[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse den Dschinn vertrieb

Aldar-Kosse wichste seine Stiefel mit Fett, zog den Gurt stramm, schürzte sein Chalat und begab sich auf einen weiten Weg. Er ging einen Tag und eine Nacht, einen Monat und ein Jahr. Plötzlich versperrte ihm ein himmelhoher Berg den Weg, als hätte sich ein Riesenkamel in der menschenleeren Steppe ausgestreckt. Aldar-Kosse blieb stehen, dachte ein Weilchen nach, dann sagte er sich: »Dem Menschen ist nichts unmöglich. Das festeste Eisen gehorcht dem Schmiedehammer. Der Beharrliche gräbt auch mit einer Nadel einen Brunnen. Nein, ich gehe meinen Weg, vor dem steilen Aufstieg weiche ich nicht...« Er übernachtete. Er überwinterte. Im Frühjahr machte er sich an die Arbeit. Höhlte die Felsen aus, klopfte Stufen und stieg Schritt für Schritt höher und höher.

Es kam der Tag und die Stunde, da erreichte Aldar-Kosse den Gipfel. Vor sich sah er die helle Sonne, schrie auf vor Freude, streckte sich auf einem Stein aus und fiel in tiefen Schlaf. Als er aufwachte, saß ein Baigys, eine Nachtschwalbe, auf seiner Brust, drehte den Kopf hin und her und putzte sich die Federn. Aldar-Kosse packte den Vogel an den Schwingen. »Da ist sie, meine erste Beute«, rief er lachend. »Fürchte dich nicht, Baigys, ich tue dir nichts zuleide, nur musst du jetzt mit mir wandern.« Unter seiner Mütze kribbelten und krabbelten schon hundert Ideen und hundert Einfälle. Aldar-Kosse stieg ins Tal hinab und weidete sich an dem Anblick: grüne Hänge, blühende Sommerweiden und drunten im Tal ein reiner Quellbach! Am Quellbach eine neue Jurte, weißer als ein Ei, Rauch ringelte sich über ihr. Wohnt hier Freund oder Feind? Wohnen hier Menschen oder schreckliche einäugige Ungeheuer? In die Jurte hinein oder um sie herumgehen? Überlegte Aldar.

Er pirschte sich an die Tür, schaute durch den Schlitz und sah auf der gemusterten Filzmatte einen Mann und eine Frau sitzen, sie tranken Kumys, labten sich an fettem Hammelfleisch und zwinkerten sich zu. Ei, was sehe ich da, ein Festschmaus, dazu gehören auch Gäste. Also, nichts wie eingetreten! »Hatschi!« nieste Aldar. »Huch!« Die Frau schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Mein abscheulicher Mann! Versteck dich, schnell!« Der Dshigit, der mit der Frau Süßholz geraspelt hatte, lief ratlos in der Jurte hin und her, sah hinter dem Bettvorhang eine Truhe, huschte in Windeseile in sie hinein und schlug über sich den Deckel zu.

Klare Sache! Aldar nickte mit dem Kopf und trat über die Schwelle. »Guten Tag, liebe Frau! Sei so gut und Lass einen müden Wanderer an deinem Herd ausruhen.« Die Frau guckte ihn hasserfüllt an. »Der Teufel hat dich geschickt, ungebetener Gast! Mich so zu erschrecken!« Aldar-Kosse aber hatte sich schon mit überkreuzten Beinen auf den Ehrenplatz gehockt und lächelte nun über das ganze Gesicht. »Warum lächelst du?« fragte die Herrin böse und dachte im Stillen: Dieser Spitzbube führt was im Schilde. »Ich lächle dem Gefäß mit Kumys zu und auch dieser Schüssel mit Fleisch«, sagte Aldar mit honigsüßer Stimme. »Na, dann iß und trink! Und scher dich schleunigst weg von hier!« Wenn »iß und trink« geflüstert wird, hört Aldaken es sofort, wenn aber »scher dich weg« geschrieen wird, ist er taub. Aldar rückte näher zum Tisch und putzte alles weg, was darauf stand. Er trank und aß sich satt und streckte sich auf der gemusterten Filzmatte aus.

Als die Frau sah, dass der Wanderer es nicht eilig hatte, holte sie eine Münze und sprach: »Hier hast du eine Tenga, du Vagabund! Nimm sie und scher dich fort!« Aldar-Kosse bedankte sich eine Stunde, vielleicht auch länger, bedankte sich noch einmal und sagte dann: »Ich gehe schon, liebe Frau, gehe gleich. Nur füttere ich noch mein wahrsagendes Vögelchen.« Er ließ den Baigys auf den Tisch, damit er die Krümchen aufpicken konnte.

