[swahili, "Geschichte, Legende"]

Amaranga

Es war einmal ein Mann, der heiratete eine Frau, und sie gebar zwei Kinder. Das eine war ein Junge, aber er war lahm, das andere ein Mädchen mit Namen Amaranga. Als der Mann nun noch eine Frau heiratete, forderte die zweite: »Wenn du Amaranga nicht tötest, magst du mir geben, was du willst, Essen oder etwas anderes, ich werde nichts anrühren.« Eines Tages ging die Mutter Amarangas aufs Feld. Da tötete ihr Mann das Mädchen und gab es seiner Nebenfrau, damit sie es verzehre. Der Lahme bekam eine Hand, die nahm er und sagte zu seinem Vater: »Vater, ich muss austreten. Trag mich hinaus.« Der Vater trug ihn hinaus. Auf dem Rückweg versteckte der Junge die Hand unbemerkt im Gebüsch. Nachdem Amaranga getötet worden war, flog ein Vogel zu dem Feld, auf dem Amarangas Mutter Maniokknollen häufelte, setzte sich auf einen Baum und fing an zu singen: »O Amaranga, Amaranga.
Sie haben das Fett der Amaranga ausgelassen, Amaranga.
Sie haben Amaranga gebraten, ja gebraten, Amaranga.
Sie haben sie einer anderen Frau gegeben, Amaranga.«
Amarangas Mutter hörte den Gesang und sprach zu dem Vogel: »Kleiner Vogel, wenn du mir etwas zu sagen hast, so komm herunter und setze dich auf meinen Kopf.« Da setzte sich der Vogel auf ihren Kopf. Die Frau aber fuhr fort: »Kleiner Vogel, wenn du mir etwas Wahres zu berichten hast, komm her und setze dich auf meine Hand.« Da kam der Vogel, setzte sich auf ihre Hand und sang wieder das Lied. Als Amarangas Mutter ihn angehört hatte, erschrak sie sehr. Sie verließ das Feld und kehrte heim. Zu Hause bat der lahme Junge sie: »Mutter, ich muss austreten. Trag mich hinaus.« Seine Mutter trug ihn hinaus, und er zeigte ihr Amarangas Hand. Auch erzählte er ihr alles über seinen Vater und die Nebenfrau. Da wusste die Mutter, dass Amaranga wirklich getötet worden war und stimmte eine große Totenklage an. Eines Tages sagte sie zu der Nebenfrau: »lass uns im Fluss baden gehen. Es gibt dort eine schöne Stelle zum Schwimmen.« Am Fluss angekommen, zog sie ihren goldenen Ring ab und sagte: »Sieh hier meinen Ring. Ich werfe ihn jetzt ins Wasser und hole ihn dann wieder heraus. Danach werfe ich ihn noch einmal hinein, und dann darfst du ihn holen.« Für sich selbst warf sie den Ring nahe beim Ufer ins Wasser und holte ihn auch wieder heraus. Als aber die Nebenfrau an die Reihe kam, warf sie ihn in die Mitte des Flusses. Die Nebenfrau ging ins Wasser, um den Ring zu suchen und kam dabei ums Leben. Ob ein Fisch sie verschluckt hat oder ein Krokodil sie fraß - kein Mensch weiß es.

Bei ihrer Heimkehr fragte ihr Mann, wo denn die Nebenfrau sei. »Sie spielt am Wasser mit anderen Mädchen«, antwortete die Frau. Drei Tage wartete der Mann auf die Nebenfrau. Dann glaubte er, die Frau sei zu ihrem Vater zurückgekehrt. Darum wandte er sich an Amarangas Mutter: »Komm, rasiere mich. Ich will mich ankleiden und zu meinem Schwiegervater gehen, damit er mir sagt, warum er meine Frau wieder zu sich genommen hat.« Während die Frau ihn nun rasierte, fragte sie ihn: »Mein Mann, welche Stelle muss man bei einem Menschen durchschneiden, damit er sofort stirbt?«

»Hier an der Kehle«, bedeutete ihr der Mann. Sie rasierte weiter. Als sie aber an die Kehle kam, schnitt sie mitten durch, so dass der Mann tot zu Boden fiel. Da legte sich der Grimm in ihrem Herzen, denn sie hatte nun für Amarangas Tod Vergeltung geübt.