[swahili, "Geschichte, Legende"]

Schlauheit ohnegleichen

Man sagt: es war, was war; denn wenn es nicht gewesen wäre, so würde man es nicht erzählen. Es waren einmal zwei Brüder, der eine älter und steinreich, der andere jünger und so arm, dass er am Boden klebte. Der ältere hatte sich mit Gewalt alles genommen, was von den Eltern geblieben war: Grundbesitz, Vieh und Haus, alles, alles, so dass er seinem Bruder nichts, aber auch gar nichts gelassen hatte. Der ältere war verheiratet, er hatte ein reiches Mädchen genommen, und wie er denn schon vorher reich gewesen war, so war er nun wie einer von den großen Bojaren. Der jüngere diente im Dorf, bis er erwachsen war, dann verheiratete auch er sich und nahm ein Mädchen, so arm wie er, und sie zogen in ein Lehmhüttchen am Ausgang des Dorfes. Dort wohnten sie nun und arbeiteten die ganze Woche bei den andern Leuten um Bezahlung, nur abends kehrten sie in ihre Hütte zurück.

Ungefähr ein Jahr, nachdem sie geheiratet hatten, schenkte ihnen Gott ein Mädchen, so schön und lieblich, wie in sieben Dörfern keines mehr war. Als sie es tauften, beschenkten es die Taufpaten mit einem kleinen Kalb. Ihre Freude war groß, dass nun auch sie etwas hatten. Aber sie hatten auch Grund, sich zu freuen; denn beide waren sie gesund, das Mädchen war schön und gesund wie ein. Fisch aus dem Wasser und wurde von Tag zu Tag flinker und schöner; und das Kälbchen wurde in einigen Jahren, da es gut besorgt wurde, eine große Kuh, wie es keine zweite mehr im Dorfe gab. Manchmal nur waren sie nachdenklich, wenn es ihnen einfiel, dass sie keinen Grundbesitz hatten und daher immer fremde Scholle bearbeiten mussten, und wenn sie sich daran erinnerten, dass der Bruder rechtmäßigerweise auch ihnen vom väterlichen Grundbesitz hätte geben müssen. Dann aber wurden sie wieder zuversichtlich und sagten sich: Wenn wir es wert sind, wird Gott auch uns noch etwas geben. Und das Kind wuchs und gedieh prächtig: als es zwei Jahre alt war, war es wie andere von acht Jahren; als es fünf Jahre alt war, hättest du schwören mögen, dass es fünfzehn sei, und sie konnten sich nicht genug wundem, woher das kam. Aber es gefiel ihnen nicht schlecht; denn es war ihnen eine Hilfe, es arbeitete alle Arbeit mit ihnen in der gleichen Furche, und mit ihrer Hände Arbeit erwarben sie sich alles, was sie brauchten, auch Futter für die Kuh, die jetzt ein Kalb hatte und viel und dicke Milch gab.

Der Reiche hatte kein Kind.

Eines Frühjahrs beriet sich der Arme mit seiner Frau und seiner Tochter, ob sie nicht die Kuh verkaufen und ob nicht auch sie sich ein Ackerfeld kaufen sollten; denn ach! es ist schlecht, wenn man nicht sein eigenes Plätzchen hat, wo man säen kann, was man will, und ernten, was Gott gibt. Während sie so redeten, kam zu ihnen der Bruder, der Reiche, der, seit er lebte, ihre Türschwelle noch nicht überschritten hatte. »Was hat das zu bedeuten?«, dachten sie bei sich, während sie ihm einen Stuhl zum Ausruhen anboten, wie es sich für einen Reichen wie ihn schickte. »wisst ihr, weshalb ich gekommen bin?« fragte der Reiche, nachdem er sich auf einen Stuhl niedergesetzt hatte, großsprecherisch wie ein rechter Geldsack. »Wir werden, es wissen, wenn du es uns gesagt hast«, antwortet der Arme. »Nun seht«, beginnt der Reiche, »ihr habt keine Heuwiesen; die Kuh mit gekauftem Futter zu erhalten, zahlt sich für euch nicht aus, denn es reicht gerade, um das Essen für euch zu kaufen. Aber ich bin gekommen, damit wir ein Geschäft miteinander machen. Seht, ich gebe euch die Wiese dort auf den Hügeln für alle Zeiten, und ihr gebt mir dafür die Kuh, denn alle meine Kühe sind unfruchtbar geblieben, und ich schäme mich vor den Leuten, keine Milch im Hause zu haben. Was meint ihr dazu?«

Der Arme überlegte: wie gut wäre es doch, wenn auch wir eine Wiese hätten! Aber die auf den Hügeln, die uns mein Bruder anbietet, ist, scheint mir, doch zu voll von Dornen und seit Alters her, denn auch der Vater bearbeitete sie kaum, nur selten, alle fünf bis sechs Jahre einmal. Aber weil sie aus dem väterlichen Grundbesitz herstammt, möchte ich sie haben. Da sagte er: »Gut, Bruder, es sei wie du willst, aber sei so gut, gib mir deinen Pflug, damit ich sie aufackere, sobald ich die Dornsträucher und Disteln aufgerodet habe.«

»Gern«, antwortete der Reiche. »Und am Sonntag, wenn wir nicht bei andern Leuten zur Arbeit sind, sei so freundlich und gib jedem von uns eine Schale Milch von der Stelúca (denn Stelúca war der Name der Kuh, weil sie gelb war, mit einem weißen Stern auf der Stirne)«, sagte das Mädchen. »Gern«, antwortete wieder der Reiche.

Da nun das Geschäft abgeschlossen war, führte der Reiche die Kuh zu sich nach Hause; sein Bruder aber machte sich auf und ging schnurstracks mit Frau und. Tochter zur Wiese, und sie begannen zu roden: sie nahmen mit Hilfe der Äxte und Hauen die Disteln und Dornensträucher mit der ganzen Wurzel aus der Erde. In kaum zwei Wochen war die ganze Wiese geputzt wie eine Handfläche, sie brauchte nur noch geackert zu werden. Also ging der Arme zu seinem Bruder, damit er ihm den Pflug zum Ackern gebe; der aber, wie alle Geizigen, wollte ihm den nicht unentgeltlich geben, hinwieder Geld zu verlangen von seinen eigenen Bruder schämte er sich nun doch, teils weil er wusste, dass er keines hatte, teils weil er sich ihm verschuldet wusste seit dem Geschäft mit der Kuh; er wollte also nicht, und damit sollte er ihn in Frieden lassen. Auch Milch von der Stelúca gab er ihm nicht um die Welt. Aber der Arme ärgerte sich nicht weiter darüber. Er ging zu seinem Taufpaten, versprach ihm einige Arbeitstage, dieser gab ihm den Pflug mit den vier Ochsen, und in zwei Tagen pflügte er die Wiese und säte auf ihr Frühjahrsweizen.

Jetzt war der Arme froh, dass er nun auch Ackerland mit reinem Weizen hatte, seinen Acker, wo er mit seiner Frau und seiner Tochter ernten würde, seinen Weizen, den er vor seinem Häuschen zum Schober schichten würde; dort würde er ihn dreschen mit seiner Frau und seiner Tochter, von dort würde er ihn in Speicher füllen auf seinem Hausboden und würde kein Korn mehr kaufen müssen nach Maß und Scheffel. Man hätte mit ihm Hasen fangen können, so froh war er. Und jeden Tag ging er zum Ackerfeld mit Frau und Kind, und sie standen und sahen es lange an und glaubten, das Korn vor ihren Augen wachsen zu sehen; sie wagten keinen Laut von sich zu geben, damit die Saat nicht etwa erschrecke und nicht mehr weiter wachsen würde. Und es ist wahr, dass ein solches Saatfeld wie dieses auf der ganzen Gemarkung nicht mehr zu finden war; denn der Boden war gut ausgeruht, und jetzt bearbeitete ihn der Arme, wie er es gar nicht hätte besser tun können. Als die Erntezeit nahte, lachte ihm das Herz, wenn er auf sein Feld sah. Jetzt verging kein Tag mehr, ohne dass der arme Mann hinging, um es anzusehen, und jedes Mal gingen auch sein Weib und sein Kind mit.

Als er aber nahe daran war, mit dem Schnitt zu beginnen, untersagte ihm der Reiche mit dem Ortsrichter, das Saatfeld zu betreten; es sei wider die Abmachung, denn die Kuh sei nichts wert, sie gebe keine Milch. So redete er herum, und genug, er verbot ihm zu ernten und brachte ihnen die Kuh nach Hause, mager, nur Haut und Knochen, und das Kalb nur noch wie ein Hund, denn der Reiche hatte sich nicht um sie gekümmert; aus Geiz hatte er es nicht geduldet, dass ihnen ausreichende Nahrung gegeben würde. Da sagte das Mädchen: »Vater, bis zum Kaiser zu gehen, ist kleine große Sache, denn er wohnt nur im Nachbardorf; geht doch gleich zu ihm und sagt ihm, was ihr mit dem Onkel erlebt habt.«

»Ich werde gehen, Liebling, aber ich weiß gut, dass auch der Kaiser, genau wie unser Ortsrichter, zu ihm halten wird, denn auch er ist ja ein Reicher und nicht gut zu uns armen Habenichtsen.«

»Geh doch, Vater, du wirst sehen, dass es dir nicht leid tun wird.«

»Ich werde gehen; ihr aber geht auf das Feld hinaus und schneidet auf den Hügeln etwas zu essen für die arme Kuh und das Kalb; denn ihr seht doch, sie sind halbtot vor Hunger von diesem fleißigen Bruder zurückgekommen.«

Und so taten sie es auch. Sie gingen beide auf das Feld, und im Augenblick hatten sie je einen Bund Gras auf dem Kopf mitgebracht; er aber ging zu seinem Bruder, um ihn zum Kaiser zu rufen. »Gern«, sagte der Reiche, »ich bin bereit, auch zu sieben Kaisern zu gehen, damit du nur nicht behauptest, dass ich dir ein Unrecht zufüge; denn, wie ich gehört habe, nimmst du den Mund voll und sagst, ich richte dich unrechtmäßigerweise zugrunde.«

Sie machten sich auf den Weg und bald waren sie im Dorfe des Kaisers. Der Kaiser war ein junger, unverheirateter Mann, etwas leichtsinnig, wie die einen behaupteten, aber, wie die andern sagten, sehr gerecht. »Also, was bringt ihr mir für eine Neuigkeit, meine Lieben?« fragte sie der Kaiser, nachdem sie, mit dem Hut in der Hand, sich ihm genähert hatten, wie es einem Kaiser gebührt.

»Wir sind gekommen, Euer Hoheit«, begann der Reiche, »weil dieser Habenichts von einem Bettler behauptet, dass ich ihm Unrecht zufüge. Urteilt nun ihr über uns, Hoheit, denn unser Ortsrichter hat uns zwar Recht gesprochen, aber der Bettler will sich nicht an seinen Urteilsspruch halten.«

»Nun, was für einen Streitfall habt ihr denn?«

»Die Sache steht so«, begann der Reiche. »In diesem Frühjahr habe ich ihm ein Stück Wiese gegeben, auf dem er jetzt ein Saatfeld hat, das gute dreihundert wert ist, und er hat mir eine elende, kleine Kuh gegeben, die nicht dreißig Gulden wert ist. Jetzt möchte ich den Handel rückgängig machen, Euer Hoheit; er aber, der Dickschädel, will nicht. Ich habe ihm die Kuh mit dem Ortsrichter nach Hause gebracht, er aber besteht hartnäckig darauf, das Korn auf dem Acker zu schneiden, und das ganze Dorf sagt, dass das nicht recht sei.«

»Genug«, sagte der Kaiser.

Dann wendete er sich zum Armen und fragte ihn: »Weshalb behauptest du, dass das Urteil des Ortsrichters nicht gerecht sei?«

»Euer Hoheit, ich will euch haargenau sagen, wie die Sache steht. Ich und er sind Brüder. Als unsere Eltern starben, war er ein unverheirateter Bursche und ich ein Kind von acht Jahren. Er hat sich mit einem reichen Mädchen verheiratet und hat alles in Besitz genommen, was uns von den Eltern geblieben war, mich aber hat er auf die Straße geworfen. Als ich sah, wie es um mich stand, habe ich mich als Hirte verdungen, zuerst zu Gänsen, dann zu Lämmern, danach zu Kühen und Ochsen, bis ich so erwachsen war, wie ich es heute bin. Dann verheiratete ich mich. Meine Frau hatte ein Häuschen, mein Bruder aber gab mir vom väterlichen Grundbesitz und Vermögen nicht so viel, wie Schwarzes unter dem Fingernagel zu finden ist Ein Jahr, nachdem wir geheiratet hatten, schenkte uns Gott ein Mädchen. Bei ihrer Taufe beschenkte uns sein Taufpate mit einem kleinen Kalb. Ich habe es großgezogen. In diesem Frühjahr hat es gekalbt. Mein Bruder kam zu mir: ich solle es ihm geben, er gebe mir dafür eine Wiese. Die Wiese war voller Disteln und Dornen, weil sie aber zum väterlichen Boden gehörte, nahm ich sie an und gab ihm die Kuh, die dick und schön war wie eine Pfingstrose und ein Kalb unter sich hatte wie ein runder Knopf. Unsere Abmachung war, dass er mir seinen Pflug geben solle, damit ich mein Grundstück ackere, und an den Sonntagen sollte er jedem von uns eine Schale mit Milch geben, von der Kuh, die wir ihm gegeben hatten. Ich rodete mit Frau und Kind einige Wochen lang an der Wiese, bis wir sie glatt wie eine Handfläche gemacht hatten; dann bat ich meinen Bruder, mir den Pflug zu geben, er aber wollte nicht. Auch Milch von der Kuh hat er uns nicht gegeben. Euer Hoheit, ich musste im Dorf Arbeit nehmen, um einen Pflug zu bekommen und meinen Acker pflügen zu können, dann säte ich Frühjahrsweizen drauf. Gott hat sich wirklich unser erbarmt; denn der Weizen wurde sehr schön. Jetzt, als das Korn reif zum Schneiden war, nach soviel Mühe, nachdem er auch die Milch der Kuh getrunken hatte, nachdem er sie und das Kalb ausgehungert hatte, verlangt er von mir, ich solle ihm das bearbeitete Saatfeld zurückgeben, dass er nur die Sichel anzusetzen braucht. Ist das recht, Euer Hoheit?«

Der Kaiser sah sehr wohl, auf wessen Seite das Recht war, aber ich sagte euch ja schon, dass er jung und mutwillig war, so dass die Leute sagten, er sei leichtsinnig; so dachte er sich denn: Ich will einen Witz machen! Daher antwortete er ihnen: »Geht nach Hause, und morgen sollt ihr wiederkommen. Und wer von euch mir dann zu sagen weiß, was am schnellsten, was am süßesten und was am weichsten ist, dem wird für alle Zeiten die Kuh mit dem Kalb und das Kornfeld gehören.«

Die Brüder nahmen Abschied vom Kaiser und gingen nach Hause, der Reiche aufgeblasen, der Arme betrübt. Als der Reiche zu Hause ankam, fragte ihn seine Frau, wie der Kaiser Recht gesprochen habe? Der aber antwortete, man werde morgen dahin entscheiden, dass die Kuh mit dem Kalb und das Kornfeld für alle Zeiten dem gehören solle, der ihm werde sagen können, was am schnellsten, was am süßesten und was am weichsten ist. »O mein lieber Mann«, sagte die Frau des Reichen, »du wirst ihm sagen, dass am schnellsten unser Hengst, am süßesten unser zweijähriger Honig und am weichsten unser Federbett aus Leinwand ist.« Damit gab sich der Reiche zufrieden, er legte sich also nieder und schlief ruhig bis zum nächsten Tag.

Als der Arme betrübt zu Hause eintraf, fragten auch ihn die Frau und die Tochter: »Was für ein Urteil hat der Kaiser gefällt?« Er erzählte ihnen, wie und was und setzte sich in Gedanken versunken auf eine Bank. »Bekümmert euch nicht, Vater«, sagte das Mädchen, »legt euch schlafen und ruhet aus, es wird ja so kommen, wie Gott es fügt. Wir sind doch drei, wir werden doch mehr denken können als der Onkel, denn sie sind nur zwei, er und die Tante.«

Wie aber hätte der arme Mann einschlafen können? So lange die Nacht währte, drehte er sich immerzu von einer Seite auf die andere; und da er an die Fragen des Kaisers dachte, mied ihn der Schlaf wie der Teufel den Weihrauch.

Als der Morgen dämmerte, stand er auf, um seine Kuh zu füttern und dann zum Kaiser zu gehen, doch er hatte noch keine Antwort gefunden. Das Mädchen aber war schon auf den Beinen und sagte: »Vater, seid nicht betrübt! Lasst zuerst den Onkel antworten, und wenn die Reihe an euch kommt, dann sprecht so: Euer Hoheit, am schnellsten ist die Sonne, denn an einem Tag geht sie um die ganze Welt; am süßesten ist die Erde, denn sie gibt allen Früchten Süßigkeit, und am weichsten ist die Handfläche, denn auf sie legt man das Haupt, wenn man gut ausruhen will.«

Jetzt heiterte sich der arme Mann ein wenig auf. So ging er also zu seinem Bruder, und sie machten sich auf zum Dorfe des Kaisers. Als sie dort angekommen waren, fragte sie der Kaiser: »Nun, habt ihr gründlich nachgedacht?«

»Ich habe nachgedacht, Euer Hoheit«, erwiderte der Reiche. »Am schnellsten ist mein Hengst, am süßesten ist der Wabenhonig, den ich seit zwei Jahren habe, und am weichsten ist das Federbett, das meine Frau im letzten Sommer gemacht hat.«

»Was hast du dir erdacht?« sagte der Kaiser, sich zum Armen wendend; der Arme antwortete: »Ich dächte, Euer Hoheit, am schnellsten ist die Sonne, denn sie geht an einem Tag um die ganze Welt, am süßesten ist die Erde, denn sie gibt allen Früchten Süßigkeit, und am weichsten ist unsere Hand, denn sie legen wir uns unter den Kopf, wenn wir besser ruhen wollen.«

»Recht hast du!«, sagte der Kaiser lächelnd, »dir gehört für alle Zeiten das Kornfeld und die Kuh mit dem Kalb. Jetzt aber sage mir, wer hat dich das gelehrt?«

»Meine Tochter, erhabener Kaiser.«

Als der Reiche die Antworten seines Bruders und das Urteil des Kaisers hörte, wollte ihn das Fieber packen vor Neid, daher beeilte er sich so nach Hause zu kommen, dass er sich nicht einmal verabschiedete. Als der Kaiser aber hörte, dass das Mädchen den Armen gelehrt hatte, was er antworten solle, sagte er ihm, er solle ein wenig warten, denn er wolle ihm etwas geben. Bald kam er mit einem Hanfbüschel in der Hand zurück und sagte: »Nimm dieses Hanfbüschel deiner Tochter mit und sage ihr, sie solle es spinnen und weben; und morgen komme wieder mit der Leinwand für ein Hemd, die sie daraus gewebt hat, als Dank für das Urteil, das ich zu deinen Gunsten gefällt habe.«

Als der Mann nach Hause kam und der Frau und dem Mädchen den Spruch des Kaisers mitteilte, freuten sie sich; als er aber unter dem Hosenriemen das Hanfbüschel hervorzog und ihnen den Befehl des Kaisers ausrichtete, wurde die Alte traurig, das Mädchen aber lachte schallend und sagte: »Der Kuckuck soll den Kaiser holen, ihm gefällt es, Witze zu machen!« Dann ging sie hinaus und brachte eine Haselrute so dick wie der Finger und sagte: »Vater, geh, bitte, zum Kaiser und sage ihm, dass ich ihn bitten ließe, er solle mir aus dieser Haselrute einen Spinnrocken, eine Spindel, einen Haspel, eine Weife, einen Webstuhl und ein Spulrad machen, denn wir hätten alles dies nicht; dann würde ich seinen Befehl ausführen.«

»Oh, dass dich das Glück schlage, Mädchen, was fällt dir ein; wenn sieh nun der Kaiser darüber erzürnt?«

»Fürchte dich nicht, Vater, geh nur und sage es ihm so, wie ich es dir gesagt habe.«

Und unser Mann ging und sagte es dem Kaiser genau so, und der Kaiser wollte sterben vor Lachen und sprach: »Du hast eine tüchtige Tochter, Mann, man sieht, dass es die deine ist. Weil sie mir eine sehr richtige Antwort gegeben hat, und weil du noch oft wirst zu mir kommen müssen, nimm dir eins der Pferde aus meinem Gestüt, welches du haben willst, damit du hin und her reiten kannst, und dann komm wieder zu mir.« Der Mann tat es, ging in das Gestüt, wählte sich ein Pferd, bestieg es, dann trat er wieder vor den Kaiser und fragte: »Welchen Befehl gebt ihr mir?« Der Kaiser aber gab ihm einen zerbrochenen Topf und sprach: »Nimm ihn deiner Tochter mit und sage ihr, sie soll ihn flicken, damit ich sehen kann, wie sie zu nähen versteht; denn im Spinnen und Weben ist sie, wie ich sehe, Meisterin. Nachher bringst du ihn mir sofort zurück.« Der Mann ritt geradeswegs nach Hause, als er aber kaum den Hof betreten hatte, begegnete er dem Mädchen, das eben aus dem Hause trat. »Was bringst du mir, Vater?«

»Liebling, ich bringe dir vom Kaiser einen Topf, den du ihm wieder zusammennähen sollst.«

»Dann steige gar nicht erst vom Pferd, reite schnell zurück und sage ihm, er solle so freundlich sein, mir zuerst den Topf umzuwenden, denn Flicken näht man nicht auf die Vorderseite auf.«

So machte es der Mann. Diese Antwort aber gefiel dem Kaiser so gut, dass er dem Mann eine Handvoll Gulden gab, damit er sie dem Mädchen überbringe; und er gab ihm auch einen Stein mit den Worten: »Trage diesen Stein zu deiner Tochter, sie soll ihn abhäuten und zum Abendessen braten; denn ich will zu euch zum Nachtmahl kommen.«

Nun ritt der Mann wieder im Galopp nach Hause, gab die Gulden dem Mädchen und sagte ihm, dass dieses die Belohnung des Kaisers sei für den geflickten Topf, dann richtete er ihr aus, dass der Kaiser am Abend bei ihnen speisen werde, sie aber müsse den Stein abhäuten und braten. »Dann gibt es nichts zu warten, Vater, du musst sofort zurück reiten, er möge so freundlich sein und den Stein abstechen, denn er habe ihn uns ungeschlachtet geschickt, und ich verstehe mich nicht aufs Schlachten.«

Nun mussten sie alle drei loslachen, der Mann aber, als der vernünftigste, sprach: »Ihr passt zueinander, ihr beiden närrischen Menschen, dazu seid ihr gut, mich diesen Weg auf dem Pferde hin und her reiten zu lassen. Aber euch zuliebe reite ich gern.« Mit diesen Worten schlug er wieder den Weg zum Kaiser ein. Der Kaiser stand vor dem Tor, und als er ihn so schnell kommen sah, fragte er: »Was gibt es denn, Mann, ist das Essen schon fertig?«

»Es ist nicht fertig, Euer Hoheit, denn meine Tochter versteht sich nicht aufs Schlachten; sie bittet euch schön, ihr diesen Stein abzustechen, dann möget ihr zum Nachtmahl kommen.«

Die Antwort gefiel dem Kaiser so sehr, dass er laut auflachte und sagte: »Mann, du warst arm, aber ich will dich zu einem reichen Wirt machen. Geh auf meinen Meierhof und nimm dir einen Wagen mit einem Paar Ochsen, das dir gefällt, und nimm dir von dort Pflug und Egge, damit du nicht mehr im Dorfe betteln musst.«

Der Mann bedankte sich, so schön er konnte, dann ging er zum kaiserlichen Meierhof und wählte sich ein Paar Ochsen aus, einen Wagen, Pflug und Egge, dann brach er nach Hause auf, vom Pferde aus die Ochsen antreibend. Als er ins Dorf kam, sah ihn sein Bruder und wurde fast verrückt vor Neid, weil ihn der Kaiser mit solchem Reichtum ausgestattet hatte, die andern Leute aus dem Dorf aber sagten: »Wie gut hat es doch Gott gefügt, dass er seine Not losgeworden ist; denn er ist von seinem Bruder genug übervorteilt und verhöhnt worden.«

Am nächsten Tag ging er auch zum Kornschneiden wie ein richtiger Hauswirt. Er spannte die Ochsen vor den Wagen, seine Frau hob er auf den Wagen, seine Tochter trieb die Kuh vor sich her und das Pferd führte er am Zügel. Alle waren guter Laune. Zuerst mähten sie auf dem Hügel einen Arm voll Gras für das Vieh, dann ging es ans Kornschneiden. Die Frauen schnitten, er band die Garben und stellte sie in Reihen in die Sonne, dass die Sonnenstrahlen die Ähren treffen und trocknen konnten; sie sehnten sich nach dem Brot ans eigenem Korn, denn bisher hatten sie immer von gekaufter Frucht gelebt. Nachdem sie ein gutes Stück abgeerntet hatten, sammelten sie die Garben an einer Stelle und ließen das Vieh auf dem Stoppelfeld frei; denn Vieh und Feld gehörte ja ihnen und sie brauchten niemand zu fürchten. Sie schnitten weiter und legten es in Haufen, dann fuhren sie das Korn auf ihrem Wagen mit ihren Ochsen vor ihr Haus und machten dort einen Kornschober, größer noch als ihr Häuschen.

Alle Leute im Dorf freuten sich über die Gottesgabe, die dem Armen zugefallen war, nur einer war darüber tödlich gekränkt, und das war der Geldsack des Dorfes, der Bruder.

Nicht lange danach begab es sich, dass es dem Kaiser durch den Kopf fuhr, es sei nun doch an der Zeit, dass er sich verheirate; und wirklich war seine Zeit gekommen, denn sein Schnurrbart hatte zu sprießen begonnen. Aber wen sollte er nehmen? Ein alter, weiser Ratgeber, den er bei Hofe hatte, sagte ihm: »Euer Hoheit, geht nicht ihr den Mädchen nach, Lasst die Mädchen euch nachgehen; geht nicht selbst werben, Lasst sie um euch werben, wenn sie Kaiserinnen werden wollen, geht keinen Schritt aus eurem Hause, sondern Lasst sie herkommen und wählt euch die, von der ihr glaubt, dass sie für euch geeignet ist.«

»Woher soll ich denn wissen, welche die beste für mich ist? Denn welche gut sind, das weiß Gott allein, welche schön sind, sieht auch der Mensch.«

»So ist es, Euer Hoheit, wir aber meinen, dass die klügste die bessere für euch wäre.«

»Aber woher kann ich wissen, welche die klügste ist?«

»Woher? Ihr müsst befehlen, dass, wer Kaiserin werden will, an euren Hof kommen solle, beritten und zu Fuß, auf dem Wege und ohne Weg, bekleidet und unbekleidet, mit Geschenk und ohne Geschenk.«

»Ist das denn möglich?«

»Wer Kaiserin werden will, soll sich den Kopf zerbrechen!«

Der Kaiser handelte, wie ihn seine Minister berieten. Er schickte Briefe in alle Landesteile und Ankündigungen in alle Städte, dass er sich vermählen wolle, und dass er das Mädchen zum Weibe nehmen wolle, das am bestimmten Tage bei ihm erscheinen werde, sowohl beritten wie zu Fuß, bekleidet wie unbekleidet, auf dem Wege wie ohne Weg, mit Geschenk wie ohne Geschenk.

Die Töchter der Könige und der Kaiser, der Grafen und der Barone zerbrachen sich sehr den Kopf, wie sie nach dem Wunsche des Kaisers zu ihm gehen könnten, aber umsonst, keine fand es heraus. Die Nachricht verbreitete sich auch auf: den Dörfern unter den gemeinen Leuten; denn der Pfarrer hatte es in der Kirche kundgetan und der Ortsrichter nach dem Kirchgang. Aber auch unter ihnen fand sich kein Mädchen, das sieh ein Herz gefasst hätte, um zum Kaiser werben zu gehen; gefunden hätte es sich wohl, aber der Jammer war, dass es nicht wusste, wie es dort erscheinen sollte.

Die Nachricht war auch zu unserm Mann gelangt, und er sagte zu Hause im Scherz, man sehe, dieser leichtsinnige Kaiser wolle nicht einmal heiraten wie andere Menschen, sondern auch auf seine besondere Weise. Dann fügte er hinzu: »Du, Mädchen, würdest zu ihm passen, denn ihr seid beide von gleicher Art.« Das Mädchen aber sagte: »Du würdest also Schwiegervater des Kaisers werden wollen? Gut, dann soll es so sein, wenn es dich danach verlangt - wir wollen es versuchen, denn es ist keine schwere Sache.«

»Du, Mädchen, bleib hier, zünde nicht Stroh auf deinem Kopf an; denn das ist nicht so leicht, wie du es dir vorstellst!« - So rieten ihr Vater und Mutter, doch sie, wie es nun einmal ihre Art war, konnte kaum den festgesetzten Tag erwarten.

Am frühen Morgen kleidete sie sich in ein Fischnetz, fing einen Vogel und tat ihn zwischen zwei Schüsseln, dann setzte sie sich auf einen Hasen und machte sich auf den Weg, immer auf der Spur eines Rades. Als sie beim Kaiser ankam, bewunderten alle das Mädchen, denn es war schön, dass sie der Kuckuck holen soll und war gewitzigt wie keine andere.

Als der Kaiser sie im Hofe sah, sagte er: »Gebt acht, dieses muss das Mädchen sein, das mir damals sagen ließ, ich solle den Topf umwenden.«

»Glücklich bei euch angekommen!« rief das Mädchen und näherte sich dem Kaiser und seinen Höflingen, die alle zur Beratung bei Hof versammelt waren. - »Sei guten Muts!« antwortete der Kaiser. »Wie aber bist du zu uns gelangt?«

»Wie ihr mich seht, mit grünen Augen« erwiderte das Mädchen. »Und woher bist du?« fragte sie der Kaiser. »Aus einem Dorf mit Menschen, erhabener Kaiser, die Straße geht bei uns vorüber, und das Haus des Nachbarn steht neben dem unsern.«

»Bist du in Heiratsabsichten gekommen?« fragte der Kaiser. »Nein, ich bin in meinem Hemd gekommen.«

Und der Kaiser betrachtete sie aufmerksam und sah, dass sie schön und klug war und dass sie in allem so erschienen war, wie er es befohlen hatte. Noch wusste er aber nicht, was zwischen den Schüsseln war. Deshalb fragte er: »Hast du mir ein Geschenk gebracht? Lass es mich sehen!« Das Mädchen stellte die Schüsseln hin und hob die obere ab, da flog: sbrr! ein Sperling dem Kaiser ins Gesicht. Der erschrak und sprang auf, da fielen die Schüsseln zu Boden und zerbrachen in viele Scherben, jetzt hättet ihr das Lachen hören sollen! Man konnte meinen, es würde nicht mehr aufhören. Dem Kaiser gefiel das Mädchen sehr, daher setzte er sie in eine Kalesche mit vier Pferden und schickte sie nach Hause zu ihren Eltern, indem er ihr sagte, sie solle sich für die Hochzeit vorbereiten, doch müsse sie sich merken, er heirate sie nur, wenn sie sich in aller Ewigkeit nicht in seine Urteilssprüche einmischen werde; in der Minute aber, in der sie sich einmische, werde er sie nach Hause zu ihrem Vater schicken. »Gut, so soll es sein«, antwortete das Mädchen, »wenn es mir aber einmal widerfahren sollte, dass ich mich doch in eure Gerichtsverhandlungen einmische, und es sein sollte, dass ihr mich meinen Eltern zurückschickt, Lasst mich alles das mitnehmen, was ich mit meinen Armen umspannen kann.«

»Gern«, sagte der Kaiser, und der Vertrag war geschlossen. Dann fuhr das Mädchen im Wagen des Kaisers nach Hause und bereitete die Hochzeit vor. Die Freude der Eltern, dass ihr Mädchen Kaiserin wird, die Freude der Dorfbewohner, dass der erhabene Kaiser ein Mädchen von ihnen zum Weibe nehmen und ihnen ein Festmahl bereiten werde, wie sie es noch nie erlebt hatten, und der Ärger des Reichen über die Freude und das Glück, das seinem Bruder widerfahren war!

Und es wurde eine große und berühmte Hochzeit gefeiert, so dass die Nachricht und die Erzählungen davon bis in das siebente Dorf drangen, und nach der Hochzeit verlebten der Kaiser und die Kaiserin viele gute Tage.

Einmal aber kamen zum Kaiser zwei Männer, damit er ihnen Recht spreche, und als sie vor ihn traten, fragte sie der Kaiser: »Was für einen Streitfall habt ihr?« Da begann der eine: »Seht, Eure Hoheit! Ich bin zur Mühle gefahren mit einem Wagen und zwei Ochsen, dieser Mann hier ist auch zur Mühle gekommen mit einer Stute, die mit einem Sack Hirse beladen war. Über Nacht brachte mein Wagen ein Füllen zur Welt, ich fand es am Morgen unter meinem Wagen liegen. Der Mann aber sagt, das Füllen gehöre ihm, obgleich ich genau weiß, dass er nur mit einer Stute ohne Füllen gekommen war. Das Füllen kann, da ich es unter meinem Wagen gefunden habe, nur mein sein, denn nur mein Wagen kann es zur Welt gebracht haben; der Mann aber ist dumm und versteht das nicht.«

»Was hast du zu erwidern?« fragte der Kaiser den andern. »Erhabener Kaiser, was soll ich sagen? Nur wie es gewesen ist: Ich bin mit einem Sack voll Hirse, der auf die Stute aufgeladen war, zur Mühle gegangen. Der Bauer war bei der Mühle mit einem Wagen samt zwei Ochsen, so groß wie er. Ich habe die Stute an seinen Wagen angebunden, solange ich mahlte. Über Nacht brachte meine Stute ein Junges zur Welt, und das Füllen legte sich unter seinen Wagen. Jetzt sagt er, es sei sein; ist so etwas denn möglich?«

Die Kaiserin war auch dort, als die Männer ihre Klage vorbrachten. Jetzt konnte sie nicht schweigen, sondern antwortete, als der Zweite geendet hatte: »Wie sollte denn der Wagen nicht Junge zur Welt bringen können? Wie ist es doch einmal einem ergangen? Er ging Pfeife rauchend neben dem Wasser, da fiel ihm die Glut aus der Pfeife ins Wasser, das Wasser aber fing Feuer, und die Fische flohen mit Feuer auf dem Rücken.« Da sagte der Erste, der glaubte, dass die Kaiserin sich auf seine Seite stelle, und nicht begriff, dass sie ihn zum Narren hielt: »Das ist wahr, Euer Hoheit, ich habe es auch gesehen.«

Da begannen alle Anwesenden zu lachen, der Kaiser aber fällte seinen Spruch: »Geht beide in zwei verschiedene Richtungen, du mit deinem Wagen in diese, du mit deiner Stute in die andere Richtung; hinter wem das Füllen her läuft, dem soll es gehören.«

Wisst ihr nun, hinter wem das Füllen hergelaufen ist: hinter dem Ochsenwagen des einen oder hinter der Stute des andern?

Aber mit der Kaiserin stand es schlecht, denn der Kaiser berief einen Rat, der die Kaiserin richten sollte, weil sie sich in seine Rechtsprechung eingemischt hatte. Und der Rat entschied, dass er die Kaiserin nach Hause zu ihren Eltern schicken müsse. Sie glaubten, sie werde sehr betrübt sein. Aber es war nicht so. Sie war frohen Mutes wie bisher. Da ging der Kaiser zur Kaiserin und sagte: »Meine Liebe, du hast die Abmachung, die wir geschlossen haben, als wir uns heirateten, übertreten. Du hast dich in meine Rechtssprüche eingemischt, deshalb musst du heimgehen, zu den Deinen.«

»Gern«, antwortete die Kaiserin, »aber wir haben ein Übereinkommen geschlossen, dass ich mit mir nehmen dürfe, was ich in meinen Armen werde tragen können.«

»So ist es«, sagte der Kaiser, »was du im Arm tragen kannst, gehört dir. Nimm, was du willst, steige in die Kalesche und gute Reise!«

Da schürzte sich die Kaiserin, nahm den Kaiser auf den Arm und hob ihn in den Wagen, dann stieg auch sie schnell auf, und die Pferde zogen an.

Die Höflinge starben fast vor Lachen, der Kaiser aber sagte: »Nur Haue und Schaufel trennen uns voneinander!« Sie machten dann eine Spazierfahrt, mit dem Wagen bis zu den Schwiegereltern, kehrten auch gleich um und lebten nun ungetrennt und in Frieden, bis sie Haue und Schaufel, voneinander trennten. So gerechte Richtersprüche wie zu ihrer Zeit hat man niemals erlebt, solange die Welt steht, und oft sagten ihre Untertanen: »Unsere Kaiserin ist doch unvergleichlich schlau.«