[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wihio und der Coyote

Da war ein Bach, der floss durch flaches Land und Wihio ging am Ufer entlang. Er schien von weit her zu kommen, denn er sah müde aus. Auf seinem Rücken trug er einen Sack.

Schließlich kam er durch ein Dorf der Präriehunde. Die Hunde standen alle vor ihren Löchern oder fraßen nahebei.

Einer von ihnen rief Wihio an: »Freund, wohin gehst du?«

Der Mann antwortete: »Ich gehe ins Oberland. Dort will ich für die Leute singen.«

»Was hast du in deinem Bündel?« fragte der Hund.

Wihio sagte: »Darin trage ich meine Lieder mit mir herum.«

Einer der Hunde rief: »Komm hier herüber und singe für uns.«

»Nein«, erwiderte Wihio, »ich bin in Eile. Ihr haltet mich auf. Ich habe noch einen langen Weg vor mir, bis es dunkel wird.«

Der Hund sagte: »Ach was, komm her und singe für uns.«

»Nun«, sagte der Mann, »eine Weile will ich gern für euch etwas singen, damit ihr tanzen könnt.«

Wihio hieß sie, sich im Kreis aufzustellen. Dann wählte er einen unter ihnen aus und stellte ihn neben einen zweiten, damit immer ein Paar zusammen tanzte. Jene, die er ausgewählt hatte, waren die Fettesten von allen.

Er sagte zu den Hunden: »Während ihr jetzt tanzt, müsst ihr die Augen geschlossen halten. Wehe, ihr macht die Augen auf. Ihr dürft mich nicht anschauen.«

Dann begann er zu singen, und sie tanzten. Er nahm sein Bündel ab, öffnete es, holte eine Keule heraus und als die Hunde so tanzten, schlug er jedes Mal den Fettesten nieder, der an ihm vorbeikam. Ein Hund blieb schließlich noch übrig. Er tanzte immer noch und wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Als er nun aber die Schritte der anderen nicht mehr hörte, strechte er seine Pfote aus. Aber da war niemand. Er machte die Augen aus und sah, dass alle anderen tot waren. Da rief er: »Oh, er hat alle getötet!« Darauf stürzte er schnell davon und kroch in sein Loch.

Wihio brachte die Hunde hinunter zum Bach. Er machte Feuer, sengte ihnen das Fell ab und briet sie dann.

Er hatte ein großes Festessen dort. Und als er sie alle aufgegessen hatte, nahm er sein Bündel wieder über die Schulter und ging weiter den Bach hinauf. Er kam um eine Biegung, lief über eine Sandbank und gelangte an eine Stelle, an der Enten herum schwammen. Er tat so, als sehe er sie nicht. Als er vorüber war, sagte eine der Enten zu den anderen: »Dort geht Wihio«, und sie riefen ihn herbei.

Wihio blieb stehen, sah sich um und eine der Enten fragte: »Was trägst du da auf deinem Rücken?«

Der Mann antwortete: »Dies sind meine Lieder.« Eine der Enten fragte ihn, ob er nicht etwas bleiben und für sie singen wolle. »Nein«, sagte Wihio, »ich habe noch einen langen Weg vor mir. Ich muss noch für andere Leute singen.« »Oh«, sagte die Ente, »sing nur eben zwei Lieder für uns, das wird nicht allzu lange dauern.«

Er wandte ihnen wieder den Rücken zu und sprach: »Nun gut, ich werde für euch singen. Kommt hier her, wo es eben ist. Hier könnt ihr besser tanzen.«

Die Enten waren so froh, dass er bereit war, für sie zu singen, dass sie sich zu der ebenen Stelle ein einiger Entfernung vom Wasser locken ließen. Wihio sprach: »Jetzt müsst ihr euch im Kreis aufstellen.«

Er nahm sein Bündel vom Rücken und öffnete es. Er sagte: »Ihr müsst alle mit geschlossenen Augen tanzen. Wenn ihr die Augen beim Tanzen aufmacht, werden sie sich entzünden.«

Dann sang er, und die Enten fingen an zu tanzen, und während sie an ihm vorbeitanzten, schlug er immer einer mit seiner Keule über den Schädel, zog sie aus dem Kreis und dann noch eine und noch eine. Dazwischen rief er den anderen zu: »Tanzt nur, tanzt.«

Ein kleiner Erpel war neugierig, er öffnete seine Augen nur ein bisschen, und als er sah, was Wihio da tat, rief er aus: »Oh, er tötet uns alle!« Da rannte er mit den Enten, die noch übrig waren zum Bach. Sie sprangen ins Wasser und verschwanden. Wihio aber sagte bei sich: »Denen will ich beibringen, sich Lieder und Tänze zu wünschen. Ich werde sie auffressen.«

Er sammelte die erschlagenen Enten ein und brachte sie an eine Stelle, an der es schattig war. Dort machte er sie fertig zum Kochen. Nachdem er sie gesäubert hatte, steckte er sie an grüne Stöcke, um sie über dem Feuer zu braten, und eine ganz fette verscharrte er in der Asche und sprach: »Die hebe ich mir für zuletzt auf.«

Ein Stück weit fort, schlich ein Coyote umher, der roch den Duft und er wusste es einzurichten, dass ein kleiner Wind aufkam, gerade genug Wind, um die Bäume zu bewegen. Zwei Zweige der Bäume unter denen Wihio saß, schabten aneinander, und als der Wind blies, gaben sie einen schrillen Laut von sich.

