[swahili, "Geschichte, Legende"]

Das Mädchen Aguonele

Es lebten einmal ein Alter und seine Alte. Sie hatten auch ein Töchterchen mit Namen Aguonele - die war schwarz, schwarz wie ein Mohnkörnlein. Die Mutter sagt zum Vater: »Bringe sie zum Brunnen, da wird sie bleich werden!« Da trug sie der Vater zum Brunnen und ließ sie hinab. Dann schnitt die Mutter Speck, schlug Eier darüber, trug alles auf den Brunnenrand und sagte: »Aguona, Tochter Aguona,
Strecke dein Händchen heraus - ist es schon weiß?«
Da streckte die kleine Aguona ihr Händchen heraus, aß und aß. Doch die Mama sagt: »Bleibe noch, noch bist du schwarz. Aber«, sagt sie, »wenn jemand kommt und ruft, dann strecke das Händchen nicht heraus!« Doch das hörte der Wolf. Da lief er zum Brunnenrand und sagte mit tiefer Stimme: »Aguona, Tochter Aguona,
Strecke dein Händchen heraus - ist es schon weiß?«
Aguona streckte ihr Händchen nicht heraus, das war für den Wolf eine Schmach. Mit gesenktem Kopf und eingekniffenem Schwanz ging er davon, weil Aguona ihr Händchen nicht herausgestreckt hatte. Dann lief er zur Schmiede: »Schmied, Schmied, mache meine Zunge dünn! Ich werde dich dafür gut bezahlen.« Der Schmied sagt: »Na, lege die Zunge auf den Amboss!« Er schlug ihm also mit einem Hämmerchen die Zunge dünn. Dann sagt der Schmied: »Na, nun bezahle!« Da hebt der Wolf dem Schmied blitzschnell einen Fuß hoch - eine Kopeke fiel herab, dann den anderen Fuß - die zweite Kopeke. Und so hatte er bezahlt. Dann rannte der Wolf zum Brunnen und hub an mit hoher Stimme zu singen: »Aguona, Tochter Aguona,
Strecke dein Händchen heraus - ist es schon weiß?«
Da streckte Aguona ihr Händchen heraus, der Wolf - schnapp - das Händchen gepackt, und er trug sie in den Wald. Da hatte die Mutter keine Tochter mehr. Sie legte sich auf die Bank und war am Sterben. Da bat sie den Wolf und Aguonele zur Beerdigung. Aguonele aber klagt über die Mutter: »Mütterlein, trauter Gast!
Wie's Ahornblättlein fielst du leis!«
Doch der Wolf klagt: »Lieb' Schwieger, Trompete!
Wie's Mühlsteinlein fielst du - bautz!«
Dann waren dort noch mehr Gäste, sie gruben unter dem Tisch eine Grube aus und füllten sie mit glühenden Kohlen. Sie setzten auch den Wolf zum Essen an den Tisch. Darauf sagen die Gäste: »Schwiegersohn du, auf und fort!
Schwiegersohn du, auf und fort!«
Er wich zurück, wich zurück und fiel dabei in die Grube. Da erhob sich die Mutter von der Bank und schlug den Wolf mit dem Ofenhaken tot. Und so hatten sie wieder ihre Aguonele.