[swahili, "Geschichte, Legende"]

Vom Manne, der die Furcht suchte

Einmal ging ein Mann aus, die Furcht zu suchen. Er fragte immerzu, was das sei: Furcht? Und er ging durch den Wald und wanderte den ganzen Tag herum und sah nichts und hörte auch nichts. So kommt er zu einem Haus und sieht, dass Menschen herauskommen. Und er fragt, ob sie ihn dort schlafen lassen würden. Sie aber sagen zu ihm: »Du willst dort schlafen? Siehst du denn nicht, dass wir alle dort herauskommen, weil man vor Angst nicht darin bleiben kann?«

»Sehr gut, die Angst suche ich ja gerade; ich werde sehen, was das ist.«

Und die Hausfrau sagt zu ihm: »Geh und koche dir ein Abendessen, wenn du Hunger hast.«

Er macht in der Küche Feuer an und stellt das Abendessen zum Kochen auf. Und aus dem Rauchfang sagt jemand zu ihm: »Ich falle.« Er antwortet ihm: »Falle!« Da fallen die Füße eines Mannes, ganz schwarz.

Nach kurzer Zeit sagt jener wieder: »Ich falle.« Und er entgegnet ihm: »Falle!« Da fällt der übrige Mann, nur der Kopf fehlt.

Darnach sagt es von neuem: »Ich falle.«

»Falle nur!« Da fällt auch der Kopf. Ein großer schwarzer Mann steht neben ihm, da wo er kocht und schweigt.

Er richtet auf dem Tisch das Abendessen an und gibt auch ihm einen Teller, aber der dreht ihn um und sägt: »Willst du essen?« Der andere schweigt. Da sagt er: »Du hast Recht. Ich habe ja auch nur für mich gekocht.« Er isst und meint: »Willst du mir beim Abwaschen helfen?« Der andere schweigt. Da sagt er zu ihm: »Du hast Recht. Wer gegessen hat, soll auch abwaschen.«

Dann nimmt er ein Spiel Karten und sagt: »Willst du spielen?« Der andere schweigt. So spielt er denn allein. Sobald seine Zeit gekommen ist, sagt der Tote zu ihm: »He, bis jetzt ist deine Zeit gewesen, jetzt kommt meine.« Er aber antwortet ihm: »So wie du mich angehört hast, will auch ich dich anhören.«

»Geh vor mir her und öffne diese Türe!« Er aber sagte zu ihm: »Wer sie geschlossen hat, soll sie auch öffnen.« Der andere sagt: »Hüte dich, denn ich werde dich fressen.« Er aber antwortet ihn: »Nicht einmal dazu bist du imstande, mich aufzuessen.«

Dann zieht jener ihn zu einer andern Tür. »Gut, öffne doch diese.« Er aber antwortet: »Wer sie geschlossen hat, wird sie auch öffnen.« Der andere sagt: »Willst du sie also nicht öffnen? Lauf, Bursche, und öffne sie! Diese musst du öffnen!« Er aber sagt: »Dir zum Trotz, ich will sie nicht öffnen!«

Der andere meint: »Gut, wenn du so bist, dass du gar keine Furcht verspürst, dann wohl dir und mir! Nun sind dir alle drei Türen geöffnet: in der ersten hast du Gold, in der zweiten Silber, in der dritten Kupfer. Und alles das gehört dir.«

Aber jetzt hat er Furcht.

Am Morgen geht er zur Tür hinaus. Da kommt der Hausherr und fragt: »Wie ist es dir ergangen?« Er antwortet: »Gut; Furcht habe ich gehabt, soviel du willst, aber sie hat sich bezahlt gemacht.« Und er zeigt ihm alles, was ihm jener gegeben hat. Da sagt der Hausherr: »Sieh, wenn du es zufrieden bist, gebe ich dir meine Tochter und dieses Haus, und ihr lebt hier zusammen.«

Und dann verheirateten sie sich und lebten in Frieden.