[swahili, "Geschichte, Legende"]

Vom Mädchen und dem Mbulu

Es war einmal eine Witwe, die hatte einen Sohn und zwei Töchter. Eines schönen Tages ging sie in ihren Garten und nahm das eine Mädchen mit. Während sie fort war, stritt sich der Junge mit seiner Schwester und tötete sie.

Im Laufe des Tages schickte die Frau das Mädchen, das bei ihr war, zur Hütte zurück, und als sie dorthin kam, berichtete ihr eine Fliege, was geschehen war. Sie wollte es nicht glauben. Dann erzählte ihr eine Maus das gleiche, aber sie glaubte immer noch nicht, dass es wahr sei. Da hieß die Fliege sie, an einer bestimmten Stelle nachzusehen, und da entdeckte sie den Kopf und die Gebeine ihrer Schwester. Als die Frau nach Hause kam und herausfand, was geschehen war, tötete sie ihren Sohn. Dann gab sie dem Mädchen einen Stock und trug ihr auf, zum Haus ihres Onkels zu gehen. Wenn sie dort sei, müsse sie mit dem Stock auf die Erde schlagen und alle Kleider und anderen Dinge, die ihr gehörten, kämen aus der Erde heraus. Die Frau sagte, dass sie jetzt ganz allein sei und sich deshalb töten wollte.

Das Mädchen war sehr traurig, tat aber, was die Mutter ihr aufgetragen hatte. Als sie ein Stück gegangen war, blickte sie sich um und sah Rauch aus der Hütte aufsteigen. Da wusste sie, dass sich ihre Mutter verbrannt hatte und nicht mehr unter der Sonne weilte.

Dann traf sie eine alte Frau, die sie anrief, aber sie achtete nicht darauf und wanderte weiter. Dicht bei einem Fluss traf sie als nächsten einen Mbulu. Der sagte, wer beim Überqueren des Flusses einen Teil seines Körpers nass mache, müsste ins Wasser gehen und baden. Das Mädchen stand am Ufer, aber der Mbulu schlug mit seinem Schwanz aufs Wasser und spritzte ihr Gesicht nass, so dass sie hineingehen und baden musste. Da nahm der Mbulu ihre Kleidung und zog sie an.

Als das Mädchen aus dem Wasser kam, bat sie um ihren Umhang, der Mbulu aber meinte: »Ich werde ihn dir geben, wenn du trocken bist.« So gingen sie zusammen weiter. Nach einer Weile bat das Mädchen wieder, und der Mbulu vertröstete sie noch einmal: »Ich werde ihn dir geben, wenn wir zu dem Dorf kommen.«

Als sie aber dort ankamen, sagte der Mbulu: »Du musst den Leuten erzählen, dass du meine Dienerin bist und ich eine Häuptlingstochter.« Das arme Mädchen hatte solche Angst, dass sie es versprach. In dem Dorf wurden sie gut empfangen, weil die Leute glaubten, dass der Mbulu eine bedeutende Frau sei. Sie wunderten sich über ihre Stimme, aber sie erzählte ihnen, sie sei krank gewesen, und der Hals wäre noch nicht wieder in Ordnung.

Nach einer gewissen Zeit heiratete ein Mann aus diesem Kraal den Mbulu, und das Mädchen wurde auf die Felder geschickt, um die Vögel aus dem Korn zu vertreiben. Immer wenn sie damit beschäftigt war, sang sie ein Lied darüber, dass ein Mbulu ihre Kleidung gestohlen hatte und sich für eine Frau ausgab, bis die Frauen, die auch auf den Feldern arbeiteten, ihrem Lied lauschten. Dann überlegten sie, wie sie herausfinden könnten, ob das Mädchen die Wahrheit singe. Sie sagten: »Der Schwanz eines Mbulus braucht Mäuse und Fett«, und sie legten Schlingen aus, um Mäuse zu fangen. In der Nacht verfolgte der Schwanz Mäuse und fing sich selbst in einer Schlinge. Der Mbulu bat den Mann, mit dem er verheiratet war, eine Medizin zu holen, weil er krank sei, und als der Mann gegangen war, nahm der Mbulu die Schlinge ab.

Da dachten die Frauen sich etwas anderes aus. Sie sagten: »Der Schwanz eines Mbulu wird nach Milch suchen.« Also gruben sie ein Loch in die Erde, gossen Milch hinein und forderten jedermann im Dorf auf, über das Loch zu springen. Der Mbulu wollte zuerst nicht, aber sie bedrängten ihn. Also versuchte er, rasch zu springen, aber sein Schwanz konnte nicht an der Milch vorbei. Als er hineintauchte, erkannten die Leute, dass das ein Mbulu war, und sie töteten ihn und begruben ihn in diesem Loch.

Und dann nahm der Mann, der mit dem Mbulu verheiratet gewesen war, das Mädchen zur Frau. Sie bekam ein Kind. Eines Tages, als es gerade spielte, kam aus der Erde, wo der Mbulu begraben war, ein viereckiger Kürbis und versuchte, das Kind zu töten. Die Leute aber hackten den Kürbis in Stücke und verbrannten ihn. Danach streuten sie die Asche in einen Fluss, so dass von diesem Mbulu kein Übel mehr kommen konnte.