[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse einen Richter um Rat fragte

Wenn zu jenem Richter ein Schuldiger mit einem teuren Geschenk kam, ging er tänzelnd weg, sprach ein Unschuldiger mit leeren Händen vor, ging er weinend weg. Deshalb rühmten die Beis den Richter als einen Weisen, die Armen verfluchten ihn in allen Tonarten. »Warte nur, du Beutelschinder«, drohte Aldar-Kosse dem Richter. »Zwar hast du einen langen Bart, dennoch muss ich Bartloser dich ein bisschen Mores lehren.« Da sprang er auch schon an der Jurte des Richters vom Pferd. War das wirklich Aldaken?! Er trug ein Gewand, das selbst einen Khan geschmückt hätte. Die Atlasseide glänzte wie die Morgenröte, die Muster schimmerten wie eine blühende Wiese bunt. Aber das ist ja altbekannt, wenn sich ein Reicher herausstaffiert, gratuliert man ihm zum neuen Gewand, macht sich ein Armer fein, versucht man herauszubekommen, wo er die Sachen gestohlen hat. »Potztausend! Was für ein Gewand!« Der Richter breitete die Arme aus, als er Aldar sah. »Wem hast du das stibitzt, Spitzbube? Nicht für dich ist so ein Ding geschaffen, die Schöpfkelle ist zu groß für den Topf, das müsste ein angesehener Mann tragen, so einer wie ich, und auch nicht jeden Tag, nur zu großen Festen...« Aldar-Kosse zog wortlos den Chalat aus und warf ihn dem Richter über.

Der taute sogleich auf, lächelte, wollte sich eilig den Chalat überziehen, verfehlte aber den Ärmel. »Ein prächtiges Gewand!« Er drehte sich auf der Stelle und musterte sich mal von der einen, mal von der anderen Seite. »Da hast du mich aber beglückt, lieber Aldaken. Jetzt sehe ich, dass man mir fälschlich etwas Schlechtes von dir erzählt hat... Vielleicht hast du wirklich mal einem Schwachkopf eins ausgewischt, aber das geschieht ihm recht: Reiß das Maul nicht auf, wirst auch keine Fliege verschlucken.«

Nach alter Gewohnheit tat sich der Richter nun wichtig, ließ sich ächzend auf weiche Kissen nieder. »Welche Sache willst du mir vortragen, Söhnchen?« fragte er wohlwollend und strich fortwährend über das Gewand. »Euer Gnaden, ich brauche einen Rat, weiß aber nicht, wo ich beginnen soll...«

»Sprich ohne Scheu«, ermunterte ihn der Richter. »Bist, wie man so sagt, nach Milch gekommen, also verstecke die Tasse nicht hinter dem Rücken... Der Atlaschalat wärmt mir das Herz, was immer deine Angelegenheit auch sei, ich verspreche dir von vornherein, dass sie zu deinen Gunsten geregelt wird.«

»Oh, vielen Dank.« Aldaken verbeugte sich. »Wenn Sie so gut zu mir sind, weiser Richter, dann will ich Euch alles nach gutem Wissen und Gewissen erzählen. Ich hatte einen Sklaven. Er kam mir nicht billig zu stehen, aber wie sehr habe ich ihn lieb gewonnen, wie sehr habe ich mich an ihn gewöhnt! Ein Vogel sorgt sich weniger um sein Junges, als ich mich um ihn sorgte. Nicht er war mein Diener, sondern ich der seine. Ich arbeitete, er ruhte sich aus, ich eilte durch die Steppe, er lag seelenruhig zu Hause. Ein Staubkörnchen setzte sich auf ihn, ich pustete es fort, ein Tautröpfchen fiel auf ihn, ich trocknete es. Manchmal gingen wir zusammen aus, und stellen Sie sich vor, ich trug ihn. Was nun?«

»Ja, was nun?« Der Richter reckte neugierig den Hals. »Was? Heute habe ich meinen Diener verloren«, sagte Aldar. »Wie ist denn das geschehen?«

»Das kam so. Eben heute stießen wir beide auf einen alten Wucherer. Der sah meinen Sklaven und war sogleich erpicht auf ihn. Er lobte ihn vor mir in höchsten Tönen, mich schmähte er, sich selbst hob er in den Himmel, ja, und - wer hätte das gedacht? - machte mir diesen Schuft abspenstig. So verließ mich mein Diener. Vor meinen Augen lief der Undankbare zu einem anderen Herrn. Was soll ich nun tun? Geben Sie mir einen Rat.«

Der Richter hob spöttisch die Augenbrauen. »Was tun? Ganz einfach. Suche schnellstens deinen Sklaven auf, prügle ihn gnadenlos durch und schleppe ihn zu dir in die Jurte. Das Kalb soll seine Mutterkuh kennen!«

»Mögen Eure Tage ewig sein, weiser Richter! Sie haben einen goldnen Kopf! Noch nie sprachen Sie ein so gerechtes Urteil wie dieses. Ich eile, es zu vollstrecken. Den Schuldigen brauche ich nicht lange zu suchen. Der ist ja hier. Ich rechnete mit Eurer Erfindungsgabe und meinte mit Diener keinen Menschen, sondern eine Sache, mein Gewand. Ich klagte über mein Gewand, edler Richter. Ich habe es so geschätzt und behütet, aber ein paar Worte von Ihnen, und Sie hatten es nun. Diesen Treuebruch wird es mir noch heimzahlen!« Aldar-Kosse zog die Peitsche aus dem Stiefelschaft.

Der Richter begriff sofort, woher der Wind weht, wollte Reißaus nehmen, aber Aldar versetzte ihm einen solchen Peitschenhieb über den Rücken, dass er bis zum Rauchabzug sprang und so schrie, dass es weit und breit zu hören war: »Hilfe! Mörder!«

»Richter, was heulst du wie ein Schakal? Was springst du wie eine Bergziege?« sagte Aldar-Kosse, die Peitsche in der Hand. »Nicht dich bestrafe ich, sondern meinen Chalat, nach deinem Urteil!«

»Möge sich dein Chalat auf dir in Schlangenhaut verwandeln, du Schlingel!« schrie der Richter, warf das Gewand ab und verkroch sich hinter der Truhe. Aldar steckte die Peitsche in den Stiefelschaft, packte den Chalat am Kragen, schleppte es, als würde er den Urteilsspruch des Richters erfüllen, hinter sich her zum Ausgang. An der Tür drehte er sich zur Truhe um und sagte: »Richter, ärgere dich nicht darüber, dass dir eine Fliege in den Mund geraten ist. Ich wollte dich bloß daran erinnern, dass es auch den Menschen weh tut, wenn man auf das Gewand einschlägt. Hast du mich verstanden?« Später wurde erzählt, der Richter hätte Aldaken verstanden und von Stund an die Leute gerecht behandelt.