Der Baigys-Vogel pickte, die Zeit verrann, die Frau wurde böse, Aldaken schmunzelte in sich hinein. Auf einmal wieherte vor der Jurte ein Pferd. Die Tür ging auf. Hinein trat der Bei, der Herr der Jurte. Bestürzt blieb er stehen. »Wer ist dieser fremde Mann, Frau? Was hat er für einen Vogel?« Die Frau hatte noch kein Wort herausgebracht, da kam ihr Aldar-Kosse schon zuvor: »Ehrwürdiger Bei, ich bin ein wandernder Baksy, ein Zauberkünstler und Weissager. Mein Vogel ist ein weissagender Vogel. Er kennt alle Geheimnisse, errät die Vergangenheit und prophezeit die Zukunft. Wenn du willst, weissage ich dir, welches Unglück dir droht.«

Der Bei betrachtete den Fremdling von oben herab, setzte sich ans Herdfeuer, an dem sich Aldar-Kosse kurz davor gerekelt hatte, und sprach: »Wärest du wahrhaftig ein Weissager, wüsstest du, dass ich weit und breit der Reichste bin. Habe vier Arten Vieh: Pferde, Kühe, Kamele und Schafe - ohne Zahl. Und wer reich ist, ist auch stark. Was für ein Unglück sollte mich treffen?«

»Oh, Bei, glaube nicht, es seien keine Wölfe in der Nähe, die verstecken sich in der Schlucht...« sagte Aldar belehrend. »Worauf spielst du an?« Der Bei ließ sich auf die Kissen fallen. »Weißt du etwas?«

»Ich weiß etwas, aber nicht alles. Der weissagende Vogel aber weiß alles.«

»Wenn der Vogel alles weiß, soll er es sagen. Prophezeie!«

Nun begann die Wahrsagerei. Aldaken lief wie ein Wilder, den Vogel hochhaltend, durch die Jurte, schrie unverständliche Worte und warf die Sachen umher. Der Vogel piepste, Aldar schrie: »Prophezeie, Zaubervogel, prophezeie!« Der Bei riss vor Staunen die Augen weit auf. »So einem Baksy bin ich noch nie begegnet. Vielleicht bringt das Wahrsagen was Gescheites.« Aldar-Kosse drehte sich immer schneller und schneller, blieb dann wie angewurzelt stehen, reckte sich und flüsterte mit schauriger Stimme: »O weh, o weh. Bei, um dich steht es schlecht!« Der Bei erblasste. »Was ist?« Aldar darauf: »Der Vogel sagt: Im gelben Kasten liegt das schwarze Unglück auf einer Seidendecke. Das heißt, ein böser Dschinn hat sich unter deinem Dach eingenistet, Bei, der muss vertrieben werden!«

Der Bei bebte, blickte aber immer noch ungläubig auf Aldar: Ist dieser Baksy nicht doch ein Betrüger? Hält er mich nicht zum Narren mit dem Dschinn? Will sehen, was weiter geschieht. Laut sprach er: »Vertreib ihn, schnell, mein Guter!« Aldar-Kosse aber wusste schon, was zu tun war! Er griff zur Kelle, schöpfte aus dem Kessel heißes Wasser, schlich auf Zehenspitzen an die Truhe heran, klappte den Deckel auf und verspritzte Wasser. Im nächsten Augenblick flog der Deckel hoch, und der verbrühte Dshigit war mit einem Satz aus der Jurte.

Dem Bei stockte der Atem. Die junge Frau kroch unter den Teppich. Aldaken jedoch hielt sich vor Lachen die Seiten. Endlich fasste sich der Bei und umarmte Aldar. »Tausend Dank, meine Seele! Hast das Unglück aus dem Haus gejagt! Ohne dich hätte mich der boshafte Dschinn ins Unglück gestürzt. Ich will es dir lohnen, wie du es verdienst. Ich habe ein Pferd, stark wie ein Bär. Nimm es!«

Aldar sprang vor Freude auf, der Bei aber schwieg, dann sagte er noch: »Damit der Dschinn nicht noch einmal in mein Haus kommt, verkauf mir deinen weissagenden Vogel, Freund! Ich zahle gut.« Aldar winkte mit den Händen ab: »Aber nein, Bei, das schlage dir aus dem Kopf! Ohne den weissagenden Vogel ist mein Leben finsterer als die stockdunkle Nacht!« Der Bei beharrte auf seinem, Aldar beharrte auf seinem. Bis tief in die Nacht dauerte der Handel.

Zu guter Letzt gab Aldar nach: »Es sei, ich lasse dir den Vogel! Habe ihn für vierzig Pferde gekauft, so wahr ich hier stehe. Der Besitzer des Vogels jammert noch heute, dass er ihn so billig verkauft hat. Vierzig Pferdchen - und der weissagende Vogel ist dein!« Der Bei zwinkerte mit den Augen, als hätte ihn jemand mit den Fingern hinein gestochen. »O weh, o weh, du verlangst viel! Ein Pferd ist doch keine Springmaus.«

»Das ist deine Sache, ich verkaufe meine Waren nicht zu teuer. Der wahrsagende Vogel ist auch kein Spatz!«

