[swahili, "Geschichte, Legende"]

Tanzjochen

Es gab einmal einen Burschen, der war so faul: Wenn er nicht hätte verhungern müssen, wäre ihm auch noch das Essen zu mühsam gewesen. Im Winter saß er am liebsten beim warmen Ofen; im Sommer döste er irgendwo in der Sonne, wenn gutes Wetter war, oder er lag in den Wiesen und schlief. Jeder Arbeit ging er weit aus dem Weg; aber es mochte ihn auch keiner zum Arbeiten haben, weil er so faul war. Sein Vater machte sich große Sorgen um ihn. Nur zu einem war der Bursche immer bereit: Er tanzte gern und so unermüdlich, dass er auf Tanzböden weit und breit stets als erster erschien und als letzter ging. Weil er den Namen Jochen hatte, hieß er überall der Tanzjochen. Zwar wusste jeder, dass er ein dicker Faulpelz war; dennoch tanzten die Mädchen am liebsten mit ihm, weil niemand es besser konnte als er. Einmal kam Jochen vom Tanzen heim, als die Uhr eben zwölfe schlug. Stand da plötzlich ein Männlein vor ihm, sah ihn spöttisch an und sagte: »Meinst du, du könntest tanzen? Faulenzen kannst du, aber vom Tanzen verstehst du nicht viel!« Alles durfte einer dem Jochen sagen, sogar etwas, worüber andere beleidigt gewesen wären. Aber bezweifelte man, dass er vom Tanzen etwas verstände, dann konnte er gesprächig und giftig werden. So regte sich auch jetzt die Galle in ihm, und ein hitziges Wort! wollte ihm auf die Zunge. Als das Männlein aber fortfuhr: »Komm, ich will dir einmal zeigen, wie du recht! tanzen kannst!« da wurde er wieder ruhig und ging mit. Das Männlein führte ihn in eine Grube. Hier hob es die Hände, als wolle es einen Vorhang beiseite schieben, die Grubenwand tat sich auf, und sie traten in eine große Höhle. »Hier wohne ich«, sagte das Männlein. »In diesem Dreckloch? Und hier willst du mir das Tanzen zeigen?« erwiderte Jochen. Die Wände waren rau und brauner als Torf, und auf dem Boden lag dicker mulmiger Staub, und es roch nach Moder und Fäulnis. »Ein Dreckloch nennst du meine Wohnung?« sagte das Männlein. »Du ahnst nicht, welches Geheimnis sich hier verbirgt. Gold ist, was du hier siehst, braunes Gold. Noch kennt keiner es hierzulande. In uralter Zeit wuchs hier ein Wald, und Elfen tanzten darin, bis er zusammenbrach und sie begrub. Ringsum liegen sie eingeschlossen. Nimm von dieser schwarzbraunen Erde und wirf sie zu Hause ins Feuer! Dann wirst du die Elfen befreien und freudig tanzen sehen!« Erde mitschleppen, um sie ins Feuer zu werfen? Dazu war Jochen zu faul und müde. Er wollte sich eben umdrehen und gehen, da sah ihn das Männlein so zornig an, dass es dem Burschen unheimlich wurde. Unwillig packte er einen Klumpen der schwarzbraunen Erde auf, schleppte ihn keuchend nach Hause und warf ihn dort auf den Herd ins Feuer. Wie da den Klumpen von allen Seiten Flämmchen beleckten, höher und höher sprangen, dass Funken stoben! Auf und ab, hin und her tanzten sie unermüdlich wie Elfen, die goldene Schleier schwangen. Jochen konnte sich nicht satt daran sehen. Er beobachtete dieses und jenes und wollte es beim nächsten Tanz ebenso machen. Sein Vater und seine Mutter aber dachten ans Tanzen nicht. Sie spürten, dass der Klumpen Erde viel besser wärmte als Holz, und sie überlegten, wie sie im Winter das teure Holz damit sparen könnten. Schon am nächsten Tag grub der Vater ein tiefes Loch in der Höhle und später auch auf der Erde. Er schaffte daraus soviel der braunen Klumpen in seine Hütte, wie er Platz dafür hatte. Die Nachbarn taten das gleiche, als sie das Feuer gesehen und seine große Wärme erfahren hatten. Jochen dagegen rührte keinen Finger, und als er auch weiterhin seiner Faulheit nachging, wurde er dennoch von allen gelobt, dass er die Braunkohle hergebracht hatte. Für solch einen Schatz ließen sie ihn faulenzen, solange es ihm gefallen mochte.