus. Nachdem er einen Holzblock in die Tür gestellt hatte, öffnete er selbst den Sack. Die Bienen schwärmten aus und stachen ihm in den Kopf, besonders in die Augen, so dass er nichts mehr sehen konnte. Es gab einen Rauchabzug im Dach - dort zwängte sich Zim nach draußen. Heulend vor Schmerz sprang er umher. Dann rannte er los und fiel kopfüber in einen Teich, wo er mit dem Kopf im Schlamm stecken blieb und zu einem Holzklotz wurde, wie ein Baumstumpf. Diesen Stumpf wählten die Bienen zu ihrem Stock, niemand aber konnte je an ihren Honig, denn wenn er es versuchte, steckte seine Hand fest.

Demane und Demazana aber nahmen sich Zims Eigentum, das sehr groß war, und wurden reiche Leute.