Wihio rief den Bäumen zu: »Was habt ihr denn miteinander zu streiten. Hört auf damit.«

Das Geräusch hielt an, und zwei­ oder dreimal redete Wihio auf die Bäume ein, am Ende stand er auf, um das abzustellen. Er erstieg einen der Bäume und kletterte bis zu den beiden Zweigen, die aneinander schabten und sprach: »Warum streitet ihr Bäume? Hört auf.«

Er legte seine Hand zwischen die beiden Zweige und versuchte sie auseinander zu drücken, aber sie pressten sich zusammen und er konnte die Hand nicht rasch genug wegziehen. Wie er da nun auf dem Baum gefangen saß, sah er den Coyoten über den Hügel kommen, Ausschau haltend und schnüffelnd.

Wihio sprach zu den Bäumen: »Lasst mich jetzt gehen. Er wird mein Essen auffressen.«

Aber die Bäume gaben keine Antwort, noch bewegten sie sich. Als der Coyote näher kam, rief Wihio ihm zu: »Schnüffle hier nicht herum. Von mir bekommst du nichts zu fressen.«

Der Coyote kam noch näher, und Wihio sprach zu den Bäumen: »Lasst mich gehen! Lasst mich herunter. Er wird mein Essen stehlen.« Die Bäume hielten ihn fest. Der Coyote kam noch näher an das Feuer, und wieder rief Wihio ihm zu: »Fort mit dir, Kleines Gesicht. Von mir bekommst du nichts.«

Als der Coyote das hörte, kam er schneller näher, und als er am Feuer war, fraß er alles auf, was er dort fand.

Wihio mühte sich damit ab, freizukommen, aber es gelang ihm immer noch nicht. Ehe der Coyote alles aufgefressen hatte, rief er ihm zu: »Iß doch nicht alles. Du hast doch genug gehabt.«

Die Ente, die in der Asche verscharrt war, hatte Wihio mit Fleisch gefüllt, fein geschnittenes Fleisch, er hatte sich vorgestellt, wie gut das schmecken werde.

Er rief dem Coyoten zu: »Jetzt hast du den ganzen Rest aufgegessen. Lass wenigstens übrig, was in der Asche liegt.«

Als der Coyote das hörte, holte er auch noch die Ente aus der Asche, aß alles Fleisch, mit dem sie gefüllt war und tat stattdessen trockne Asche hinein. Dann verscharrte er sie wieder und lief fort.

Endlich gelang es Wihio freizukommen, denn jetzt ließen die Bäume ihn gehen. Er kletterte hinunter und ging zum Feuer. Es sah, dass all sein Fleisch fort war. Aber er sprach zu sich selbst: »Der Schurke hat das beste Stück Gewiss nicht gefunden«, und er grub in der Asche nach der Ente, die dort verscharrt war.

Er nahm einen großen Bissen davon, spuckte ihn aber sofort wieder aus, denn er hatte den Mund voller Asche bekommen.

Er sprach zu dem Coyoten. der aber nicht mehr da war: »Du hast mich schlecht behandelt, wenn ich dich finde, werde ich dich töten.«

Er war entschlossen, den Coyoten zu bestrafen und ihn zu fangen. Also verfolgte er dessen Fährte. Endlich holte er ihn ein und fand ihn schlafend an einem sonnigen Abhang, denn der Coyote hatte einen vollen Bauch, er war müde geworden und hatte sich schlafen gelegt.

Wihio ging zu dem Coyoten hin und sprach: »Da liegt ein Bursche mit einer scharfen Nase. Ich will ihn töten und aufessen. Aber wie soll ich ihn töten? Wenn ich ihn in die Rippen stoße, verderbe ich damit das Fleisch. Wenn ich ihn über den Schädel schlage, verderbe ich den. Wenn ich ihn zu Tode erschrecke, wird das auch nicht gut sein.«

So überlegte er.

Während er so mit sich selbst sprach, war der Coyote in Wirklichkeit wach. Mit zusammengekniffenen Augen lag er da und beobachtete Wihio. Während der immer noch überlegte, wie er ihn töten solle, sprang der Coyote plötzlich auf und rannte fort.

Wihio sagte: »Diesmal bist du mir noch entwischt. Wenn ich dich das nächste Mal erwische, ist es um dich geschehen.«

Wieder verfolgte er die Fährte des Coyoten, und als er ihn eingeholt hatte, fand er ihn unter einem Stoß Treibholz schlafend daliegen. Er gab ihm alle bösen Namen, die er kannte und dann überlegte er, wie er ihn töten solle. Er sagte wieder: »Möchte doch wissen, ob ich ihn nicht töten kann, ohne ihm eine Verwundung beizufügen. Wenn ich ihn im Wasser ertränke, wird das den Braten verderben. Wenn ich ein großes Feuer anzünde und ihn hineinwerfe, wird er zu Asche verbrennen, und ich kann den Braten auch nicht essen.«

Unterdessen war der Coyote aufgewacht, regte sich aber nicht. Er lag da und tat so, als ob er fest schlafe.

Wihio nahm von dem Treibholz, entzündete ein großes Feuer, er nahm den Coyoten an allen vier Beinen und sprach: »Wenn ich ihn zu fest in das Feuer werfe wird ihn das verletzen. Ich will ihn vorsichtig hineinlegen.«

Er ging zu dem Feuer, senkte den Coyoten vorsichtig herunter gegen die Glut hin, der aber machte plötzlich eine gewandte Bewegung, kam frei und war auf und davon. Er schwamm über den Fluss, und als er drüben war, winkte er Wihio noch einmal vergnügt zu.