[swahili, "Geschichte, Legende"]

Das Glück des Armen

Es waren zwei Brüder. Der eine, musst du wissen, war ein wohlhabender Bauer, der andere jedoch ein armer Häusler. Er hatte zwar auch Land, aber viel weniger. Na, und wenn der Reiche etwas sät, so wächst es gut, doch dem Armen gedeiht nichts. Da sagt der reiche Bruder: »Geh und hole dir meinen Roggen auf deinen Acker!« Na, der Mann nimmt den Roggen, der in Mandeln aufgestellt ist, und trägt und trägt. Er trägt und trägt alle Garben hinüber und stellt sie auf seinem Acker wieder auf. Jedoch, am nächsten Morgen geht er hin und sieht: alles ist fort! Es ist keine Mandel mehr da! Von seinem Feld sind sie wieder zum reichen Bruder zurückgekehrt. Er weiß wieder nicht, was er jetzt tun soll. Er trägt zum zweiten Male alles auf sein Feld. Zum zweiten Male bringt er alles zusammen - aber wieder wird alles fortgeschafft! Da geht er hin und hält Wache. Wer ist denn das, der hier immer wieder alles fort trägt? Na, er wacht und wacht, wacht und wacht - und dann, so um die zwölfte Stunde - alle Mandeln, tipp-tipp-tipp, gehen auf das Feld seines reichen Bruders zurück! Sie gehen auf den Acker des Bruders und stellen sich dort wieder in Mandeln auf.

Er kriecht aus seinem Versteck: »Was ist denn das wieder für eine neue Mode? Wer trägt hier alles wieder fort?«

»Das Glück, dem anderen sein Glück!«

»Ja, wo ist denn aber mein Glück? Der andere hat nicht nur besseres Getreide, sondern es wird ihm auch noch zugebracht!« Es antwortet: »Dein Glück hängt am Waldrand.«

Na, er geht also los. Er geht, dieses sein Glück zu suchen.

Er geht und geht, er geht und geht. Er begegnet einem Greis. Er fragt diesen Alten: »Wo ist denn aber mein Glück?«, und er sagt: »Höre, man hat mir gesagt, dass es am Waldrand hängt.« Der Alte antwortet: »Da, ich will dir dieses Beutelchen geben - es wird dein Glück sein.« Und dann, hör zu, sagt er noch: »Nimm jetzt dieses Beutelchen, mache es auf, sprich: ›Springt heraus, ihr sechs Männer, damit ich hier die Fülle habe!‹ Und du«, sagt er, »du wirst auch Glück haben, sie werden herausspringen.«

Der Arme geht weiter und spricht: »Ihr sechs Männer, springt heraus, damit ich hier die Fülle habe!« Da sprangen sechs Männer heraus, lieber Bruder, da entstand ein herrschaftliches Haus. Na, und sie brachten alles Mögliche zu essen, na, allerlei Speisen brachten sie! Er aß sich satt, trank sich satt und sagte: »Ihr sechs Männer, springt zurück! Und dass mir hier wieder alles verschwindet!« Da sprangen die sechs Männer wieder hinein, und doch blieb das Beutelchen leer! Er macht sich jetzt mit dem Beutelchen auf den Heimweg.

Er kommt mit dem Beutelchen nach Hause, und nun sagt er sofort (denn seine Kinder hatten nichts zu essen bekommen - woher auch, sie lebten sehr ärmlich), gleich sagte er also wieder: »Springt heraus, ihr sechs Männer, damit ich hier die Fülle habe!« Na, da kamen die sechs Männer herausgesprungen, na, und sie trugen Speisen herbei, und sie brachten und verteilten sie! Alle Kinder wurden satt, auch das ärmliche Haus war anders geworden, nicht mehr das alte. Doch der Reiche merkt, dass bei seinem Bruder etwas geschehen ist - das Haus war ja auf einmal viel schöner! Nachdem der Arme sich satt gegessen hatte, sagte er: »Springt zurück, ihr sechs Männer! Und dass mir hier wieder alles verschwindet!« Sie sprangen zurück - und das Häuschen war wieder so wie vorher, nichts war mehr da.

Er hat das Beutelchen nun etwa eine Woche, da kommt der Bruder zu ihm: »Woher hast du das alles?«

»Ich bekam - das heißt, mein Glück war dort - ein Greis saß da, der hat es mir gegeben -.« Na, da hat er seinen Bruder bewirtet! Honigsüß war der zu ihm. »Geh du ein anderes Glück suchen«, sagt er, »und dieses verkaufe mir!«

Na, er verkauft es ihm und geht ein anderes suchen. Wieder geht er und geht, geht und geht. Er kommt hin und findet wieder den Alten. Der sagt: »Na, ich habe dir doch eins gegeben!« Er antwortet: »Ich habe es meinem Bruder abgetreten.«

»Nun, dann will ich dir jetzt ein noch größeres Glück geben - eins von neun Männern!« Na, und wieder gibt er es ihm.

Da möchte der Arme auch schon etwas essen und sagt: »Springt heraus, ihr neun Männer, damit ich hier die Fülle habe!« Da kommen sie herausgesprungen - mit Lederpeitschen, und geben ihm reichlich: »Lerne, wie man leben muss!« Na, da weiß er sich nicht mehr zu helfen - mit knapper Not kann er noch sagen: »Springt zurück!« Und sie springen wieder zurück. Er verschließt das Beutelchen mit der Lasche und macht sich auf den Heimweg. Schließlich kommt er zu Hause an.

Der Bruder macht inzwischen das Beutelchen von sechs Männern auf, er hat von allem die Fülle. Er lädt sich Gäste ein, sie kommen gefahren, er bewirtet sie - alles hat er, was das Herz begehrt! Er ist ein großer Herr mit diesen sechs Männern. Seine Frau sagt zu ihm, als der Bruder nach Hause kommt: »Geh schnell hin und tausche mit ihm! Wenn er nur tauschen will!« Er lässt alles stehen und liegen und eilt zu seinem Bruder. Der Bruder aber will tauschen, mit großem Vergnügen will er tauschen (und der Reiche hat das Haus voller Gäste!). Er reicht ihm nur das Beutelchen, sofort tauscht er es - und auf und davon nach Hause!

Er stürzt ins Haus und lässt die neun Männer heraus - wie haben die ihn da verdroschen, wie haben die ihn da verprügelt! »Weil du reich bist, willst du immer noch mehr haben!« Na, auch die Kinder haben sie durchgeprügelt, und die Gäste, die konnten gar nicht schnell genug aus dem Hause kommen! Doch der Hausherr bekam am meisten ab.

Na, dass du's weißt: Nur mit Mühe konnte er sagen: »Springt zurück, ihr neun Männer!« Na, und die neun Männer sprangen zurück. Er brachte den Beutel darauf irgendwohin, warf ihn in den Sumpf - nein, verbrannte ihn im Ofen. Aber erst mal zum Bruder - er will ihn zurücktauschen. Doch der Bruder tauscht jetzt nicht mehr! Und der Bruder lebte weiterhin in Reichtum, der andere aber in Armut.