[swahili, "Geschichte, Legende"]

Von Nsambe und seinen sieben Söhnen

Nsambe hatte sieben Söhne. Der erste hieß Mode, Mensch, der zweite Küi, Pygmäe, der Name des dritten war Ngi, Gorilla, der des vierten Sohnes Oaa, Schimpanse. Schok, das bedeutet Elefant, war der fünfte, den sechsten nannte man Ekute, Dummling, und der siebente Sohn trug den Namen Ngomwenio.

Eines Nachts verließ Nsambe die Söhne und zog heimlich an einen anderen Platz. Ohne alle Mittel ließ er sie zurück, sie hatten kein Feuer, nichts zu essen und auch nichts anzuziehen. Als sie dessen am anderen Morgen gewahr wurden, sprachen die Söhne bedrückt zueinander: »Was sollen wir tun, ohne Feuer, ohne Essen, ohne irgend etwas?« Da trug Mode, der Mensch, seinem Bruder Oaa, dem Schimpansen, auf: »Folge dem Vater und bring uns so bald wie möglich Nachricht.« Oaa ging fort, aber kaum war er in den Wald gekommen, sagte er zu sich: »Ach, bin ich hungrig«, und als er Kardamomfrüchte sah, aß er sich satt. Dann lief er weiter und weiter, von seinem Vater aber war noch immer keine Spur zu sehen. Müde bog Oaa vom Weg ab, kletterte auf einen Schirmbaum, bereitete sich dort oben ein Lager aus Zweigen und vergaß Vater und Brüder.

Am darauf folgenden Tag, als Oaa nicht wiederkam, sprach Mode zu Ngi, dem Gorilla: »Folge du dem Vater und Oaa. Beeil dich und bring uns Nachricht!« Ngi machte es aber nicht anders als Oaa. Kaum sah er die Kardamomfrüchte, sagte er: »Was, zwei Tage habe ich schon nichts gegessen!« Ratsch, riss er eine Frucht ab und verzehrte sie. Auf seinem Weitermarsch gelangte er an einen Fluss. Als er auch dort seinen Vater nicht sah, kroch er ins Gebüsch und ließ Nsambe und Brüder Nsambe und Brüder sein.

Am nächsten Morgen klagte Mode: »Oaa und Ngi sind fort gegangen und nicht wiedergekommen!« Dann wandte er sich an Schok, den Elefanten, mit der Bitte: »Folge den beiden.« Schok machte sich auf den Weg. Er war aber noch nicht weit über die Stellen hinausgekommen, an denen Oaa und Ngi den Weg verlassen hatten, als er die roten Früchte der Ölpalme entdeckte. Rasch pflückte er davon und aß. Etwas später gelangte er an eine lichte Stelle, wo viele, viele Weinranken wuchsen. Schok versuchte ein paar Blätter, sie schmeckten ihm herrlich, und so verließ auch er den Weg, der zu Nsambe führte, und schlug sich ebenfalls in die Büsche.

»Ach, Schok kommt auch nicht wieder«, sprach Mode zu Küi, dem Pygmäen, als der Morgen graute. »Hat er den Weg verloren, oder ist er bloß seinen Trieben gefolgt? Ich weiß es nicht. Nun geh du und ruf die Brüder zurück und auch unseren Vater, Nsambe.« Küi nahm den Bogen, holte auch sein Gewehr und brach auf. Im Wald entdeckte er Spuren eines Quastenstachlers. Da baute Küi erst einmal eine Falle. Beim Weitergehen er- blickte er ein Rotarmhörnchen. Wupp, schnellte der Pfeil vom Bogen, und das Tier stürzte herab. Küi setzte seinen Weg fort. Da sah er eine rotschwänzige Meerkatze und schoss auch sie. Nun kehrte er mit seiner Beute stolz zu Mode zurück und sagte: »Viele schöne Tiere habe ich erlegt!« Aber Mode erwiderte ärgerlich: »Bist du denn nicht gescheit! Anstatt den Vater zu suchen, folgst du den Tieren, was soll ich denn mit denen. Morgen gehst du noch einmal und kümmerst dich nicht um das Wild, sondern gibst dir Mühe, den Vater zu suchen.«

Am anderen Tag brach Küi auch mit den besten Vorsätzen auf, aber es dauerte nicht lange, da lief ihm eine Antilope über den Weg, die musste er doch schießen. Und dann gab es so viele Rotarmhörnchen, so viele Meerkatzen und Vögel im Busch, zuletzt sah Küi sogar ein großes Schwein! Er konnte gar nicht anders, alle Tiere, die er sah, erlegte er. Erst spät in der Nacht langte er, unter seiner schweren Beute keuchend, zu Hause an. »Hast du unseren Vater gesehen?« fragte Mode ihn. »Nein«, meinte Küi, »aber ich habe unterwegs eine Menge Tiere geschossen und dir mitgebracht.«

