[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse einen Raufbold bändigte

Seinen Aul, die ganze Umgebung hielt jener Bei, ein Grobian und Schläger, in Angst und Schrecken. Er war stark wie ein Wüstenkamel, besaß weniger Mitleid mit den Menschen als ein Raubtier. Weder alt noch jung verschonte er. Den einen schubste er, den anderen schlug er, den dritten machte er zum Krüppel. Und es fand sich kein Wackerer, der den Raufbold bändigen konnte. Es blieb nur eins, beim Khan um Strafe für ihn zu bitten. Doch jeder weiß, dass zwischen zwei Kamelen eine Fliege dran glauben muss. Und es kommt vor, dass man vor einem Starken einen Kniefall macht und sich dabei die Stirn aufschlägt. Nicht umsonst heißt es: Eine hornlose Ziege ging zum Löwen, diesen um Hörner zu bitten, sie kehrte ohne Ohren zurück. So blieben die Missetaten des reichen langen Lulatsches ungestraft. Seine reichen Freunde spornten ihn nur an. Sie waren ja alle aus einer Herde.

Eines Tages hörte nun dieser Bei, dass Aldar-Kosse in der Nähe bei den Hirten sei, und er fuchtelte böse mit den Armen und sprach: »Wie konnte dieser bartlose Halunke es wagen, sich meinen Nomadenplätzen zu nahem! Er ist zu frech geworden! Dem will ich es zeigen! Wenn man ihm einen Finger gibt, nimmt er gleich die ganze Hand... Aber das lasse ich nicht zu! Das Pferd satteln! Ich will Aldar-Kosse holen! Hosen und Hemd ziehe ich ihm mit der Haut aus! Jage ihn nackt, damit es alle sehen! Wie einen gerupften Uhu lasse ich ihn in die Steppe hopsen!« Die Diener brachten dem Bei das Pferd. Die Peitsche pfiff, und der Bei galoppierte davon.

Die Zeit verging, die Menschenmenge im Aul wartete auf den Ausgang der Sache. Die Armen seufzten betrübt: Der fröhliche Aldaken tat ihnen leid. Die Freunde des Beis sagten schadenfroh: »Jetzt ist es aus mit dem Bartlosen! Das Grab ist ihm sicher!« Der Bei war inzwischen bei den Hirten angekommen. »Wo ist Aldar-Kosse?«

»Wieder weg.«

»Wohin?«

»Wer weiß. Sucht sich etwa die Wachtel den Weg aus? Wo es geht, dort singt es...«

»Den Dreckskerl hole ich ein!« Der Bei knirschte mit den Zähnen. »Auch in der Erde kann er sich nicht vor mir verstecken. Ich zwinge ihn auf jeden Fall, nackt in der Steppe zu tanzen!« Damit ritt er weiter. Vor ihm lag ein Fluss. Am Ufer saß eine krumme Alte und spann. Ringsum kein Mensch. »He, alte Schachtel!« rief der Bei vom Pferd. »Ist hier vor einiger Zeit ein bartloser Mann vorbeigekommen?« Die Alte hustete, krächzte und flüsterte, mit dem Kopf wackelnd: »Ich bin taub, mein Vögelchen, verstehe dich nicht. Springe vom Pferd, mein Lieber, sage mir deine Worte laut ins Ohr.« Ärgerlich sprang der Bei vom Sattel, näherte sich der Alten, beugte sich zu ihr herunter und brüllte: »Ist, so frage ich dich, hier nicht der...«, weiter kam er nicht. Die Alte stieß ihn mit unglaublicher Gewandtheit um und warf ihm ein Tuch über den Kopf. Dann hörte der erschrockene Bei ein lautes Lachen, Hufeschlagen und Wasserplätschern. »Zu Hilfe! Zu Hilfe!« schrie der Bei. »Die Hexe erdrosselt mich!«

Mit zitternden Händen zog er schließlich den Lappen vom Kopf, doch besser hätte er nicht gesehen, was er erblickte! Sein teures Reitpferd stand am anderen Ufer, im Sattel saß... Aldar-Kosse, der vor Lachen beinahe vom Pferd fiel. »Na siehst du, Recke, ich habe dich kampflos besiegt. Erkennst du meinen Sieg an?« Aldar-Kosse kugelte sich vor Lachen. »Ich erkenne ihn an«, stammelte der »Recke«, rot vor Zorn. »Nur gib mir das Pferd zurück, Aldar-Kosse.«

»Dein Pferd brauche ich nicht. Schwimme herüber oder suche dir eine Furt, hole dir dein Pferd.« Was sollte der Bei tun? Er zog sich Schuhe aus, legte sämtliche Kleider ab und kroch in den trüben Fluss. Viel Wasser Musste er schlucken, ehe er wieder auf dem Trocknen war.

Aldar wartete, bis der Bei am Ufer war, heulte auf wie ein Dschinn, ließ das Pferd auf die Hinterbeine stellen und stürmte wieder ins Wasser. Die Spritzer kamen dem Bei in die Augen, und als er sie sich auswischte, sank er vor Verzweiflung in den Sand: Aldar-Kosse, der ihm zuwinkte, setzte ab, suchte ruhig seine Sachen zusammen, band sie zu einem Bündel, schwenkte zum Abschied vom Sattel aus mit der Hand und verschwand im Steppendunst...

Das alles trug sich morgens zu, mittags stobte das Pferd des Beis, schaumbedeckt, ohne Reiter, mit den am Sattel angebundenen Sachen seines Herrn in den Aul. Es wurde Alarm geschlagen. Die Freunde des Beis bewaffneten sich mit dem, was sie gerade zur Hand hatten, und stobten davon, um ihren Anführer zu suchen. Bald erblickten sie in der Steppe einen nackten Mann, der in Richtung Aul hinkte, und ab und zu, von Domen gestochen, hochsprang. An der Größe und Korpulenz erkannten die Reiter schon von weitem ihren Freund. Sie umkreisten ihn und fielen mit Fragen über ihn her: »Was ist passiert? Wer hat so viel Schande über dich gebracht? Doch nicht etwa Aldar-Kosse?« Der Bei aber schaute nur zu Boden und schwieg. Von diesem Tag an war der rauflustige Bei wie ausgewechselt. Er wurde sanft wie ein Lämmchen, weich wie Filz. Und wenn ihn manchmal die Lust ankam, wie früher die Leute anzugreifen, dann brauchte man nur zu sagen: »Aldar-Kosse«, und er zuckte zusammen und wurde still.