[swahili, "Geschichte, Legende"]

Hungersnot, wunderbare Errettung und unheilvolles Ende

Es war einmal eine Mutter, die hatte drei Kinder. Da kam eine große Hungersnot über das Land. Viele Menschen hatten so wenig zu essen, dass sie von Tür zu Tür gehen und sich eine Suppe erbetteln mussten. Wenn es einmal noch einen Hirsebrei gab, war das für die Kinder wie ein Fest.

Da sprach die Frau zu ihrem Mann: »Vater, was soll nur aus den Kindern werden? Wir können sie ja nicht mehr ernähren. Geh und setze sie im Busch aus!« »Soll ich das wirklich tun?« fragte der Mann.

Nun, bei Morgengrauen stand er auf und weckte auch die Kinder. »Wir wollen jetzt in den Busch Brennholz holen gehen!« sprach der Vater zu den Kindern. Als das jüngste von den dreien das hörte, suchte es sich heimlich ein wenig Hirsebrei und versteckte ihn in seiner Hand. Unterwegs ließ es dann alle paar Schritte ein kleines Stückchen davon auf den Boden fallen, bis hin an den Ort, wo nicht weit davon Holz zu finden war. Hier sagte der Vater zu seinen Kindern, sie sollten auf ihn warten, bis er vom Holzsammeln zurückkäme. So blieben sie da und warteten auf ihn. Der Vater aber ging den Weg zurück nach Hause.

Das Jüngste der Kinder machte sich auch bald auf den Weg, auf dem sie gekommen waren. Es fand alle die Hirsebreistückchen wieder und hob sie auf; seine beiden Brüder folgten ihm auf den Fuß. Die Mutter war gerade dabei, Hirsebrei zu machen, als die drei Kinder gänzlich unerwartet wieder vor ihr standen.

»Wie kann denn das nur sein, Vater?« fragte sie beunruhigt ihren Mann, »du hast die Kinder doch dort im Busch allein gelassen, und nun sind sie wieder da?« So sei es auch geschehen, bekräftigte der Vater der Kinder, und er könne sich auch nicht erklären, auf welche Weise sie wieder zurückgefunden hätten. Nun, die Eltern gaben ihnen etwas zu essen, und die Kinder aßen alles bis zum letzten Bissen auf.

Am anderen Morgen stand der Vater wieder sehr früh auf; er wollte wieder mit den Kindern in den Busch gehen. Der Kleine besorgte sich dieses Mal Erdnüsse und ließ unterwegs alle paar Schritte eine fallen. Doch da kam der Rabe und pickte eine Erdnuss nach der anderen auf; dabei ließ er aber auch keine einzige liegen.

An dem bewussten Orte im Holz angekommen, ließ sie der Vater wieder allein zurück; er sagte, er wollte Brennholz schlagen gehen. In Wirklichkeit machte er sich aber wieder auf den Weg zurück nach Hause. Als nun der Jüngste wieder den Heimweg suchte, indem er einfach den Weg entlang die Erdnüsse wieder einsammeln wollte, da fand er aber auch nicht die Spur einer Erdnuss wieder. Ratlos standen sie herum, suchten hier und suchten da nach dem Weg, doch alles ohne Erfolg. Schließlich entschieden sie sich, nach einer Richtung aufzubrechen.

Lange waren sie unterwegs, der Weg war beschwerlich; für eines der drei Kinder waren die Strapazen zu viel: es starb und ließ die anderen beiden zurück. Eines Tages begegneten die Kinder einer Frau, die mit ihrem Mann, einem vogelgestaltigen Zauberer, tief im Wald wohnte. Wo sie denn her kämen, fragte die Frau sie. Nun, da erklärten sie ihr, wie bei ihnen zuhause eine schwere Hungersnot ausgebrochen sei, wie sehr das ihren Vater getroffen und er sie dann in den Busch geführt und allein gelassen habe.