»Du bist wirklich nicht bei Troste«, schimpfte Mode. »Warum bist du denn dem Weg nicht weiter gefolgt? Dich kann man keinen Mann mehr nennen, du heißt zu Recht Küi!«

Als der nächste Tag angebrochen war, erteilte Mode seinem Bruder Ngomwenio den Auftrag: »Folge du heute dem Vater, aber mach es nicht so wie Küi und die anderen, sondern halte dich an den Weg!« Ngomwenio aber handelte genau wie Küi. Erblickte er ein Rotarmhörnchen, schoss er es, sah er Meerkatzen, nahm er die Verfolgung auf, und die Antilopen jagte er ebenfalls. Mit Beute beladen kam er zu Mode und sprach: »Bruder, so viele Tiere waren im Busch. Ich habe es einfach nicht fertig gebracht, daran vorüberzugehen.« Da beschimpfte Mode auch ihn: »Du dummer Kerl! Bleib von nun an hier! Du bist nicht mehr wert als dein Bruder Küi, darum heißt du ja auch Ngomwenio.« Früher hatten die beiden nämlich andere Namen, ihre Torheit hat ihnen die jetzigen verschafft.

Einen letzten Versuch machte Mode nun mit Ekute. Er sagte zu ihm: »Du bist an der Reihe. Wirst du es aber nicht auch so machen wie die anderen?« Ekute versprach, genau nach Modes Weisungen zu handeln, und brach auf. Bald kam er an ein Flüsschen. Dort badete er erst einmal ausgiebig, legte sich dann in die Sonne und ließ sich trocknen. »Ach, wie schön es hier in der Sonne ist!« rief er aus, denn er verspürte wenig Lust, ins Ungewisse weiterzugehen. Aber schließlich raffte er sich auf, setzte den Weg fort und kam an einen Fruchtbaum. Gleich kletterte er hinauf und aß, aß, bis er nicht mehr konnte. Dann machte er sich Körbe und füllte sie bis an den Rand mit den erfrischenden Früchten, nahm mit, soviel er tragen konnte, sogar in der Hand hielt er noch Zweige mit Früchten. Mit Modes Geduld aber war es vorbei, als sein Bruder Ekute so beladen ankam. Er nahm einen Stock, verprügelte Ekute ganz fürchterlich und sprach dann: »So, morgen gehst du noch einmal.«

Beim zweiten Mal wanderte Ekute ziemlich weit, bis er schließlich eine Plantenpflanzung erreichte. Dort fiel ihm nun nichts Besseres ein, als die reifen Planten abzuschlagen. Zehn große Trauben lagen in einer Reihe vor ihm. Ekute lud sie sich auf den Rücken, kehrte zu Mode zurück und sagte: »Hier hast du das Essen, nach dem du mich geschickt hattest.«

»Nach dem Vater solltest du suchen, nicht nach etwas Essbarem!« rief Mode entrüstet und setzte hinzu: »Wir haben ja hier kein Feuer, was sollen wir da mit dem Essen anfangen? Den Vater hast du wohl nicht gesehen?«

»Nein«, antwortete Ekute, »aber morgen gehe ich noch einmal, vielleicht finde ich ihn dann.«

Bevor Ekute am nächsten Morgen zum dritten Mal aufbrach redete Mode ihm noch einmal gut zu: »Bruder«, sprach er, »wir sind nun schon acht Tage in dieser jämmerlichen Lage, heute beginnt der neunte Tag. Du musst dich beeilen, darfst dich nirgends aufhalten und unterwegs nichts anderes treiben.« Ekute versprach auch alles und marschierte los. Er hatte schon eine beträchtliche Wegstrecke hinter sich, als ihm ein Baum mit noch viel prächtigeren Früchten als der vom vorigen Tag vor Augen kam. »Ja, ihr seid die richtigen!« rief er aus und war schon oben, um zu pflücken. Nachdem er sich satt gegessen hatte, lud er sich noch ein paar Früchte auf den Rücken und ging weiter. Da kam er an einen Fluss, in dem er viele, viele Welse schwimmen sah. Sofort baute er ein Wehr und trieb die Fische in Körbe, die er am Wehr angebracht hatte. Das bereitete ihm großes Vergnügen, und sein Fang war reichlich. Aber er wollte noch mehr haben und immer noch mehr, bis er merkte, dass die Sonne längst gesunken war und die Nacht hereinbrach. »Ach was«, meinte er da, »morgen ist auch noch ein Tag. Was soll ich in der Nacht noch weitergehen. Ich kehre um.« Mode empfing den mit Früchten und Fischen beladenen Ekute mit der Frage: »Bist du geradenwegs dem Vater gefolgt?« Und Ekute antwortete: »Bruder, sieh her, was für herrliche Früchte ich unterwegs gefunden habe. Und dann der Fluss! So eine Menge Fische! Wenn da ein paar Frauen fischen gehen würden, ich glaube, sie könnten zehn Körbe voll nach Hause bringen!« Mode aber sprach: »Wirklich, ich wundere mich nicht mehr, dass dich dein Vater Ekute genannt hat, du bist und bleibst ein Dummling. Dreimal sandte ich dich aus, und dreimal bist du ohne den Vater zurückgekommen. Bleib hier, morgen werde ich selbst gehen.«

