[swahili, "Geschichte, Legende"]

Auf der Eselsbank

Als der liebe Gott alle Tiere geschaffen hatte, die Fische im Wasser und die Vögel in der Luft und die Tiere des Landes, da befahl er, dass jedes von ihnen etwas lernen sollte zu Nutz und Freud der Menschen.

Er schickte einen Engel herab auf die Erde, dass er jedem Tierlein seine besondere Kunst lehre. Der ließ nun die Tiere auf einem großen, freien Platze im Paradies zusammenkommen und tat ihnen den Willen des Schöpfers kund.

»Ich werde«, sprach er, »jedem seine Aufgabe genau vormachen. Gebt gut acht! Und wenn ihr mir zugesehen habt, wie jedes Ding zu machen ist, so übt euch so lange, bis ihr es ordentlich könnt, damit ihr bald nützliche Geschöpfe Jehovas werdet!«

Nun fing er an und lehrte den Fisch das Schwimmen, die Spinne das Weben, die Nachtigall das Singen und den Finken den kunstvollen Nestbau, die Katze das Mäusefangen, die Kuh die Milchbereitung und so fort, jedem Tier und Tierlein etwas anderes. Alle freuten sich der nützlichen Kunst und übten sie früh und spät.

Endlich kam der Esel an die Reihe. Der sollte ein Schnellläufer werden. Aber so oft ihm auch der Engel den leichten Schritt, den raschen Gang, den flinken Galopp vormachte, niemals brachte er den Esel dazu, seine Füße rascher zu bewegen; träg trollte dieser neben ihm her oder hinter ihm drein.

Da ward der Engel ungeduldig und rief ärgerlich: »Mir scheint, dir ist das Lernen zuwider?« »Iah!« schrie der Esel. »Also bist du faul?« »Iaaah!« »Du willst lieber ein dummes Vieh bleiben, als etwas lernen und dem Menschen dienen?« »Iaaah!«

Das verdross aber den Engel gar sehr. Mit einer langen Rute trieb er das faule Geschöpf aus den Reihen der fleißigen Tiere, stellte es zuhinterst im Garten und verbot ihm, sich je wieder unter den andern sehen zu lassen. Der Esel schämte sich zwar und weinte bittere Tränen; aber die Lust zum Lernen kam ihm doch nicht.

Seitdem muss er Karren ziehen, Säcke tragen und andere niedere Dienste leisten und bekommt als Lohn Disteln und Schläge. »Eselsbank« aber heißt der letzte Platz in der Schule bis auf den heutigen Tag.