Die Frau hatte Mitleid mit den Kindern, gab ihnen Hirsebrei zu essen und auch genug zu trinken. Doch dann vernahmen sie ein feindseliges Geräusch, das von dem vogelgestaltigen Zauberer stammte, und sie liefen davon und versteckten sich. Als der Mann hervorkam, fragte er die Frau, wonach es denn da so merkwürdig röche. Sie sagte, dass der Geruch von einem Öl stammte, das man in ihrer Heimat verwendete und das sie sich einmassiert habe.

»0 nein;: das ist etwas ganz anderes!«, versetzte darauf der Mann. Er machte sich unverzüglich in die Richtung auf den Weg, wohin die Kinder weggelaufen waren.

Die Kinder waren schon eine ganze Weile unterwegs, als sie plötzlich wieder dieses Rauschen in der Luft hörten. Der Jüngere rief dem Älteren zu, dass er ganz schnell laufen und sich in ein Loch im Boden werfen solle. Der tat auch, was der Jüngere ihm sagte; er selbst kroch auch noch hinein, streckte aber seinen Hintern zum Loch hinaus, um es ganz dicht zu verschließen.

Nun kam der Vogelmann heran und sagte, dass er sich aufgemacht hätte, sie zu suchen. Als der kleinere Junge einen Fußreif am Vogelmann sah, streifte er ihm den in Sekundenschnelle vom Fuß. Nun flog der Vogel zur Erde nieder, doch es fehlte ihm der Reifen am Fuß. Er bat inständig darum, dass er den Reifen wieder zurückbekäme; er versprach auch, ihnen nichts zuleide zu tun. Doch der Junge blieb fest und behielt den Reifen.

Der kleinere Junge ließ nun seinen älteren Bruder vorangehen. So wanderten sie eine lange Zeit, bis sie in ein anderes Land kamen. Der König des Landes litt an einer schweren Krankheit, er war schon nahe am Sterben. Sie stiegen daselbst ab und als der Abend hereinbrach, starb der König.

Alle Welt brach nun die Klage um den toten König aus. Als man nach Linnen suchte, mit dem man den Leichnam einwickeln konnte, war keines aufzutreiben. Da wandte sich ein Hofbeamter an die Prinzessin dem Vorschlag, den großen Stier ihres Vaters zu schlachten, ihm die Haut abzuziehen und ihren Vater darin zu beerdigen. Doch die Prinzessin hielt es nicht für richtig, ihren Vater einer Haut zu bestatten.

Da erhob sich der jüngere der beiden Knaben, rief einen Hofbeamten herbei und sagte ihm, er möge die Prinzessin zu ihm führen. Da kam aber ein anderer Hofbeamter dazu, der das Betragen des Knaben reichlich unverschämt fand; er versetzte ihm sogleich auch mehrere Ohrfeigen. Ein dritter Hofbeamter meinte jedoch, dass es wohl etwas auf sich habe, wenn einer einen anderen zu sich ruft. Nun, es kam schließlich zu der Begegnung mit der Prinzessin; der Knabe sagte ihr, dass sie ihnen - den Leuten des Hofes - das gewünschte Linnen besorgen könnten.

Darauf bricht er auf, macht eine weite Reise und steigt an einem bestimmten Ort ab. Dann streift er den Reifen von seinem Fuß und, sieh da!, das Stück Linnen liegt zugeschnitten vor ihm. Darauf geht er hinaus auf einen Platz vor dem Dorf, streift den Reifen wieder über seinen Fuß und hebt ab vom Erdboden.

Lange Zeit fliegt er durch die Lüfte. Nahe dem Ziel streift er den Reifen wieder ab, da gleitet er in das Dorf herab, von dem er ausgegangen ist. Er gibt den Leuten das Linnen; diese gehen sofort daran, es zurechtzuschneiden. Bald darauf wird der König bestattet.

