[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie der Regenbogen entstand

Einst sprach die Großmutter von Ekute, dem Sohn von Nsambe, zu ihrem Enkel: »Komm und zeig mir die Stelle, wo deine Mutter zu fischen pflegt.« Sie gingen beide los, und Ekute wies auf eine gute Stelle an einem Bach. Aber die Großmutter sagte: »Nein, hier nicht!« Ekute zeigte ihr nun eine andere Stelle, aber wieder sprach die Großmutter: »Nein, das ist nicht die Stelle, an der ich fischen werde.« So gingen sie noch zu vier weiteren Plätzen, aber nirgends war es der Großmutter recht. Schließlich meinte Ekute: »Andere Stellen zum Fischen gibt es nicht. Jetzt kommt schon der große Fluss.«

»Gut«, antwortete die Großmutter, »gehen wir dorthin.« Ekute beharrte: »Aber die guten Fangplätze sind hier. Alle fischen hier. Im Fluss ist es gefährlich.« Die Großmutter aber erwiderte: »Das will ich mir selbst ansehen. Komm, gehen wir.« Da folgte ihr der Enkel, und als sie an eine Stelle kamen, wo der Fluss ziemlich breit wurde, entschied die Großmutter: »Hier will ich fischen.« Ekute riet wieder ab, aber die Großmutter ließ sich nicht überzeugen.

Sie stieg in den Fluss und versuchte das Wasser mit den Händen wegzuschieben, geriet dabei aber immer weiter hinein, so dass ihr das Wasser bald bis an den Hals reichte. Da rief sie Ekute zu: »Bring mir zwei Pfähle und leg sie ins Wasser, damit ich darauf stehen kann.« Das tat Ekute, und jetzt gelang es der Großmutter, das Wasser wegzutreiben und zu fischen. Siehe da, bald hatte sie zehn Körbe voll mit Fischen.

Der Enkel forderte die Großmutter nun auf: »Komm, wir haben genug. Lass uns nach Hause gehen.« Die Großmutter aber wollte nicht und erwiderte: »Nein, erst will ich den Fluss leer fischen, denn ich will mehr fangen als je ein anderer zuvor.« So fischte sie weiter. Aber da stieg ihr das Wasser auf einmal bis an den Hals, bald bis in Mundhöhe, und schließlich verschwand sie unter Wasser. Im selben Augenblick tauchte eine große Schlange daraus hervor. Als Ekute sie sah, griff er gleich nach seinem Speer, um sie zu töten. Da sprach die Schlange:

»Warte, ich habe mit dir zu reden.« Aber Ekute lief ins Dorf und holte seinen Vater und die anderen Leute. Auch der Vater wollte die Schlange sofort mit seinem Speer töten. Doch die Schlange sprach wieder: »Wartet noch, ich habe etwas zu sagen.« Sie befahl den Leuten, einen Korb anzufertigen und sie darin ins Dorf zu tragen. So geschah es. Als man die Schlange dann ins Dorf gebracht hatte und ihr ein Haus zum Schlafen angewiesen wurde, forderte sie: »Nein, ich will im ersten Haus neben dem Versammlungshaus wohnen!« Auch das wurde ihr gestattet. Bald hatte es sich überall herumgesprochen, dass im Dorf eine große Schlange zu besichtigen wäre. Viele, viele

Menschen kamen, um sie zu sehen. Von dem Geld, das Ekutes Vater von jedem dafür verlangte, etwa soviel wie zehn Mark, wurde Nsambe sehr reich und konnte sich zwei Frauen kaufen. Eines Tages waren er und alle seine Leute weggegangen, nur Ekute hatten sie dagelassen. Da erschienen mehrere Besucher aus einem entfernt gelegenen Dorf, um sich die Schlange anzusehen. Weil sie als Bezahlung nur zwei Haumesser mitgebracht hatten, wollte Ekute sie ihnen zuerst nicht zeigen. Doch die Leute schimpften und drohten und ließen sich nicht abweisen. Da nahm Ekute, der ja recht einfältig war, voller Ärger eins der Messer und statt vorsichtig die Tür einen Spalt breit zu öffnen und die Leute hineinblicken zu lassen, schlug er oben die Hauswand ein. Sofort kroch die Schlange heraus, kroch auf den Dorfplatz und rief: »He, jetzt gehe ich auf und davon!« Aber die Fremden und Ekute waren schon weggelaufen. Nun hob die Schlange ihren Kopf und ihren Leib und schwang sich in die Luft. In diesem Augenblick kam Ekutes Vater zurück und konnte ihr gerade noch das untere Ende abschlagen, der andere Teil schwebte bereits hoch in der Luft. Noch heute steht er als Regenbogen am Himmel. Aus dem Schwanz aber wurde die Riesenschlange, und aus den Eiern krochen alle anderen kleinen Schlangen hervor.