[swahili, "Geschichte, Legende"]

Warum ein Mörder auf die gleiche Weise wie sein Opfer sterben soll

Es war einmal ein Mann, der hatte zwei Frauen, Menge Njum und Menge Marri. Menge Njum gebar nach sieben Monaten eine Tochter, Menge Marri aber blieb kinderlos. Das Mädchen wuchs sehr schnell heran. Nach fünf Monaten konnte es schon allein laufen. Als das Kind eines Tages in das Haus von Menge Marri trat, jagte sie die Kleine fort und sprach: »In meinem Haus will ich keine Kinder haben.« jedes Mal, wenn Menge Nj ums Tochter kam, verjagte Menge Marri das Kind.

Einmal war der Vater des Mädchens auf die Jagd gegangen. Menge Njum sprach vor sich hin: »Aufs Feld müsste ich gehen und etwas Essbares holen. Feuerholz brauchten wir auch, aber es ist niemand da, der auf das Kind Acht geben könnte.« Das hörte die Kleine und sagte: »Wir werden vor Hunger sterben, wenn du nicht aufs Feld gehst. Also musst du gehen. Wäre Menge Marri deine Freundin, könnte ich bei ihr bleiben. Aber sie kann dich nicht leiden, darum bleibe ich lieber allein.«

Die Mutter eilte also aufs Feld und trug alles zusammen, was nötig war. Bei ihrer Rückkehr traf sie ihre Tochter wohlbehalten zu Hause an, nichts war ihr geschehen. Daher begab sie sich auch am nächsten Tag wieder auf ihre Felder. Diesmal aber kam Menge Marri ins Haus ihrer Rivalin und sprach zu dem Mädchen: »lass uns in den Wald gehen und im Fluss Fische fangen.«

Die Kleine willigte ein, und nachdem sie eine Weile gelaufen waren, kamen sie zu einem Fluss, in dem es viele Fische gab. Da nahm Menge Marri ihre kleine Begleiterin und schleuderte sie in den Fluss. Sie wollte auf diese Weise das Wasser stauen. Ein blauer Vogel, der auf einem hohen Baum am Flussufer saß, rief aus: »Niemals vorher sah ich, dass eine Frau die Tochter einer anderen ins Wasser wirft, um es zu stauen! Wenn du ein Wehr brauchst, warum schneidest du dir keine Stöcke zurecht?«

Die böse Frau bewarf den Vogel mit Steinen, als sie seine Worte hörte, aber er flog davon. Menge Marri fing nun viele Fische, und als sie genug hatte, zog sie die Ertrunkene aus dem Wasser und warf sie sich über die Schulter. Auf den Kopf hob sie sich den Korb voller Fische. Bald wurde ihr diese doppelte Last zu schwer. Also setzte sie die Fische ab, trug den Körper ein Stück weiter, legte ihn dann ab und kehrte um, die Fische zu holen. So verfuhr sie, bis sie schließlich zu Hause ankam. Nun trug sie die Ertrunkene in Menge Njums Haus und kehrte wieder in ihrs zurück, um die Fische zu säubern.

»Komm, nimm mir die Last ab!« rief Menge Njum ihre Tochter, als sie vom Feld zurückgekehrt war. Das Mädchen gab keine Antwort. Da ließ die Mutter alles fallen, stürzte ins Haus und sah das tote Kind. Da begann sie bitterlich zu weinen. Kurze Zeit später kehrte der Mann von der Jagd heim und fragte: »Was ist denn hier geschehen? Als ich ging, war meine Tochter kerngesund, wie ist es möglich, dass ich sie zwei Tage später tot finde?« Da flog der blaue Vogel herbei, setzte sich aufs Dach und sang: »Niemals vorher sah ich, dass eine Frau die Tochter einer anderen ins Wasser wirft, um es zu stauen!« Der Mann hieß seine Frau, mit dem Weinen aufzuhören, und sagte: »Wir wollen dem blauen Vogel lauschen.« Und der blaue Vogel fuhr fort mit seinem Gesang: »Dort ist die Frau, die eure Tochter ins Wasser warf, um den Fluss zu stauen!« In dem Augenblick ging Menge Marri vorbei, aber der Vater des Mädchens konnte einfach nicht glauben, dass der Vogel sie gemeint hatte.

Am nächsten Morgen sagte Menge Njum zu ihrem Mann: »Unser Kind ist tot, lass es uns begraben.«

»Wir wollen tun, wie du gesagt hast«, erwiderte der Mann, »aber, bei meinem Leben, ich werde herausfinden, wer sie getötet hat!« Und während die beiden nun das Mädchen begruben, flog der blaue Vogel wieder herbei und sang: »Menge Marri war es, sie nahm das Kind mit zum Fluss, um es zu ertränken, dann brachte sie den Leichnam ins Haus. Menge Marri hat eure Tochter getötet!«

Da riefen die Eltern alle Leute zusammen und klagten Menge Marri des Mordes an ihrer Tochter an. Schließlich gestand sie die Tat. »Weil ich kein Kind hatte, habe ich das Mädchen getötet«, sprach sie. Darauf beschloss die Versammlung das Urteil: Menge Marri muss auf die gleiche Weise sterben wie das Mädchen. Und von diesem Tag an muss jeder, der einen anderen ermordet, auf die gleiche Weise sterben wie sein Opfer.