Am Morgen stand Mode zeitig auf und befahl seinen Brüdern Küi, Ngomwenio und Ekute: »Ihr bleibt hier und wartet auf mich!« Dann nahm er sein Messer und seinen Speer und eilte raschen Schritts davon. Am ersten Fluss trank er etwas Wasser und ging darauf zügig weiter. Am zweiten fing er in den Fischkörben vier Welse, reihte sie auf einen Strick und setzte seinen Weg fort. Nach einer langen Wanderung an einer Zuckerrohrpflanzung angelangt, schlug er sich ein Stück Rohr ab und aß. Anschließend kam er an Maisfeldern vorbei und nahm zwei Maiskolben mit. Nicht viel weiter hörte Mode auch schon menschliche Stimmen. Er beschleunigte seinen Schritt und erblickte bald darauf ein großes Dorf. Im Versammlungshaus fand er zu seiner Freude Nsambe, den Vater.

Nsambe rief erstaunt: »Wie kommst du denn hierher!« Da erwiderte Mode: »Meine Brüder habe ich einen nach dem anderen ausgeschickt, dich zu suchen, aber bis hierher ist keiner von ihnen gelangt. Sie waren zu dumm, und Oaa, Ngi und Schok sind überhaupt nicht wiedergekommen.«

»Ich merke, dass du der beste von meinen Söhnen bist«, lobte ihn da sein Vater, »und dazu ein ganzer Mann. Du hast mich gefunden.« Dann nahm er Mode den Mais ab und gab ihn den Leuten aus seinem Dorf, dass sie ihn für den Sohn auf dem Feuer rösteten. »Ach, wie das schmeckt!« sprach Mode nun, »zu Hause haben wir gar nichts, kein Feuer, nichts. Gib uns doch Feuer, Vater.«

Nsambe antwortete: »Ich werde dir alles geben und dir erklären, wie du mit den Dingen umgehen sollst.«

Zuerst gab er Mode das Feuer. Danach rief er ihn ins Vorratshaus, nahm zwei Korbteller, füllte den einen mit Ngon, den anderen mit Erdnüssen und lehrte Mode, wie man sie anpflanzt. Anschließend gab er ihm auch die anderen nützlichen Pflanzen, Planten, Bananen, Kassava, Pfeffer und noch viele andere, und er zeigte Mode, wie er damit umgehen musste. Auch die genießbaren Waldfrüchte nannte er seinem Sohn. Doch damit nicht genug, reichte ihm Nsambe nun die Werkzeuge, unterwies ihn in allen Arten des Handwerks, lehrte ihn die Spiele und den Ringkampf. Vom Schwert sagte Nsambe: »Solch ein Schwert, wie ich es dir gebe, musst du dir auch schmieden. Beschimpft dich einer, wenn du zu dem Mädchen gehst, das du liebst, dann schlag ihn damit. Und wenn ein anderer dir dein Mädchen stiehlt, um es selbst zu heiraten, darfst du ihn töten, denn du bist im Recht. Das Schwert - Streit und Kampf - wird ewig dauern.«

Aber nicht alle Gaben Nsambes waren für den Menschen angenehm, denn er schenkte auch Dinge, die man lieber nicht schenken sollte, die Laus war von diesen üblen Geschenken Nsambes noch längst nicht das schlimmste! Viele schreckliche Krankheiten und auch Unfruchtbarkeit für manche Frauen hat Nsambe seinem Sohn ebenfalls mitgegeben.

Zum Schluss sprach Nsambe: »Und nun geh! Ngi, Oaa und Schok darfst du von nun an töten, wenn du ihnen begegnest, denn sie sind nicht mehr deine Brüder. Aber auf Küi, Ekute und Ngomwenio gib Acht, denn sie sind zwar keine richtigen Männer - aber es sind Menschen, und du musst sie als Menschen achten, du darfst sie nicht töten. Aber zu den Meinen rechne ich sie nicht. Du und sie, ihr seid verschiedener Art. Du aber musst dich vermehren und viele Kinder zeugen, die von gleichem Verstand sind wie du!«