[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse einen Bei kurierte

Einmal ritt Aldar-Kosse über eine Sommerweide und hielt nach etwas Essbarem Ausschau. Da sah er eine Schafherde von tausend Stück zwischen zwei Hügeln und nur einen einzigen Hirten, einen alten Mann in schmutzigen Lumpen. Aldar stieg den Hang hinunter. »Wessen Schafe hütest du, mein Vater?«

»Wessen Schafe ich auch hüte, was kümmert es dich«, brummte der Hirte unwirsch. »Warum so grimmig, Ehrwürdiger, ich habe dich doch freundlich gefragt. Du dauerst mich, weil du so alt bist. Ist schließlich kein Kinderspiel, allein so eine Herde zu hüten. Dein Bei hat kein Herz, soll seine Jurte ohne Herr bleiben!« Da wurde der Alte noch ärgerlicher. »Für solche Worte möge dir die Zunge abfallen! Was für ein Bei? Ich habe keinen Bei. Ich selbst bin der Bei!«

»Ach so!« Aldar pfiff durch die Zähne. »Tja, im Leben geschieht so allerhand. Es kommt vor, dass ein Gieriger einem Hungrigen den Knochen stiehlt. Ich verstehe nur nicht, warum du, der du doch so reich bist, keinen Hirten nimmst.«

»Die Hirten muss ich durchfüttern, als ob du das nicht weißt!«

»Was wahr ist, muss wahr bleiben«, stimmte Aldar zu, »ein sattes Pferd hat acht Beine... Dafür hättest du mit Hirten ein ruhigeres Leben. Wer in deinen Jahren den Schafen nachjagt, wird schnell krank.«

»Krank werden, krank werden...«, äffte der Bei ihn nach. »Ich bin schon lange krank.«

»Was fehlt dir denn, mein Vater?« Aldar-Kosse beugte sich vom Sattel herunter. Der Alte nahm die Fellmütze ab. »Siehst du? Die ganze Glatze ist grindig. Nicht auszuhalten, so juckt es. Je mehr man kratzt, desto mehr juckt es...« Aldar wiegte mitleidig den Kopf. »O weh, es steht schlimm um dich, Bei-ake!... Du musst dich kurieren.«

Der Alte zuckte zusammen. »Das kostet Geld. Die Gauner Ärzte geben einem nicht einmal die Peitsche umsonst. So manch ein Taugenichts sprach bei mir vor. Einer forderte für die Behandlung ein Kamel, ein anderer ein Reitpferd, ein dritter eine ganze Pferdeherde... Sie alle habe ich davongejagt. Lieber soll mein Kopf draufgehen, als dass ich mich ruinieren lasse.«

»Lieber Bei!« Aldar riss die Hände hoch. »Danke Allah, dir ist das Glück hold.«

»Warum brüllst du so, heiße Kohle soll dir die Zunge verbrennen! Hast die Schafe verschreckt. Worin besteht mein Glück, sprich!«

»Bei, dein Glück besteht darin, dass ich Arzt bin, aber kein solcher wie all die anderen. Ich kuriere die Menschen nicht aus Eigensucht, sondern weil ich es Allah versprochen habe. Ich kann jede Krankheit heilen...«

Vor Staunen riss der Bei die Augen auf. »Dshigit, willst du mir nicht sagen, was du für die Behandlung forderst?« erkundigte er sich schließlich. Insgeheim aber dachte er: Gib dir keine Mühe, mein Täubchen, dich bei mir einzuschmeicheln. Wer hat denn je gesehen, dass ein Kälbchen einen ausgewachsenen Wolf zerfleischt? »Warum sollte ich dir das nicht sagen?« gab Aldar-Kosse bereitwillig zur Antwort. »Ich bitte den barmherzigen Allah um ein langes Leben und einen ruhigen Tod, um nichts mehr.« Der Bei glaubte, sich verhört zu haben. »Sprichst du die Wahrheit?«

»Warum sollte ich dich belügen?« Aldar zuckte mit den Schultern. »Man lügt, um Vorteil daraus zu schinden, nicht aber, um sich zu schädigen.«

Der Arzt ist anscheinend nicht ganz bei Tröste, dachte der Bei, aber die Dummheit des Dummen füllt den Geldsack des Schlauen. Allah schickt mir wohl wahrhaftig unerwartetes Glück. Da ist er, der Zufall, wo man auf einem fremden Kamel nach Buchara reiten kann, wie es so schön heißt. Warum sollte ich mich nicht kurieren lassen, wenn es doch nichts kostet? Hilft mir der Arzt, ist es gut, hilft er mir nicht, ist auch nichts verloren... Sofort war der Alte wie ausgewechselt. »O mein Wohltäter, mögen alle deine Hoffnungen und Wünsche in Erfüllung gehen«, säuselte er. »Reite nicht vorbei, kuriere einen alten Mann, lindere seine Pein, beweise deine wundertätige Kraft!...«

»Du brauchst mich nicht zu überreden.« Mit diesen Worten sprang Aldar-Kosse vom Pferd. »Ich helfe dir ohne langes Bitten. Schlachte einen Hammel!«

Der Bei erschrak und wich zurück. »Einen Hammel schlachten? Soeben behauptetest du noch, du kurierst umsonst!«

»Ich bin bereit, meine Worte hundert Mal zu wiederholen! Nicht für mich, für dich fordere ich einen Hammel. Zum Kurieren von Grind braucht man einen Hammelmagen. Außerdem muss sich der Kranke vor der Behandlung an Hammelfleisch satt essen. Sonst wird nichts daraus.« Der Bei überlegte. Im selben Augenblick begann seine Glatze unerträglich zu jucken, so dass er den Kopf hin und her warf wie ein Wallach, der sich die Stechfliegen abschüttelt Aldar entging das nicht. »Nun, wie ist's, Bei, willst du dich kurieren lassen? Oder sind dir die stinkenden Eingeweide mehr wert als dein Leben?«

