[swahili, "Geschichte, Legende"]

Wie Aldar-Kosse dem Bei einen gelehrten Hasen verkaufte

Aldar-Kosse begegnete einem alten Freund. »Warum so abgemagert?« fragte Aldar und umarmte den Freund. »Warum so trübselig? Erzähle, wie geht es dir?«

»Wie es mir geht?« Der Freund seufzte kummervoll. »Habe nichts, was ich mir über die Schultern werfen und in den Kessel stecken könnte. Der Hunger treibt mich aus der Jurte, die dünnen Kleider treiben mich nur hinein... Meine Familie ist verloren, Aldaken.«

»Aber sag mal, du hattest doch Schafe!«

»Hatte ich. Ein ganzes Dutzend, und jetzt habe ich kein einziges mehr.«

»Sind alle verreckt?«

»Nein. Der Bei Karynbai nahm sie mir. Alle, bis zur letzten. ›Warum stürzt du mich ins Verderben, Bei?‹ fragte ich. Der lachte nur: ›Dafür, dass dein Großvater meinen Großvater in einem Lied Blutsauger nannte!‹« Aldar krauste die Brauen. »Höre, mein Freund... Du kannst immer wieder sagen: ›Chalwa, Chalwa‹, in deinem Mund wird es doch nicht süß. Nicht Worte brauchst du, sondern Schafe. Und ich schwöre dir, du sollst sie haben! Warte bis zum Neumond...« Sie nahmen Abschied und trennten sich.

Aldar-Kosse wanderte tänzelnd und singend durch die Steppe, als hätte er das Gespräch mit seinem alten Freund vergessen. Plötzlich sprangen ihm zwei Häschen vor die Füße und - hast du's nicht gesehen - stobten in alle Winde. Die Hasen sind flink, aber nicht flinker als Aldaken: Er drehte sich nach links, drehte sich nach rechts und fing beide an den Ohren. Er brachte sie nach Hause.

Seine Frau freute sich: »Lass mich die Häschen halten, mein Lieber! Woher hast du sie?«

»Das erfährst du später. Vorerst höre, was ich dir sage: Mach Feuer, koche Mittag, fett und schmackhaft! Uns besucht heute Karynbai - der nimmersatte Wanst. Wir müssen ihn freundlich empfangen und gut bewirten. Wenn er fragt, wer den Gast angekündigt hat, antworte: ›Der Hase.‹ Und zeige ihm das Langohr. Hast du dir meine Worte gemerkt? Lebe wohl!« Aldar drückte der verdutzten Frau ein Häschen in die Hand, mit dem anderen schlüpfte er zur Tür hinaus.

Das Steppengras hatte sich noch nicht dreimal im Wind gewiegt, da war er schon im Aul Karynbais. Der fette Bei schielte auf Aldar und den Hasen, den der an der Brust trug, und knurrte giftig: »Nun, von deinen Streichen ist wohl schlecht leben, Bartloser? Wohl nicht das gute Leben zwingt dich, Hasen zu jagen!« Aldar-Kosse antwortete mit Würde: »Bevor du nicht am Wasser bist, ziehe die Stiefel nicht aus, Bei. Statt grundlos zu grinsen, solltest du lieber fragen, was ich da für einen Hasen habe. Das ist kein einfacher Hase, sondern ein gelehrter. Wohin du ihn schickst, was du ihm aufträgst, alles erfüllt er genau. Selbst der Khan kann keine rührigeren Diener haben.« Der Bei wurde wild, als hätte ihn eine Bremse gestochen. »Gewissenloser Lügner! Wem streust du Sand in die Augen? Oder kennst du meinen Charakter schlecht? Ich werde dich für den Betrug so herunterputzen, dass dir dein Unterkiefer für alle Zeit steif bleibt!«

»Eieiei, wie unflätig du schimpfst, Bei-ake!« sagte Aldar-Kosse vorwurfsvoll. »Aber was kann man auch anderes von dir erwarten! Aus einem schmutzigen Mund kommen eben schmutzige Worte. Aber ich nehme es nicht übel: Der Hund bellt, die Karawane zieht. Aber wegen des Hasen bin ich gekränkt. Warum glaubst du denn nicht? Wenn du willst, führe ich dir seine Umgangsformen vor.«

»Führe sie vor!« platzte der Bei heraus.