»Ich gebe dir dreißig!« sagte er. »Dreißig sind zu wenig. Vierzig!«

»Dreißig!«

»Vierzig!«

So stritten die zwei Schlauen, ob sie sich bald einig wurden? Einen Monat, vielleicht auch ein Jahr drang Lärm aus der Jurte des Beis. Mal waren sie sich einig, mal wieder nicht, feilschten, handelten, schlossen den Handel ab. Der Bei gab nach. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und sagte: »Nimm vierzig! Der weissagende Vogel gehört mir!« Ob vor Freude oder Kummer, ob ehrlich oder nur zum Schein, erhob Aldaken ein lautes Wehklagen, drückte den Vogel an die Brust und nahm von ihm Abschied: »Lebe wohl, mein Freund, lebe wohl, weissagender Vogel! Was soll ich ohne dich anfangen? Wo finde ich allein Tröstung?«

Drei Tage und noch drei Tage - eine Woche lang nahm Aldar-Kosse von dem Vogel Abschied, lebte in Saus und Braus, trank Kumys und aß Kasy, schlief süß auf einem weichen Lager, bis ihm sein Herz sagte: Ein stehender See verschlammt. Ein stehendes Rennpferd bleibt sogar hinter einem Fohlen zurück. Unendlich sind die Erdenwege, kurz aber ist das Menschenleben. Er setzte sich auf sein bärenstarkes Pferd, stimmte ein Liedchen an und trieb mit der Peitsche die geschenkten Pferde vor sich her.

Am Abend holte er einen jungen Burschen ein, der zu Fuß wanderte. »He, Gefährte, warum gehst du zu Fuß? Wo ist dein Pferd?« rief ihm Aldar-Kosse zu. »Ich hatte mal ein Pferd, jetzt nicht mehr«, antwortete der Wanderer traurig. »Es starb vom Biss einer Giftspinne.«

»Ach so!« Aldar streckte den Arm aus. »Suche dir ein Pferd aus meiner Herde aus. Nimm, welches du willst! Ich schenke dir ein Reitpferd.«

Am anderen Tag holte Aldar-Kosse wieder einen Wandersmann ein, einen älteren Mann. »He, Onkelchen, warum gehst du zu Fuß? Hast du kein Pferd?«

»Gestern hatte ich noch ein gutes Pferd, aber heute... Die Söhne des Beis nahmen es mir unterwegs weg. Bin selber um ein Haar heil davongekommen...«, entgegnete der Mann. »dass sie Mütter und Verwandte verlieren, diese Räuber, die die Armen berauben!« sagte Aldar aus tiefer Seele. »Aber Lass den Kopf nicht hängen! Nimm ein Pferd aus meiner Herde und reite, wohin dein Weg dich führt.«

Am dritten Tag stieß Aldar-Kosse auf einen gebrechlichen Alten. Er schleppte sich, auf einen Stock gestützt, mühsam voran, die Füßen versagten ihm den Dienst. »Großvater, ist es nicht mühsam, in deinen alten Tagen die Steppe zu Fuß zu durchmessen! Hast du denn kein Pferd?« fragte Aldar-Kosse. Der Alte antwortete: »Solange ich bei Kräften war, hütete ich die Pferde der Reichen. Zu einem eigenen Pferd aber brachte ich es nie. Ja, so ist es, mein Sohn...«

»Bleib stehen, Großvater, nicht zu eilig. Nimm ein Pferd aus meiner Herde. Welches dir am besten gefällt, soll dir gehören. Schlage es nicht ab! Darf ich dir beim Aufsitzen helfen?«

Je weiter Aldar-Kosse ritt, desto weniger Pferde blieben ihm. Am einundvierzigsten Tag war nur das letzte, das, auf dem er saß, übrig. Da sah Aldar ein Mädchen so aufgeregt durch die Steppe laufen, dass sie die Vögel aufschreckte. »Was ist dir widerfahren? Vor wem fliehst du, schönes Kind?«

»Vor dem Tod!« brachte das Mädchen weinend heraus. »Der Vater verkaufte mich einem alten Reichen... Ich aber liebe einen wackeren Dshigiten, einen Hirten. Und er liebt mich... Zu ihm laufe ich. Glückt es mir, mich vor den Verfolgern zu verstecken, werden wir auch als Bettler zufrieden sein. Fängt man uns, sind wir beide verloren!« Aldaken sprang vom Pferd. »Liebes Schwesterchen«, sagte er liebevoll lächelnd, »es ist eine Sünde, am Anfang des Lebens an sein Ende zu denken. Setz dich in den Sattel und reite zu deinem Dshigiten! Auf diesem Pferd holt euch weder Not noch Tod ein. Lebt hundert Jahre in Freuden!« Aldar-Kosse wanderte zu Fuß weiter, leichten Schritts, schaute sich in der Steppe um, lächelte dem Himmel und der Sonne zu, sang ein Lied wie eine Lerche, fragte sich nicht, was ihn erwarte, trauerte auch dem nicht nach, was er hinter sich gelassen hatte.