[swahili, "Geschichte, Legende"]

Marienlegenden Schwangerschaft

Die heilige Maria wurde, solange sie klein war, von ihren Eltern sehr behütet und umsorgt, so dass sie nicht einmal die Fliegen plagen durften. Trotz ihres jungfräulichen Lebens aber, das ihre Tugend weithin bekannt machte, fühlte sie sich, als sie größer geworden war, immer schwerer, bis sie plötzlich erkannte, dass sie schwanger war. Und da sie von früher her wusste, was das für ein Mädchen bedeute, wenn es ein Kind bekommt, versank sie in schwere Gedanken und begann zu verzweifeln. In ihrer großen Verzweiflung beschloss sie, von Hause wegzugehen und in irgendein Wasser zu springen, um der großen Schande zu entgehen, die sie erwartete.

Da erkannte Gott der Allmächtige, der alle Gedanken der Menschen schon bei ihrer Geburt sieht, auch die der Jungfrau Maria. Ohne viel zu überlegen, was zu beginnen und was zu tun sei, rief er einen Engel zu sich und sagte: »Engel, geh zur Jungfrau Maria, der Tochter des Joachim und der Anna, und vertreibe ihr die bösen Gedanken, die sie gefasst hat. Sie will sich ertränken, obwohl sie unschuldig ist; denn sie ist durch die Beschattung des Heiligen Geistes schwanger.«

»Ich gehe«, sagte der Engel, »aber was kann ich verhindern, wenn sie so fest entschlossen ist, unbedingt zugrunde zu gehen?«

»Gehe nur, wenn ich es dir sage; denn ich werde es dir eingeben, was du zu tun hast!«

Der Engel ging und begegnete der Jungfrau Maria, gerade als diese ihr Elternhaus verließ und dahin aufbrach, wo sie sich das Leben nehmen wollte. »Gut, dass ich dich treffe!« sagte der Engel, als er sich der Jungfrau näherte. »Ich danke euch!« antwortete die Jungfrau Maria. »Wohin geht ihr?« fragte der Engel. »Ich gehe, wohin mich meine Augen und meine Füße führen«, antwortete die Jungfrau Maria erregt. »Wenn ich wüsste, dass ich dir nicht zur Last falle, würde ich mit dir gehen; denn wie ich sehe, haben wir beide denselben Weg«, sagte der Engel weiter. Die Jungfrau Maria maß ihn vom Kopf bis zu den Füßen mit ihren Blicken und sagte dann: »Meinetwegen! Du kannst mitkommen, ich will dich nicht hindern!«

Und sie brachen, auf und gingen beide weiter, wussten aber nicht, wohin sie gehen sollten. Und so gingen sie einen ganzen Tag lang, ohne dass der Engel, der sie begleitete, sich darüber auch nur Gedanken gemacht hätte, wie er sie von ihrem finstern Vorhaben abhalten sollte. Und so gingen sie durch Wälder und durch Dörfer, bis die Dämmerung um sie einsetzte und die Nacht sie überfiel.

Da sagte Maria zu dem Engel, den sie für einen verzweifelten Jüngling hielt, der in die Welt gehe wie sie: »Was werden wir jetzt machen, denn die Nacht ist da?«

»Was wir machen sollen? Wir werden zu irgendeinem Manne gehen und ihn bitten, uns für diese Nacht in seinem Hause zu beherbergen. Was sollten wir sonst tun?« Und wie sie es besprochen hatten, gingen sie zu einem Mann, der zufällig in der Nähe wohnte, und als sie dort angekommen waren, baten sie ihn, er möge sie für diese Nacht in seinem Hause aufnehmen.

Der Mann, ein sehr gutherziger Mensch, empfing sie freundlich, wie man Reisende aufnimmt, und sie legten sich beide nieder. Sie schliefen bis zum Morgen, denn sie waren sehr müde von dem langen Weg, den sie gegangen waren.

In aller Frühe stand zuerst der Engel auf, wusch sein Antlitz und sprach seine Gebete. Dann nahm er einen Kessel und sagte zu dem Hausherrn: »Vater, habt ihr nicht Blumensamen, mit dem ich diesen Kessel anfüllen kann?«

»O, ich habe welchen, junger Freund, und ich will ihn dir gerne geben; weshalb sollte ich ihn dir nicht gerne geben?« Sofort ging der Mann und brachte bald darauf eine gute Faust voll verschiedener Blumensamen. Der Engel nahm sie, warf sie in das vorbereitete Kesselchen, schüttete Wasser dazu und gab alles auf das Feuer, wo er es kochen ließ, bis es genug war. Dann zog er den Kessel auf die Seite, ließ die Flüssigkeit auskühlen und schüttete ein wenig davon in einen Becher, um daraus zu trinken. Er trank einen Becher und gab auch dem Manne davon zu trinken. Der Mann konnte die Süßigkeit des Getränkes nicht genug loben.

Während der Engel das Getränk bereitet hatte, und der Becher vom Engel zum Hausherrn gegangen war, hatte die Jungfrau Maria noch tief geschlafen. Dann aber war sie aufgestanden, hatte sich gewaschen und hatte gebetet. Jetzt fragte sie: »Was treibt ihr dort, ohne mir etwas darüber zu sagen? Gib doch auch mir von dem Getränk, das ihr bereitet habt.«

»Seht, was ich gemacht habe!«, sagte der Engel, »Lebenswasser! Wenn du wünschest, geben wir auch dir davon zu trinken!« - Und während er diese Worte noch sprach, gab er ihr einen Becher von dem Lebenswasser zu trinken. Jetzt trank auch die Jungfrau Maria einen Becher voll und noch einen und noch einen und konnte das Getränk nicht genug loben, so gut und süß war es, edler als Zucker und Honig. Nach all dem bedankten sie sich bei dem Hausherrn für die Aufnahme und gingen aus dem Haus, um ihren Weg fortzusetzen.

Als sie auf den Weg hinkamen, blieb die Jungfrau Maria plötzlich stehen. Da blieb auch der Engel stehen, beide standen und wussten nicht, wohin sie gehen sollten. Endlich nach einer Zeit sagte Maria zu dem Jüngling, d.h. zu dem Engel: »Was stehst du so versonnen da und brichst nicht nach einer Richtung auf?«

»Schreite du voran!«, sagte der Engel. »Wie du bisher vor mir hergegangen bist, so gehe auch weiter!«

»Oh, ich gebe nicht weiter, ich kehre um und gehe wieder nach Hause!«

»Wenn du umkehrst, kehre auch ich um, denn es zeigt sich, dass Gott es so gewollt hat!« und sie kehrten beide um und gingen nach Hause. So wurde die Jungfrau Maria von ihrem bösen Vorhaben befreit. Das Mittel zu ihrer Rettung aber war jener süße Trank, den ihr der Engel zu trinken gegeben hatte, und den sie bis dahin noch nie in ihrem Leben gekostet hatte.