Aldar-Kosse hielt sich den Hasen ans Gesicht und sagte ihm ins Ohr: »He, Schnellfüßiger! Laufe hurtig nach Hause und sage der Hausfrau, der achtbare Karynbai beehrt uns mit seinem Besuch. Sie soll die Jurte aufräumen und einen Schmaus bereiten!« Dann ließ er den Hasen wieder ins Gras. Der Hase hockte sich hin, wackelte mit den Ohren und war, als er die Freiheit spürte, mit einem Satz in der Steppe, als verfolge ihn ein Kumai. Der Bei schrie ihm hinterher. Aldar fasste den Bei um die Schulter: »Den brauchst du nicht anzutreiben, ein gelehrter Hase weiß selbst, was er zu tun hat. Folgen wir ihm. Unterdessen richtet meine Frau für uns einen leckeren Schmaus an. Wenn du davon kostest, wirst du gleich die Zunge mit verschlingen!«

»Na gut, ich komme mit, du Schwindler!« Dabei drohte der Bei ihm mit der Faust. »Weder Zeit noch Ehre sind mir zu schade, wenn ich dich nur beim Betrug ertappen kann. An diesen Tag sollst du dein Leben lang denken!«

Sie ritten los. Der Bei schmollte und prustete, während Aldaken ohne Unterlass den Hasen preiste. Endlich kam Aldars Jurte in Sicht. Der Bei hob die Nase: Ein wunderbarer Fleischgeruch! Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, er schluckte es herunter und blähte sich noch mehr auf. Sie betraten die Jurte - alles war gewienert, gewichst und aufgeräumt, in der Mitte lag ein schneeweißes Tuch, darauf stand, wer weiß nicht, was alles: Das hätten zehn Mann nicht verschlingen können! Der Bei machte Glotzaugen, Aldaken fasste ihn wie seinen liebsten Verwandten an der Hand, bot ihm den Ehrenplatz an und steckte ihm mit eigener Hand einen Besbarmak in den Mund. Der verfressene Bei stürzte sich auf das Essen und vergaß dabei das Atmen. Die schmucke Hausfrau, die nach der Sitte links von dem Gast stand, tischte ihm mehr und mehr auf und wiederholte: »Esst nur, Esst, Karynbai-aga!«

Als der Bei sich den Bauch voll geschlagen hatte, wurde er freundlicher. Er stützte sich mit den Ellenbogen aufs Kissen und schnaufte grinsend: »Aldaken, deine Frau hat goldene Hände! Sie hat meiner Seele geschmeichelt. Habe mich mein Lebtag nicht so satt gegessen. Nach diesem üppigen Mahl will ich unseren Zwist vergessen, ich vergebe dir deine Lügereien... Aber sage mir doch, junge Frau«, wandte er sich an die Hausfrau, »wie hast du erfahren, dass dein Mann einen Gast ins Haus führt?« Aldars Frau lächelte, verschwand für einen Augenblick hinter dem Bettvorhang und holte den Hasen hervor. »Der hat mir die frohe Kunde von dem teuren Gast überbracht!« Bei diesen Worten streichelte sie das Häschen liebevoll. Der Bei verzog das Gesicht. »Ich muss mit dir sprechen, Aldaken! Gehen wir hinaus!«

Als sie zu zweit waren, Auge in Auge, Zahn um Zahn, wie es so schön heißt, fasste der Bei Aldar-Kosse versöhnlich am Ärmel: »Nun muss ich einsehen, dass ich im Streit mit dir unrecht hatte, Aldar-Kosse. Verzeih mir. Das Essen deiner Frau war gut, dein gelehrter Hase aber ist noch besser. Doch muss ich dir ehrlich gestehen, ist das nicht eine zu große Verschwendung für dich Armen, einen gelehrten Hasen zu besitzen?«

»Wahrscheinlich«, meinte Aldar-Kosse seufzend. »Die Jurte eines Reichen hält einem Schneesturm stand, für die Jurte eines Bettlers ist sogar ein Regentropfen zu schwer. Ich habe deine Andeutung verstanden, Bei, und bin willig, dir den Hasen zu lassen. Wenn er dir gefällt, nimm ihn, brüste dich mit ihm vor deinen Freunden und Feinden. Was aber erhalte ich dafür? Gibst du mir hundert Hammel?« Der Bei wurde schwarz wie ein verrußter Kessel. »Verlangst du nicht zu viel, Aldaken?« »Wenn du nicht willst, dann eben nicht...« Mit diesen Worten wandte sich Aldar um. Der Bei ächzte und willigte ein. Am nächsten Tag trieb er eine Herde mit hundert Schafen zu Aldar-Kosse, und Aldar überreichte ihm feierlich den Hasen. »Diene deinem neuen Herrn, wie du mir gedient hast!« sprach er mit bebender Stimme und küsste den Hasen.