Die beiden Jungen verbringen nun viele Tage an diesem Ort. Eines Tages ruft die Prinzessin den jüngeren der Brüder so wie auch ihre Notablen zu sich und spricht zu ihnen: »Seht hier diesen Jungen!« Sie wünsche, dass er der Nachfolger ihres Vaters werde. Die Notablen sind alle damit einverstanden. So wird er König in diesem Land.

Zu Hause, in der Heimat, wo sein Vater und seine Mutter leben, ist wieder eine Hungersnot ausgebrochen. So schwer trifft die Not ihre Eltern, dass sie ihre Heimat verlassen und als Bettler durch das Land ziehen.

Eines Tages kommen sie an den Ort, wo ihr Sohn König geworden ist. Dieser setzt sich auf einen Sessel auf dem Dorfplatz und ruft sie - seine Mutter - zu sich heran. Zögernd und ohne ihren Sohn wieder zu erkennen, kommt sie näher: er nimmt zwei Geldstücke und gibt sie ihr. Darüber ist sie hocherfreut, geht zu ihrem Mann zurück und zeigt ihm das Geld, das ihr der junge König geschenkt hat. Woher ist nur dieser Knabe, der ihr so viel Geld gegeben hat? Der Mann rät seiner Frau, sie soll sich dafür gute Sachen kaufen, das, was sie sich wünscht.

Am anderen Tag, als sie zum Betteln unterwegs ist, nimmt der König wieder ein Geldstück heraus und gibt es ihr. Der Mann besteht wieder darauf, dass sie das Geld nur für sich verwende; er selbst wolle davon nichts haben. Schließlich lädt sie der König beide, die Frau und den Mann, zu sich ein. Der Mann aber will nicht hingehen; er fürchtet, dass man ihn wegen des Geldes, das seine Frau erhalten hat, gefangen nehmen wolle. Darauf lässt der König der Frau einen Sack voll Hirse übergeben.

Zum Mann aber schickt er einen von seinen Leuten, doch auch er kann ihn nicht zum Kommen bewegen. Nun bereitet die Frau Hirsebrei zu, doch er lehnt es ab, irgendeine Speise zu sich zu nehmen. Drei Tage lang isst er nichts; die Schwäche bringt ihn der Ohnmacht nahe. So isst die Frau alles alleine auf.

Der ältere Bruder lebt im Hause eines Hofbeamten, draußen auf dem Land, doch auch ihm geht es gut. Sein Bruder, der König, schickt nun nach ihm. Sogleich fragt er ihn, ob er die Frau, die dort sitzt, und den Mann daneben kennt. Doch er erkennt sie nicht.

Ob denn das nicht seine Mutter und sein Vater seien, fragt er ihn schließlich. Da erhebt sich der Vater und schließt seinen Ältesten ganz fest in die Arme. Ist es denn möglich, dass dies sein Sohn ist! Wieder und wieder nimmt er ihn in seine Arme.

Der Sohn versammelt nun die Großen des Landes und eröffnet ihnen, dass er seinen Vater auf dem Thron sehen möchte. Doch da erhebt sich geschwind sein jüngerer Bruder und erklärt, dass er selbst König bleiben werde. Sollte er etwa zugunsten seines Vaters abdanken? Dieses Vaters, der sie in die Wildnis geschickt habe? Und überhaupt: ist das denn wirklich ihr Vater?

Darauf fordert der Ältere seinen jüngeren Bruder zum Zweikampf heraus. Sie gehen hinaus in den Busch und fangen einen Ringkampf miteinander an. Dabei wirft der Jüngere den Ältesten zu Boden, dann aber kommt es umgekehrt. Sie erheben sich aber immer wieder von der Erde.

Schließlich aber bringt der Jüngere dem Älteren tödliche Wunden bei, so dass er stirbt. Nun aber rennt er sich selbst das Messer in den Leib und tötet sich selbst. So kommt das Königtum an den Vater, der von nun an regiert.

Ähnliche Texte: