[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse einer Witwe aus der Not half

Der Sohn einer armen Witwe wurde krank. Der Junge wälzte sich im Fieber und bat: »Liebe Mutter, gib mir doch ein Schlückchen Kumys!« Die Mutter weinte: In ihrer Erdhütte hatten sie ihr Lebtag keinen Kumys gesehen. Sie nahm eine ausgekerbte Schale und ging zum Bei. »Hab' Erbarmen mit uns, heiße deine Diener, für mein sterbendes Kind eine halbe Tasse Kumys eingießen. Mein Mann ist in der Steppe erfroren, als er deine Herde vor dem Schneesturm rettete, opferte für dich sein Leben, lass es dir wegen einer guten Sache nicht um ein bisschen Saft des Steppengrases schade sein.« Der Bei lachte sie nur aus: »Willst Kumys? Den Stock willst du nicht? Soweit ist es schon gekommen: Die Bettler wagen es, achtbare Leute in ihrer Ruhe zu stören! Schere dich fort, du schamloses Bettelweib!« Mit diesen Worten stieß er die Frau zur Tür hinaus.

Tränenüberströmt trottete sie nach Hause. Unterwegs hörte sie Pferdegetrappel hinter sich. Bestürzt drehte sie sich um: Das war Aldar-Kosse auf einem schütteren Pferdchen. »Wer hat dich gekränkt, liebe Frau? Warum weinst du?« fragte er. Die Witwe erzählte ihm von ihrem Kummer. »Sei nicht traurig, ich helfe dir«, sagte Aldar. »Mein Spruch heißt so: Die Hauptsache der Kopf, die Mütze findet sich schon.« Und ohne noch ein Wort hinzuzufügen, ritt er zur Jurte des Beis.

Der Bei war herausgetreten, um frische Luft zu schnappen und sich gleichzeitig am Anblick seiner Herde zu weiden. Aldar ritt an ihn heran, begrüßte ihn nach dem Brauch und fragte ihn einschmeichelnd, ob der ehrwürdige Bei nicht wüsste, wer ein Pferd brauche. »Du willst dein Pferd verkaufen?« fragte der Bei neugierig. »Nicht verkaufen, Onkelchen, sondern eintauschen.«

Der Bei wurde aufgeregt, denn er kannte kein größeres Vergnügen, als den Tausch und dabei die Einfaltspinsel übers Ohr zu hauen. Den leiblichen Vater hätte er eingetauscht, um ein Lämmerfell herauszuschlagen. »Was forderst du für deine Schindmähre?« sagte er wie nebenbei und befühlte Aldars Pferd. »Nicht viel. Gibst du fünf Hammel dafür?«

»Wie viel, Wie viel?« Der Bei traute seinen Ohren nicht. »Fünf Hammel. Sind fünf zu viel, gib drei.« Ein Pferd für drei Hammel! Bei diesem Tausch bin ich aber gut gefahren! »Einverstanden!« sagte der Bei hastig. »Steige ab, rasch, suche dir die Hammel aus!«

Aldaken hatte es aber nicht eilig. Der Eilige bringt nichts zustande. Zwar sprang er vom Pferd, ließ die Zügel aber nicht aus den Händen. »Gut so, dass du einverstanden bist«, sagte er. »Möge unser Handel Gutes bringen! Wollen wir unseren Tausch nicht weiterführen, Bei? Ich biete das Pferd und drei Hammel für einen Bullen. Was sagst du dazu?« Der Bei hat den Kragen aufgeknöpft und winkte mit der Hand:

»Einverstanden.«

»Wunderbar, dass du einverstanden bist. Du bist zufrieden und ich bin zufrieden. Dann setzen wir den Tausch vielleicht fort? Ich gebe dir das Pferd, den Bullen und drei Hammel für eine Stute!« Der Bei brannte vor Eifer lichterloh. »Einverstanden!« platzte er, schwer atmend heraus. »Auch wenn ich Verlust habe... Einverstanden!«

»Was für ein Verlust, schäme dich, Bei! Du hast mich doch wie ein Schäfchen geschoren. Na gut, nutze schon meine Gutmütigkeit aus. Tauschen wir weiter! Ich biete das Pferd, die Stute, den Bullen und drei Hammel für das schwächste Kamel!«

»Einverstanden!« Der Bei fasste sich ans Herz. »Das Kamel ist dein.«

»Trefflich, dass du einverstanden bist. Aber ich bin nicht einverstanden.«

»Warum nicht?« brauste der Bei auf. »Wozu das Fell nach außen wenden? Das Wort ist wie ein Pfeil: Hast du ihn abgeschossen, kommt er nicht mehr in den Köcher zurück.«

»Ich bin nicht einverstanden, weil ich nichts Überflüssiges haben will«, antwortete Aldar. »Das ist nun mal meine Art! Mir reicht die Stute. Du sollst das Kamel haben, mir bleibt mein Pferd. Abgemacht?«

Wieder Glück gehabt, triumphierte der gefoppte Bei. Was für ein Kamel auch immer, es ist doch mehr wert als ein Pferdchen... »Abgemacht! Abgemacht! Nimm dein Pferd!« Vor Freude half der Bei Aldaken in den Sattel. Der warf der Stute das Fangseil um den Hals und weg war er. »He, Dshigit, wenn du etwas zum Tauschen hast, komme wieder«, schrie der Bei ihm hinterdrein. »Ganz bestimmt!« antwortete Aldar, während er davon galoppierte. »Warte auf mich!«

Unterwegs schaute Aldar-Kosse zu der Witwe herein. »Der Bei knauserte mit einer Kelle Kumys für dich, nun bringe ich dir von ihm eine Stute. Jetzt wirst du selber Kumys haben.« Die Witwe freute sich, molk die Stute, gab dem Sohn Kumys. Bald schon wurde der Junge wieder gesund. Zeitlebens behielt die arme Frau Aldar-Kosse in Erinnerung. Der Bei behielt ihn auch in Erinnerung. Nach dem Tauschhandel abgekühlt, merkte er, dass er die Stute einfach verschenkt hatte, aber es war schon zu spät: Was du ins Feuer geworfen hast, brauchst du nicht in der Tasche zu suchen.