Zwei Tage darauf drang der gefoppte Karynbai mit Zetergeschrei in Aldar-Kosses Jurte und packte ihn am Kragen: »Betrüger! Gib mir zurück, was du mir für deinen räudigen Hasen abgeluchst hast! Wehe dir, wenn du es nicht zurückgibst!«

»Ruhig Blut, ruhig Blut, liebenswürdiger Bei!« redete sich Aldaken heraus. »Hat dich etwa eine Schlange gebissen? Erzähle doch in Ruhe, was geschehen ist?«

»Was geschehen ist? Du Bösewicht hast mich zum Narren gehalten und mich in der ganzen Steppe in Verruch gebracht. Mit zwölf angesehenen Beis ritt ich zur Jagd, den Hasen nahm ich im Sack mit. Die Beis prahlten - einer mit seinem Ross, ein anderer mit der Waffe, wieder ein anderer mit dem Berkut... Da holte ich meinen Hasen aus dem Sack und sagte, niemand außer mir hätte so ein Wunder. ›Mein Hase‹, sagte ich, ›erfüllt jeden Befehl.‹ Die Beis glaubten es nicht. Da schlossen wir eine Wette ab. Dem Hasen befahl ich: ›Laufe rasch in den Aul, sage, die Frau solle alles zum Fest richten: Am Abend komme ich mit zwölf Freunden.‹ Der Hast hoppelte davon, und wir kehrten, nachdem wir noch ein wenig die Tiere gejagt hatten, hungrig wie die Wölfe in den Aul zurück. ›Lasst uns schneller reiten.‹ Die Gäste trieben ihre Pferde an. ›Geduldet euch ein wenig‹, sagte ich, ›euch erwartet guter Schmaus, der gelehrte Hase weiß, was er zu tun hat.‹ Angekommen, fanden wir in der Jurte Schmutz, Unordnung und einen kalten Herd vor. Ich zur Frau: ›Warum ist das Essen nicht für alle Gäste bereitet, wie ich es befohlen habe?‹ Die Frau machte große Augen: ›Wann hast du es befohlen? Das hast du wohl geträumt oder?‹ - ›Hat dir denn der gelehrte Hase nichts gesagt?‹ - ›Was für ein Hase, besinne dich!...‹ - ›Also ist der gelehrte Hase nicht zu dir gelaufen?‹ Die Frau: ›Gute Leute, haltet ihn, er hat den Verstand verloren!‹ Und damit riss sie vor mir aus.

Die Gäste hielten sich die Bäuche, schüttelten sich vor Lachen und vergaßen den Hunger. ›Haha, Karynbai‹, zeigten sie mit Fingern auf mich, ›da hast du uns aber mit deinem gelehrten Hasen ein Wunder vorgeführt!...‹ Siehst du, was du angerichtet hast, übler Wicht, jetzt werde ich deinetwegen keine Ruhe mehr haben. Gib mir meine Habe, Spitzbube, für den Betrug wirst du mir noch heimzahlen!«

»Lieber Bei, ich schwöre dir bei meinem Leben, dass ich dir mit ganzer Seele nachfühle«, sagte Aldar herzlich. »Aber du bist anscheinend selbst schuld an deinem Pech. Sag mir doch, ob du den Hasen morgens Aspan-Shaprak mummeln ließt?«

»Aspan-Shaprak?« Der Bei verschluckte sich. »Musste ich ihm denn Aspan-Shaprak geben?«

»Aber natürlich! Der dümmste Dummkopf weiß doch, dass gelehrte Hasen ohne dieses Gras keinen Tag überleben. Du hast das arme Tier gekränkt, und es lief dir davon.«

»Ich wusste ja nicht, dass es Aspan-Shaprak braucht!« schrie der Bei. »Psss!« Aldaken hielt ihm den Mund zu. »Sag das bloß keinem! Denn du bist ja noch dümmer als der dümmste Dummkopf. Denk nur mal, was deine hochgestellten Freunde dazu sagen!«

Der Bei knurrte etwas vor sich hin, spuckte aus und trollte sich. Bis zum Abend lachten Aldar-Kosse und seine Frau. Als der Neumond über der Steppe glänzte, trieben sie die Herde zu dem armen Teufel, den der grausame Karynbai elend gemacht hatte.