Der Bei seufzte, ging aber zur Herde, suchte einen mickrigen Hammel aus, erstach ihn, zog ihm das Fell ab, gab Aldar-Kosse das Geforderte und steckte das übrige Fleisch in den Kessel. Das Fleisch kochte. »Iß, Bei!« befahl Aldar-Kosse. »Iß und schaue mich nicht an, ich nehme kein Fleisch in den Mund.« Der Bei schielte Aldar misstrauisch an, schnitt ein Stückchen Hammelfleisch ab und verschluckte aus Gier das ganze Stück auf einmal. »Iß, iß mehr!« forderte Aldar. »Genug!« Der Bei wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. »Auch morgen und übermorgen geht die Sonne wieder auf. Wenn das Fleisch in kleinen Mengen verbraucht wird, reicht es lange.« Aldar lachte. »Du bist aber ein arger Geizkragen, Bei! Denkst wohl, du kannst dich ein Jahr lang von einem einzigen Hammel ernähren. Nein, mein Lieber, mit einem Hundefell bedeckst du keine Jurte. Aber das ist deine Sache, ich habe keine Lust, mich noch länger mit dir abzugeben. Hocke dich in ein Loch, nimm die Mütze ab und rühre dich nicht vom Fleck!«

Der Bei gehorchte. Aldar trennte mit dem Messer den Hammelmagen auf und stülpte ihn dem Bei wie eine Nachthaube über den Kopf. »Was tust du?« jammerte der Bei. »Ich ersticke!...«

»Halte aus, Verehrtester«, rief Aldar, »halte aus und wiederhole, so laut du kannst, die Beschwörung: ›Was der Wind bringt, das trägt er fort!‹ Sage diese Worte siebentausendmal und du wirst gesund. Gib Acht, dass du dich nicht verzählst!« Da stürzte der Bei aus seinem Loch. »Und meine Schafe? Wer hütet sie?«

»Sei unbesorgt, das besorge ich.«

»Und dir soll ich glauben! Du treibst sie mir fort! Ich sehe doch nichts...«

»Was die Augen nicht sehen, das hören die Ohren. Solange die Schafe in der Nähe weiden, hört man sie rascheln. Merkst du etwa nicht, wenn das Rascheln aufhört?«

Der Bei wurde still. Der Arzt sprach, obgleich er ein seltsamer Mann war, die Wahrheit. Und so leierte er, mit dem Hammelmagen auf dem Kopf, in dem kleinen Loch sitzend wie ein Mullah in der Moschee, die Worte herunter: »Was der Wind bringt, das trägt er fort. Was der Wind bringt, das trägt er fort!...« Aldaken indessen rief den Schafen ab und an etwas zu, langte ein Stück Hammelfleisch aus dem Kessel, schlug sich den Bauch voll, die Essenreste und die Innereien schmiss er auf die Weide. Dann trieb er die Herde zusammen, jagte sie auf seinem Pferd über Berge und durch Täler, niemand weiß, wohin. Man weiß nur, dass von diesem Tage an viele Arme, die nie im Leben eigenes Vieh besaßen, auf einmal Schafe hatten - einer fünf, ein anderer zehn, die Kinderreichen sogar mehr.

Kaum hatte die Herde die Weide verlassen, flogen aus allen Himmelsrichtungen Vögel herbei, die die Hammelreste witterten, schlugen mit den Flügeln, geiferten beim Teilen der Beute. Der Bei glaubte, die Schafe weideten in der Nähe. Er lauschte, dann hob er wieder an: »Was der Wind bringt, das trägt er fort! Was der Wind bringt, das trägt er fort!...« Gegen Abend kamen Frauen aus dem Aul, die die Schafe melken wollten. Sie schauten sich um, sahen aber nirgends die Herde, nur ein Vogelschwarm kreiste über der Weide, und von irgendwo aus der Erde vernahmen sie die Stimme des Beis. Sie schauten in das Loch und waren verdutzt: »Was sitzt du hier herum? Gedenkst du etwa zu sterben, oder versteckst du dich vor jemandem? Was hast du da auf dem Kopf? Warum redest du dauernd vom Wind? Wo sind die Schafe? Ist etwa ein Unglück geschehen?«

Als der Bei die Stimmen hörte, erschrak er sich zu Tode, sprang aus dem Loch und riss sich den Hammelmagen vom Kopf. Ihm ging sofort ein Licht auf. »Zu Hilfe!« Er rannte um das Loch herum. »Man hat mich beraubt! Zu Hilfe!« Auf sein Geschrei hin kamen aus den Nachbaraulen Dshigiten mit Knüppeln geritten. Als sie von dem Vorgefallenen erfuhren, ließen sie die Knüppel sinken. Wer hilft schon gern einem bösen Menschen? Die Dshigiten lachten den Bei nur aus. »Dieser Arzt war kein anderer als Aldar-Kosse. Wem anders hätte das einfallen können. Er hat es dem Knauser für uns alle heimgezahlt. Gut ausgedacht: ›Was der Wind bringt, das trägt er fort!‹ Und du, Bei, heule nicht, das Gestohlene reicht dir noch für viele Jahre!«

Der Bei tat gekränkt und schwieg. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als vor Ärger den Kopf zu kratzen. Er berührte seine Glatze - was war das? Kein Grind mehr! Alles abgefallen. Kein Pickel mehr auf der melonenkahlen Stelle, die Glatze war wieder glatt. Ob ihr es glaubt oder nicht, der Spitzbube Aldaken kurierte den grindigen Bei.