[swahili, "Geschichte, