[swahili, "Geschichte, Legende"]

Olivella Flower und die Geistwesen

Im Dorf der grünen Mais-Kiva lebten Olivella Flower und das Gelbe Mais-Mädchen. Olivella ging jeden Tag auf die Jagd und brachte immer ein Reh mit heim. Er war ein guter Junge, er dachte nie an etwas Böses. Der alten Spinnengroßmutter, dem Büffel und dem Reh gab er Gebetsstöcke, damit sie ihm helfen sollten, das auszuführen, was ihm im Sinn stand. Er bat sie jeden Morgen um Hilfe. Also halfen sie. Er tötete ein oder zwei Rehe jeden Tag. Da wurden die Geistwesen zornig. Also riefen sie alle der Ihren zusammen. Sie sprachen:

»Dieser Olivella nimmt sich an Fleisch, was er will, und den Rest wirft er fort. Er meint wohl, so ein Reh sei nichts wert. Wir müssen etwas dagegen unternehmen. Ihr jungen Burschen hier, wer von euch will Olivella Flower töten ?«

»Ich werde ihn töten«, sagte da einer, »ich werde ein großes Reh zaubern. Ihr müsst nur heute nacht etwas Schnee machen. Dann schicke ich jemanden zu Olivella. Der soll ihm ausrichten, da stehe Wild.«

Es war der Coyote, der diesen Einfall unter den Geistwesen hatte. Was er vorgeschlagen hatte, geschah. Dieses Geistwesen machte ein großes Reh draußen vor dem Dorf. Es gab da einen Steinschrein, und das Reh sprang nahe davon herum.

Dann ließ das Geistwesen jemanden zu Olivella Flower gehen. Man weckte ihn und erzählte ihm von dem Wild. Flower zog sich an, nahm Pfeil und Bogen und ging zu der Stelle hin. Er sah dort das Reh springen. Es war ein großes Reh. Er verfolgte es.

Da sprach die alte Spinnenfrau ihn an: »Olivella Flower«, sagte sie, »auf was jagst du da?« »Ich jage ein Reh.«

»Das ist kein Reh«, antwortete sie. »Es gibt da Geistwesen, die dich verfolgen. Sie sind wütend auf dich und stellen dir nach. Hör auf mich. Sie sind darauf aus, dich zu töten. Was aber das Reh angeht, so fange es.« Sie gab ihm eine Medizin. »Verfolge es, den kleinen Abhang hinab und dann noch über drei Abhänge hin. Dann sprenge Medizin auf seine Spuren, spritze etwas von der Medizin über dich und deine Hände.«

Tatsächlich brach am vierten Hügel das Reh, als er es verfolgt und getan hatte, wie sie ihm geheißen, zusammen. Es konnte nicht mehr laufen. Er schoss einen Pfeil auf das Tier ab.

Da sprach das Reh:

»0 weh, älterer Bruder Olivella Flower, du hast mehr magische Kräfte als wir. Es geht mir schlecht. Ich sterbe fast, aber ich kann nicht sterben, töte mich.« Und Olivella Flower tötete es.

Die Geistwesen hatten ein Feuer in ihrer Kiva. Sie warteten auf Olivella Flower. Sie hatten vor, ihn zu töten. Aber nun kam er mit dem Reh daher. Da hieß die alte Spinnenfrau Olivella Flower das Reh in die Kiva tragen und es dort ablegen. So geschah es. Sie dachten, jemand bringe Olivella Flower, aber er sprach zu ihnen:

»Ich bringe euch ein Reh«, und warf ihnen das Tier hin.

Da schalten sie mit ihrem Häuptling und riefen: »Olivella Flower hat dich geschlagen.«

»Es gibt noch viele gute Jungen hier bei uns. Ich werde Olivella Flower töten. Haltet euch bereit. Ich mache einen Berglöwen. Niemand kann es mit einem Berglöwen aufnehmen«, sagte der Häuptling.

Er hieß den Coyoten etwas Schnee zu zaubern. Als der Coyote den Schnee rief, kam dieser auch.

Ein anderer Junge von den Geistwesen ging, klopfte bei Olivella Flower an die Tür und sprach: »Guten Morgen, älterer Bruder. Ein Berglöwe ist hier vorbeigekommen.«

»Gut«, erwiderte Flower, »dann werde ich ihn fangen und eine Bettdecke aus seiner Haut machen.« Er griff sich Pfeil und Bogen und ging hin.

