[swahili, "Geschichte, Legende"]

Jugend ohne Alter, Leben ohne Tod

Es war einmal wie noch nie - aber wenn es nicht gewesen wäre, würde man es doch nicht mehr erzählen -, als die Pappel Birnen trug und die Korbweide Märzveilchen, als die Bären mit Schwänzen um sich schlugen, die Wölfe und Lämmer sich um den Hals fielen und in brüderlicher Umarmung Küsse tauschten, der Floh, an jedem Fuße neunundneunzig Zentner Hufeisen, in die Herrlichkeit des Himmels sprang, um uns die Märchen von dort zu holen, als es an den Wänden nur handgemalte Fliegen gab und jeder ein verstockter Lügner hieß, der es nicht glaubte.

Es war einmal ein großer Kaiser und eine Kaiserin, beide jung und schön, die sehnten sich sehr, dass ihnen Kinder geboren würden, und sie wandten sich an die gebärkundigen Ärzte und Sterndeuter, auf dass sie die Sterne befragten. Aber alles war vergeblich. Schließlich erfuhr der Kaiser von einem vielerfahrenen alten Manne, der im nahen Dorfe wohnte. Diesen ließ der Herrscher rufen. Doch der Alte gab dem Boten zur Antwort, dass, wer Hilfe suche, auch den Weg nicht scheuen dürfe. Da machten sich der Kaiser und die Kaiserin auf und begaben sich mit einem Gefolge von großen Bojaren, Kriegern und Dienstleuten nach dem Hause des alten Mannes.

Als der Greis sie schon von weitem kommen sah, ging er ihnen entgegen und sprach zu ihnen: »Bleibt gesund und seid willkommen! Aber Kaiser, was zu finden mühst du dich? Lass ab von deinem Begehr. Der Wunsch, den du hegst, wird dir nur Trauer bringen.«

»Ich bin nicht gekommen, um deine Ansicht darüber zu erfragen«, sagte darauf der Kaiser, »sondern ich will von dir ein Mittel, sofern du eins besitzest, das uns zu Kindern verhilft.«

»Ich habe eins«, antwortete der Greis, »ihr werdet ein Kind bekommen. Es wird der strahlende Fat-Frumos ›der schöne Junge‹ sein.«

Nachdem der Kaiser und die Kaiserin das Wundermittel erhalten hatten, kehrten sie frohgemut in den Palast zurück, und nach wenigen Tagen fühlte sich die Kaiserin gesegneten Leibes.

Das ganze Reich, der Hof und alle Diener, waren in großer Freude über dieses Ereignis, jedoch als die Stunde der Geburt nahe war, fing das Kind so sehr zu weinen an, dass auch der herbeigerufene Heilkundige es nicht zu trösten vermochte. Der Kaiser aber hörte nicht auf, dem Kinde alle Güter der Erde zu versprechen. Doch auch so gelang es ihm nicht, es zum Schweigen zu bringen. »Sei still, mein Allerliebstes«, fuhr der Kaiser fort, »ich werde dir ein Reich nach dem andern geben - so viele du dir wünschst -, sei still, mein kleiner Sohn, du wirst dir eine Kaisertochter zur Frau wählen können und alles andere, wonach dein Herz begehrt.« Als der Knabe aber nicht aufhörte zu weinen, sagte der Kaiser zuletzt: »Sei still, mein Junge, du wirst jung bleiben, ohne Alter und leben ohne Tod.«

