[swahili, "Geschichte, Legende"]

Katzenfell

Es war einmal ein kleines Mädchen, das war, als es zur Welt kam, recht unerwünscht. Sein Vater hatte sich lange schon nach einem Sohn und Erben gesehnt, und weil ihm eine Tochter geboren wurde, packte ihn ein schrecklicher Zorn. »Nicht lange soll sie in meinem Haus bleiben!« rief er. Die Mutter aber war darüber sehr traurig, denn sie fürchtete, dass das Kind unter dem Hass seines Vaters leiden könnte. Darum gab sie es zu einer Frau in Pflege, die in der Nähe eines großen Eichenwaldes wohnte. Dort lebte die Kleine, bis sie fünfzehn Jahre alt war. Dann starb die Pflegemutter. Vor ihrem Tod rief sie das Mädchen noch einmal zu sich ans Bett und riet ihm, seine hübschen weißen Kleider im Wald neben dem kristallklaren Wasserfall zu verstecken. Die alte Frau reichte dem Mädchen ein Kleid aus Katzenfell. Das sollte sie anlegen und weit weg in die Stadt ziehen, um sich eine Stelle als Magd zu suchen.

Katzenfell, so nannte sie sich jetzt, tat, wie ihr die Pflegemutter geraten hatte, und begab sich alsbald auf die Reise. Einen weiten Weg musste sie zurücklegen, bevor sie in die Stadt und zu einem großen, vornehmen Haus gelangte. Sie klopfte ans Tor und fragte den Torwächter, ob man nicht eine Magd brauche. Er schickte sie ins Haus, wo sie mit der Hausherrin sprechen sollte. Die sah das arme Mädchen eindringlich an, strich ihm über den Kopf und sagte endlich: »Wenn du willst, meine liebe Kleine, kannst du in der Küche das Geschirr abwaschen. So leid es mir tut, eine bessere Stelle habe ich für dich nicht.«

Nun unterstand Katzenfell der Köchin, und die machte ihr das Leben sauer. Denn wenn die Frau sich über etwas ärgerte, nahm sie einen Kochlöffel und zerbrach ihn auf Katzenfells Kopf. Doch es verstrich die Zeit, und eines Tages sollte in der Stadt ein großer Ball gegeben werden. »Oh, Frau Köchin«, bat Katzenfell, »wie gern möchte ich zum Ball gehen.«

»Geh du nur hin in deinem Katzenfell unter all die feinen Damen und Herren, du schmutziges Ding! Eine schöne Bescherung wäre das!« Und sie nahm eine Schüssel voll Wasser und goss es dem armen Mädchen ins Gesicht. Katzenfell aber schüttelte sich nur, hielt die Ohren steif und ging zu ihrem Versteck im Wald. Am kristallklaren Wasserfall wusch sie sich von Kopf bis Fuß, zog eines ihrer schönen Kleider an und eilte zum Fest.

Als sie den Saal betrat, verstummten die Damen, so sehr staunten sie über Katzenfells Schönheit. Der Vornehmste von allen aber, der junge Herr des Hauses, in dem sie als Magd diente, verliebte sich sofort in sie. Er bat sie, mit ihm zu tanzen. Und mit einem Lächeln willigte Katzenfell ein. Den ganzen Abend lang tanzte er nur mit ihr und mit keiner andern. »Bitte, mein schönes Mädchen«, sagte er, als die Abschiedsstunde gekommen war, »verrat mir doch, wo du wohnst.« Katzenfell antwortete mit dem Sprüchlein: »Edler Herr, die Wahrheit sage ich Euch schon,
Im Zeichen der Schüssel mit Wasser ich wohn.«
Dann eilte sie aus dem Ballsaal, legte wieder ihr Fellgewand an und schlüpfte in die Küche, ohne dass die Köchin sie bemerkte. Die hatte sich auch gar keine Gedanken darüber gemacht, wo ihre Küchenmagd den Abend über gewesen war.

Am nächsten Tag sagte der junge Edelmann zu seiner Mutter, er werde nicht eher ruhen, bis er wüsste, wer das schöne Mädchen war und wo es wohnte. Die Zeit verstrich, und ein zweites Fest sollte in der Stadt gegeben werden. Als Katzenfell es erfuhr, bat sie: »Frau Köchin, o liebe Frau Köchin, wie gern möchte ich zum Ball gehen!«

»Geh du nur in deinem Katzenfell unter all die feinen Damen und Herren, du schmutziges Ding! Eine schöne Bescherung wäre das.« Und im Zorn nahm sie den Kochlöffel und versetzte dem armen Mädchen einen Schlag auf den Kopf. Doch Katzenfell machte sich nichts draus, hielt die Ohren steif und lief in den Wald. Am kristallklaren Wasserfall wusch sie sich von Kopf bis Fuß, legte ein noch schöneres Kleid an und eilte zum Fest.

An der Tür zum Ballsaal stand schon der junge Edelmann und wartete. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als Katzenfeil wieder zu treffen. Als sie kam, bat er sie, mit ihm zu tanzen, und sie sagte »Ja« dazu, mit demselben lächelnden Blick wie beim ersten Mal. Die ganze Nacht hindurch tanzte er nur mit ihr und mit keiner andern. »Bitte, verrat mir doch, wo du wohnst«, sprach er, als die Zeit zum Abschiednehmen gekommen war. Aber Katzenfell antwortete nur mit dem Sprüchlein: »Edler Herr, die Wahrheit sage ich Euch schon,
im Zeichen des zerbrochenen Kochlöffels ich wohn.«
Damit floh sie aus dem Saal, legte unter den dunklen Eichen ihr Kleid aus Katzenfell an und schlüpfte in die Küche, ohne dass die Köchin sie bemerkte.

Nun aber sollte der größte Ball des Jahres in der Stadt gegeben werden. Als Katzenfell das hörte, war sie genauso entschlossen wie die beiden Male zuvor: Hingehen musste sie, ob die Köchin es erlaubte oder nicht. »Frau Köchin«, sprach Katzenfell am Abend zu ihr, »habt Ihr von dem großen Ball gehört? Ach, wie gern möchte ich hingehen.«

»Da willst du hin?« entgegnete die Köchin, »mit deinem Katzenfell, du unverschämtes Ding, unter all die feinen Damen und Herren. Eine schöne Bescherung wäre das!« Zornig griff sie nach der Schöpfkelle und zerbrach sie auf Katzenfells Kopf. Aber flink wie immer lief Katzenfell zum Eichenwald, und dort am kristallklaren Wasserfall wusch sie sich von Kopf bis Fuß, legte ihr schönstes Kleid an und eilte zum Fest.

An der Tür zum Ballsaal stand schon der junge Edelmann in einem samtenen Mantel und wartete. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als Katzenfell wieder zu treffen. Als er sie bat, mit ihm zu tanzen, stimmte sie lächelnd zu, und er tanzte die ganze Nacht hindurch nur mit ihr und mit keiner andern. »Bitte, mein schönes Mädchen, verrat mir doch, wo du wohnst«, sprach er, als die Zeit zum Abschiednehmen gekommen war. Katzenfell aber antwortete ihm nur mit dem Sprüchlein: »Edler Herr, die Wahrheit sage ich Euch schon,
Im Zeichen der zerbrochenen Schöpfkelle ich wohn.«
Damit floh sie aus dem Ballsaal in den Eichenwald und warf ihr Katzenfell über. Sie schlüpfte ins Haus; die Köchin bemerkte sie nicht, dafür aber der junge Edelmann. Denn diesmal war er ihr in großer Eile gefolgt, hatte sich im Wald versteckt und beobachtet, wie sie statt des schönen Kleides das Katzenfell anlegte.

Am nächsten Tag blieb er im Bett und ließ den Arzt holen. Zu ihm sagte er: »Ich muss sterben, wenn Katzenfell nicht zur mir kommt.« Sogleich wurde nach ihr geschickt. Er gestand ihr, wie sehr er sie liebte, und Schloss: »Das Herz wird mir brechen, wenn du meine Liebe nicht erwiderst.« Freudig willigte Katzenfell ein, seine Frau zu werden. Der Doktor wusste, wie stolz die alte Edelfrau war, und er versprach dem jungen Mann, sie um ihre Zustimmung zu bitten. Hätte sie nicht für das Leben ihres Sohnes gefürchtet, würde sie die Heirat niemals erlaubt haben. So aber willigte sie schließlich ein.

Nun wurde der kranke junge Edelmann schnell gesund, und als der Eichenwald wieder zu grünen begann und kaum zwölf Monate vergangen waren, heiratete er Katzenfell. Sie waren glücklich zusammen bis an ihr Lebensende.