Und wieder redete die alte Spinnenfrau mit ihm: »Olivella Flower, was hast du vor?«

»Ich stelle einem Berglöwen nach«, sagte er .

»Das ist kein Berglöwe, das ist ein Geistwesen.«

Also gab sie ihm abermals eine Medizin für den Puma. »Wie du es mit dem Reh gemacht hast, so mach es auch mit dem Puma. Sprüh Medizin auf die Spuren und auf deinen Körper. Geh über zwei Hügel, sprüh dann abermals Medizin auf die Spur .«

Das tat er. Als er zum dritten Hügel kam, lagen da ein paar Stangen. Der Puma wandte sich um und stolperte.

Der Puma sagte: »Du hast mehr Zauberkraft, als wir sie aufbringen. Töte mich.«

Olivella erschoss ihn, als es dunkel wurde, und trug ihn dann heim. Die Geistwesen saßen wieder in der Kiva zusammen. Sie sprachen untereinander:

»Merkwürdig, dieser Puma müsste schon längst da sein. Vielleicht wartet er, bis es dunkel wird. Dieser Puma wird ihn töten.«

Da betrat Olivella mit dem Kadaver die Kiva. »Hier bringe ich wieder einmal ein Reh«, sagte er und warf seine Jagdbeute auf den Boden.

Sie schimpften untereinander. »Ich mache ein Kaninchen«, sagte endlich einer. Er forderte den Coyoten auf, den Schnee zu rufen. Dieses Kaninchen hoppelte nahe an Olivellas Haus vorbei. Eines von diesen Geistwesen klopfte wieder an Olivellas Tür und machte ihn darauf aufmerksam.

»Ich werde es fangen«, rief Olivella Flower, »dann haben wir Kaninchenfleisch.« Also zog er sich an und rannte dem Kaninchen nach.

Als er so lief, sprach die alte Spinnenfrau zu ihm: »Olivella Flower, wem jagst du nach ?«

»Einem Kaninchen.«

»Das ist kein Kaninchen. Das ist ein Geistwesen. Ich werde dir helfen. Wir müssen dir helfen, weil auch du uns nie vergessen hast. Komm, ich gebe dir wieder eine Medizin.«

Sie gab Olivella Flower Bienen und Hummeln und sagte: »Wenn du in Bedrängnis gerätst, dann lasse sie frei. Die Großen unter ihnen werden dir nicht viel helfen. Lass, wenn sie es nicht schaffen, die Kleinen los.«

Also tat er sie in ein Stück Tuch und steckte dies in den Gürtel. Danach verfolgte er das Kaninchen. Es gab da eine Spalte im großen Hügel, und dort hinein sprang das Kaninchen. Olivella Flower schaute in den Spalt. Er sah nicht sehr weit. Er griff mit der Hand hinein. Da zog ihn das Kaninchen herein. Er saß fest. Dann erinnerte er sich an die Bienen. Er holte sie heraus.

»Helft mir«, sagte er. Die Bienen kamen. Sie summten herum, aber sie konnten nicht viel ausrichten. Sie wurden rasch müde. Da packte er sie wieder ein und steckte sie in seinen Gürtel. Jetzt holte er die kleinen Bienen heraus. Er sprach: »Wie ein Mann sollt ihr mir helfen.«

Sie machten großen Lärm. Sie trieben das Kaninchen hinaus. Sie stachen es am ganzen Leib, im Mund und in den Ohren. Dann gelang es Olivella, das Kaninchen zu fangen. Er fing nun auch die kleinen Bienen wieder ein. Er nahm das Kaninchen und trug es in das Haus der Spinnenfrau.

»Guten Abend. Sie haben mir geholfen«, sagte er, »ich habe das Kaninchen gefangen. Hier bringe ich es. Ich bin froh, dass du mir geholfen hast.«

Die alte Spinnenfrau sprach:

»Weil du an uns geglaubt hast und immer Gebetsstöcke für uns machst, deren Federn aus unseren Kleidern stammen, helfen wir dir auch. Vergiss uns nicht. Die Geistwesen können dir nichts mehr anhaben.«

Olivella Flower ging zur Kiva.

»Hier bringe ich euch wieder einmal ein Reh«, sagte er und warf das Kaninchen hinab. Als die Geistwesen den Kaninchenkadaver sahen, versuchten sie nicht länger, sich an Olivella heranzumachen und ihn zu töten.