Da schwieg das Kind und kam zur Welt. Die Dienstleute aber schlugen die Trommeln und bliesen die Hörner, und das ganze Reich jubelte in Festen eine volle Woche lang. Je mehr das Kind heranwuchs, desto mehr fiel es auf durch Klugheit und Mut. Es kam auf die besten Schulen und wurde von den Sterndeutern unterwiesen, und alle die Kenntnisse, die andere Kinder sich in einem Jahre erwerben, eignete es sich in einem Monat an. Das ganze Land rühmte sich des Glücks, dereinst einen Kaiser zu haben, so weise und klug wie Salomon. Jedoch es kam die Zeit, da ward der Knabe verschlossen, in sich gekehrt und traurig, niemand wusste, was ihm fehlte. Aber am Tage, als er sein 15. Jahr vollendete, und der Kaiser mit allen Bojaren und Dienstleuten des Landes beim Trinkgelage an der Festtafel saß, erhob sich Fat-Frumos und sprach: »Vater, die Zeit ist da, dass du mir gibst, was du mir bei meiner Geburt versprochen hast.« Da wurde der Kaiser sehr unwillig und entgegnete: »Was fällt dir ein, mein Junge? Wie könnte ich dir denn etwas so Unmögliches geben? Als ich es dir versprach, geschah's nur, um dich endlich zum Schweigen zu bringen.«

»Wenn du, Vater, es mir nun nicht geben kannst, muss ich aufbrechen und die Welt durchziehen, bis ich das Versprochene selbst gefunden habe, das mich ins Leben gerufen hat.«

Nun fielen alle Bojaren und auch der Kaiser auf die Knie und flehten ihn an, er möge das Reich nicht verlassen. »Denn«, so sagten die Bojaren, »dein Vater ist schon alt, dich aber wollen wir auf den Thron haben und dir die schönste Prinzessin unter der Sonne zur Frau geben.« Jedoch keine Macht konnte ihn, der hart und unbeweglich wie ein Fels bei seinem Worte blieb, von seinem Entschluss abbringen. Als sein Vater das erkannte, gab er seine Erlaubnis und ordnete an, dass man den Mundvorrat und alles, was er an Ausrüstung brauchte, bereitstellte. Und Fat-Frumos ging in die kaiserlichen Stallungen, in denen sich die schönsten Hengste des ganzen Reiches befanden, um sich einen auszuwählen. Jedes Tier aber, auf das er seine Hand legte und dazu beim Schwanze fasste, warf er zu Boden, und so brachen alle Pferde zusammen. Schon wollte er den Stall verlassen, da ließ er seine Blicke nochmals über die Pferde gleiten und erblickte einen magern, bresthaften, rotzkranken Gaul voller Schwären. Er ging auch zu diesem, doch als er die Hand auf seinen Schweif legte, wendete das Tier seinen Kopf und sagte: »Was ist dein Befehl, Herr? Ich danke Gott, dass er einen tapferen Mann die Hand auf mich legen ließ.« Und die Füße spreizend, stand es gerade wie eine Kerze. Dann sagte Fat-Frumos, was er vorhabe, und das Pferd entgegnete ihm: »Damit sich dein Wunsch erfüllt, musst du von deinem Vater das Schwert, die Lanze, den Bogen, den Köcher mit den Pfeilen und die Rüstung verlangen, die er als junger Bursche getragen hat. Mich aber sollst du sechs Wochen mit eigener Hand warten und mich mit in Milch gekochter Gerste nähren.«

Er verlangte nun vom Kaiser alles, was ihm das Pferd geraten hatte, und dieser ließ den Hofaufseher zu sich kommen und befahl ihm, alle Truhen zu öffnen, damit der Sohn auswähle, wonach ihm der Sinn stehe. Nachdem Fat-Frumos drei Tage und drei Nächte alles durchstöbert hatte, fand er endlich auf dem Grunde einer alten Kiste die Waffen und Kleider seines Vaters aus der Zeit, da jener ein junger Bursche gewesen war, jedoch in schon verrostetem Zustande. Er begann nun, sie vom Roste mit eigener Hand zu reinigen, und in sechs Wochen gelang es ihm, die Waffen wie einen Spiegel zum Leuchten zu bringen. Gleichzeitig trug er auch Sorge um das Pferd, wie dieses es ihm aufgetragen hatte. Das war Arbeit genug, aber sie führte zum guten Ende; denn als das Pferd vernahm, dass Fat-Frumos Kleider und Waffen gereinigt und alles in Ordnung hatte, ging ein Schütteln durch seinen ganzen Körper, und die Schwären und die Krankheit fielen von ihm ab, und es stand nun so gerade und hoch aufgerichtet, wie seine Mutter es geboren hatte: ein kraftvolles, wohlgestaltes Pferd mit vier Flügeln. Als Fat-Frumos es so vor sich sah, sprach er zu ihm: »In drei Tagen werden wir aufbrechen.«

»Du sollst leben, Herr! - ich bin jetzt bereit, zu jeder Stunde, die du befiehlst«, antwortete ihm das Pferd.

Am Morgen des dritten Tages war der ganze Hof und dass weite Reich in Trauer, denn Fat-Frumos ritt, in der Rüstung des Kriegers, das Schwert in der Hand, auf dem erwählten Pferde, nahm Abschied vom Kaiser, von der Kaiserin, von allen Bojaren, den großen und den kleinen, von den Bewaffneten und allen Dienern des Hofes, die ihn alle mit Tränen in den Augen baten, von dieser Fahrt abzulassen, damit sie nicht sein Verderben beklagen müssten. Er aber gab dem Pferde die Sporen und sauste wie der Sturmwind durchs Tor, hinter ihm die Wagen mit den Mundvorräten und mit dem Geld und die 200 Krieger, die ihm der Kaiser als Geleit beigegeben hatte.

Als er die Grenze des väterlichen Reiches hinter sich gelassen hatte, und die Wildnis sich auftat, verteilte Fat-Frumos all das mitgenommene Hab und Gut unter die Krieger und schickte sie mit guten Wünschen zurück. Für sich behielt er nur soviel an Vorräten, wie das Pferd noch aufnehmen konnte.

Er nahm den Weg gegen Osten und ritt und ritt und ritt drei Tage und. drei Nächte, bis er an ein weithin gedehntes, freies Feld gelangte, auf dem Haufen von Menschenknochen umher lagen. Rastend hielt das Pferd an. und sprach zu ihm: »dass du es weißt, Herr, wir sind hier in dem Land einer Hexe, Ghionoaie genannt, die so böse ist, dass jeder, der ihr Gebiet betritt, den Tod erleiden muss. Auch sie war einst eine Frau wie andere Frauen; der Fluch der Eltern jedoch, denen sie nie gehorcht und stets nur Kummer bereitet hat, verwandelte sie in eine Hexe. In dem Walde droben, den du von hier siehst, werden wir ihr begegnen, die dich an sich lockt, um dich zu verderben. Sie ist von erschreckender Größe. Du aber fürchte dich nicht, sondern nimm den Bogen fest in deine Hände und durchbohre sie mit deinen Pfeilen. Aber auch Schwert und Lanze halte bereit, damit du sie in der Not gebrauchen kannst.«

Und sie legten sich zur Ruhe - einer von ihnen hielt immer Wache. In der Morgenfrühe des zweiten Tages trafen sie alle Vorkehrungen, um den Wald zu durchqueren. Fat-Frumos legte den Sattel auf das Pferd und zog die Gurte fester an als sonst. Dann brach er auf. Plötzlich erscholl ein fürchterliches Getöse. Da sprach das Pferd: »Herr, halte dich bereit, sieh, es ist die Hexe, die sich uns nähert.« Und mit ihrem wilden Schritt brach sie die Bäume nieder; aber das Pferd stieg wie ein Sturm in die Höhe, und Fat-Frumos trennte mit dem Pfeil ihr den Fuß vom Körper. Als er das zweite Geschoß auflegte, schrie sie: »Halte ein, Fat-Frumos, ich will dir nichts zuleide tun.« Und als sie sah, dass er ihren Worten nicht traute, gab sie ihm ein mit eigenem Blut geschriebenes Versprechen. »Es lebe dein Pferd, Fat-Frumos«, sprach sie noch, »es ist wahrlich ein übernatürliches Wesen, hätte es dir nicht beigestanden, so hätte ich dich am Feuer geröstet und verzehrt, aber jetzt bin ich in deiner Gewalt. Denn wisse: bis zum heutigen Tage hat kein Sterblicher gewagt, mein Gebiet zu betreten. Einige Verblendete, die es versucht haben, sind nie über das Feld gelangt, auf dem du die vielen. Knochen sahst.« Sie machten sich nun auf den Weg zu ihrer Behausung. Die Hexe bewirtete ihn auf das trefflichste und bemühte sich in jeder Weise - ganz wie es einem Wanderer unter Menschen geschieht - um sein leibliches Wohl. Als sie aber bei Tisch saßen und tranken, stöhnte die Hexe vor Schmerz laut auf. Da nahm er ihren Fuß aus seinem Zwerchsack, in den er ihn gesteckt hatte, fügte ihn wieder an seine Stelle, und sofort war er auch schon angeheilt. Die Hexe aber gab aus lauter Freude ein großes Gelage, das drei Tage währte und bot sogar Fat-Frumos an, er möge sich von ihren drei Töchtern, die schön wie Feen waren, eine zur Frau wählen. Er aber wollte nicht, sondern sagte ihr ohne Umschweife, wonach er strebe. Darauf entgegnete sie ihm: »Mit deinem Pferd und deinem Mut kannst du darauf vertrauen, dass du alles erreichen wirst.«

Nach drei Tagen brachen sie wieder auf und zogen von dannen. Fat-Frumos durchmaß einen langen Weg und einen noch längeren. Als er aber das Gebiet der Hexe hinter sich hatte, gelangte er an eine weite Wiese, die war auf einer Seite mit blühendem Gras bewachsen, auf der anderen Seite aber war es versengt. Da befragte er sein Pferd, weshalb denn das Gras hier verbrannt sei. Und das Pferd antwortete ihm: »Wir befinden uns auf dem Anwesen eines bösen Weibes, das die Schwester der Hexe ist. Immer in Hader, können sie nicht gemeinsam an einem Orte leben. Der Fluch der Eltern hat beide getroffen, und so wurden sie zu den Unholdinnen, die sie heute sind. Sie sind grausam und herrschsüchtig und machen sich gegenseitig ihren Besitz streitig. Wenn das böse Weib auf Rache sinnt, kommt sie mit Feuer, Schwefel und Pech angefahren. Unter ihrem Fuß verkohlt alles Gras, sooft sie in das Gebiet ihrer Schwester einbricht, um sie zu vertreiben. Sie ist noch bösartiger als ihre Schwester und hat drei Köpfe. Gönnen wir uns jetzt aber etwas Ruhe, Herr, denn morgen müssen wir schon kampfbereit sein.«

Am nächsten Tage rüsteten sie sich für die neue Begegnung, ganz wie damals, als es gegen die Hexe ging, und brachen auf. Und schon hörten sie ein wildes Schreien und Brausen, wie sie es bis dahin noch nie vernommen hatten. »Jetzt sei auf der Hut, Herr, denn sieh, die alte Furie kommt heran.« Und diese, wutschnaubend, brauste Flammen speiend, schnell wie der Wind, ihnen entgegen. Das Pferd aber stieg zur Höhe wie ein Pfeil und bedrängte sie mit seiner Flanke. Fat-Frumos schoss ihr den einen Kopf ab, und als er ihr den zweiten vom Rumpf trennen wollte, bat sie ihn um Gnade und beteuerte, dass sie ihm nichts antun wolle; und damit er dessen sicher sei, gab sie es ihm schriftlich, mit ihrem Blute geschrieben. Die Furie bewirtete nun Fat-Frumos reichlicher als die Hexe. Und er gab ihr den Kopf zurück, den er ihr mit seinem Pfeile vom Leib gerissen hatte; und wie er ihn an seine Stelle setzte, war er wieder angewachsen.

Nach drei Tagen brachen sie wieder auf. Nachdem sie die Gemarkung des Landes überschritten hatten, war es noch ein langer Weg, bis sie zu einem Plan voller Blumen gelangten, in dem alles Frühling war. Jede Blume stand in seltsamer Pracht und hatte einen betäubenden Duft. Ein Windhauch wehte so leise, dass er kaum zu spüren war. Hier verweilten sie, um sich auszuruhen. Das Pferd, aber sprach: »Bisher ging alles gut, nun haben wir aber noch ein Hindernis vor uns. Wir werden einer großen Gefahr begegnen. Und wenn mir Gott beisteht, dass wir auch diese überwinden, dann haben wir uns bewährt. Unweit von diesem Orte ist der Palast, wo ›Jugend ohne Alter und Leben ohne Tod‹ wohnt. Das Gebäude ist von einem dichten und hohen Wald umgeben, in dem die wildesten Raubtiere der Erde hausen. Sie wachen Tag und Nacht ohne Schlaf und sind sehr zahlreich. Mit ihnen kannst du den Kampf nicht aufnehmen, und unbemerkt können wir den Wald nicht durchstreifen. Wir werden aber alle unsere Kraft zusammennehmen und ihn im Sprunge überqueren.«

Nachdem sie sich zwei Tage ausgeruht hatten, bereiteten sie wieder alles vor, und das Pferd hielt den Atem an und sprach: »Herr, zieh die Gurte so fest du nur kannst, und wenn du mich bestiegen hast, halte dich fest, sowohl in den Steigbügeln, wie auch an meiner Mähne. Die Füße nimm dicht unter meinen Leib, damit du mich in meinem Flug nicht behinderst.« Er stieg auf, rückte sich zurecht, und in einer Minute waren sie am Waldesrand. »Herr«, sprach nun das Pferd, »jetzt ist der Augenblick da, wo die Raubtiere zur Fütterung im Hofe versammelt sind und wir hinüber fliegen müssen.«

»Wohlan«, antwortete Fat-Frumos, »es sei! Gott sei uns gnädig.« Sie stiegen auf und sahen den Palast in strahlender Helle, so dass sie eher zur Sonne, aber nicht in seinen Glanz sehen konnten. Sie glitten über den Wald und waren gerade daran, sich vor dem Hofe des Palastes niederzulassen, da berührte das Pferd vorn versehentlich mit dem Huf die Spitze eines Baumes und schon war der ganze Wald in Bewegung. Die Tiere erhoben ein so unheimliches Gebrüll, dass einem die Haare zu Berge standen. Sie stürzten heran, als jene niedergingen. Und wäre die Herrin des Palastes nicht draußen bei der Fütterung ihrer Jungen (so nannte sie die Tiere des Waldes) gewesen, so wären die beiden bestimmt nicht mit dem Leben davon gekommen. Aus lauter Freude darüber, dass sie gekommen waren, rettete sie sie, denn sie hatte bis dahin noch niemals eine Menschenseele bei sich gesehen. Sie hielt die wilden Tiere zurück, besänftigte sie und wies sie an ihre Plätze. Die Herrin, war von feenhafter Erscheinung, zart und anmutig und schön - - -

Als Fat-Frumos sie erblickte, war er wie gebannt. Sie aber sah voll Zärtlichkeit ihn an und sprach: »Sei willkommen, Fat-Frumos! Was führt dich her?«

»Wir sind«, sagte er, »auf dem Weg nach ›Jugend ohne Alter und Leben ohne Tod‹.«

»Wenn du das suchst, was du sagst, hier ist es.« Dann stieg er vom Pferde und ward in den Palast geleitet Hier kamen ihm noch zwei Jungfrauen entgegen, eine so jung wie die andere, es waren die beiden älteren Schwestern der Fee. Nun beeilte er sich, sich bei der Fee zu bedanken, dass sie ihn aus der Gefahr gerettet hatte. Sie aber, in eitel Freude, bereitete ein. köstliches Mahl auf goldenen Muscheln und Tellern. Das Pferd aber ließ er frei weiden, nachdem beide mit allen wilden Tieren vertraut gemacht worden waren, so dass sie ungefährdet sich im Walde bewegen konnten. Die Frauen richteten die Bitte an ihn, er möge fortan bei ihnen bleiben, denn sie seien des Alleinseins nun überdrüssig. Und er ließ es sich nicht zweimal sagen, sondern nahm das Angebot mit großer Freude an, wie einer, der das Ziel seiner Wünsche erreicht hat.

Allmählich wurden sie immer vertrauter, und er hub an, ihnen sein Leben zu erzählen bis zu dem Augenblick, als er ihnen begegnet war und nach nicht allzu langer Zeit wurde die Jüngste seine Frau. Nun konnte das junge Paar sich nach Herzenslust in der Umgebung bewegen, und nur vor einem Tal, das sie ihm auch gleich genau beschrieb, warnte sie Fat-Frumos, weil es Gefahren für ihn berge, und sie verschwieg ihm nicht, dass dieser Ort das Tal der Tränen genannt wurde. So verlebte Fat-Frumos in dieser Welt unbegrenzte Zeiten, ohne sich schwindender Jahre bewusst zu werden, denn er blieb so jung, wie er gekommen war. Er wandelte durch den Wald in ewiger Heiterkeit. Er freute sich an den goldenen Schlössern, lebte ohne Sorgen und in Frieden mit seiner Frau und inmitten seiner Schwägerinnen, war glücklich im Anblick der schönen Blumen und im Atmen der süßen und reinen Luft. Auch erfreute ihn das Jagen.

Eines Tages aber verfolgte er einen Hasen, schoss einen Pfeil ab und einen zweiten und traf nicht. Erregt folgte er der Spur, und mit dem dritten Pfeil erlegte er das Wild. Der Ärmste hatte jedoch in seinem Eifer nicht achtgehabt, dass er bei der Verfolgung des Hasen in das Tal der Tränen gelangt war. Als er mit seiner Jagdbeute heimgekehrt war, erfasste ihn eine bisher nicht gekannte Sehnsucht nach seinem Vater und seiner Mutter. Er gab sich alle Mühe, der Fee seinen Zustand zu verbergen, aber diese erkannte ihn an der Müdigkeit und Trauer seines Wesens.

»Unglücklicher, du bist durchs Tal der Tränen gegangen.« Erschrocken riefen es die drei Schwestern. »Ja, ihr Lieben, ich habe es betreten, doch unbewußt und ohne Absicht, und jetzt vergehe ich von Kopf bis zu den Füßen vor Sehnsucht nach meinen Eltern. Aber euch zu verlassen, werde ich nicht übers Herz bringen. Ich bin schon seit Tagen mit euch zusammen, und mein Leben war hier immer glücklich und ungetrübt. Doch ich muss gehen, um meine Eltern noch einmal zu sehen. Dann kehre ich zurück und bleibe immer bei euch.«

»Geh nicht von uns, Geliebter! Deine Eltern sind schon vor hundert Jahren gestorben, und für dich fürchten wir, dass du, wenn du fortziehst, nicht mehr zurückkehren wirst. Bleibe bei uns, denn etwas in uns weiß, dass du dein Leben verlieren wirst.« Aber alles Flehen der drei Frauen, wie auch des Pferdes, konnte die Sehnsucht nach den Eltern nicht mehr bannen. Schließlich sprach das Pferd zu ihm: »Da du mir nicht folgen willst, Herr, so wisse, dass du an allem, was dir auch immer zustoßen wird, selbst schuld bist. Lass dir noch ein letztes Wort sagen: Ich bin unter einer einzigen Bedingung bereit, dich zurückzuführen.«

»Ich nehme sie an«, rief der Held voll Zuversicht, »sprich!«

»Sobald wir beim Palast deines Vaters angekommen sind, werde ich dich absteigen lassen. Ich aber werde umkehren, sobald du auch nur eine einzige Stunde verweilen willst.«

»Es sei«, sagte er. Nun wurde alles zur Abreise vorbereitet. Nachdem er die Frauen in die Arme geschlossen und von jeder Abschied genommen hatte, brach er auf und ließ sie in Wehklagen und Trauern zurück.

Sie kamen zur Stätte, wo das Anwesen der Furie gewesen war. Sie sahen dort Städte und statt der Wälder breiteten sich Äcker und Wiesen aus. Er fragte diesen und jenen nach der Furie und ihrer Behausung, aber man gab ihm zur Antwort, dass die Großeltern sich noch erinnerten, dass ihre Urahnen dieses Märchen gehört hätten. »Das ist doch gar nicht möglich, bin ich doch selbst vor wenigen Tagen hier vorbeigezogen.« Und er berichtete über alles, was ihm widerfahren war. Die Menschen aber lachten über ihn, wie über einen Irren, der am hellen Tag sonderbare Bilder und Träume hat. Er aber zog betrübt weiter, ohne zu merken, dass ihm Bart und Haupthaar weiß geworden war. Als er zum Gebiet der Hexe kam, erkundigte er sich in gleicher Weise wie vorher nach dem Anwesen der Furie und erhielt die gleichen Antworten. Es war ihm unfassbar, dass sich die Dinge während weniger Tage so verändert hatten und traurigen Herzens zog er weiter - der weiße Bart wallte ihm bis zum Gürtel und er verspürte das Zittern seiner Füße - und gelangte zum Reich seines Vaters. Auch hier neue Menschen, neue Städte, die alten aber so verändert, dass er sie nicht mehr erkannte. Jetzt kam er zum Kaiserpalast, wo er das Licht der Welt erblickt hatte.

Als er abstieg, reichte ihm das Pferd die Hand und sagte: »Lebe wohl, mein Herr, denn ich eile zurück, woher ich gekommen bin. Wenn du zurückkehren willst, steig flugs wieder in den Sattel.«

»Hab Dank und lebe wohl, auch ich gedenke, über ein Kleines zurückzukehren.« Das Pferd sauste wie ein Pfeil davon. Fat-Fnunos stand lange im Anblick des zusammengefügten und mit Unkraut verwachsenen Gemäuers und seufzte tief, und die Tränen stiegen ihm in die Augen, während er sich des einstigen Glanzes zu entsinnen suchte, in dem die Paläste geleuchtet hatten, und der eigenen Kindheit, die er hier verbracht hatte. In unablässigen Rundgängen suchte er jeden Raum und jede Ecke ab, aus denen das Vergangene ins Gedächtnis zurückfände: den Stall, in dem er das Pferd gefunden hatte, den Keller, dessen Eingang von Trümmerhaufen verschüttet war. Und wie er noch weiter herumsuchte, wuchs ihm der weiße Bart bis zu den Knien, und die Augenlider wurden so schwer, dass er sie mit den Fingern halten musste, und sein Gang gebrechlich. Er fand nun auch nichts mehr als eine zusammengefallene alte Truhe. Er öffnete sie und sie war leer. Als er aber den Deckel des Geheimfaches aufhob, hörte er eine krächzende Stimme: »Kommst du endlich? Wärst du noch lange ausgeblieben, ich hätte selber den Geist aufgeben müssen!«

Darauf gab ihm der Tod, der alte verknöcherte, eine Ohrfeige, dass er sich krümmte wie der Haken des Geheimfaches und, dort, wo er hinfiel, verwandelte er sich zu Staub. Ich aber bin in den Sattel gestiegen und habe euch solches erzählt.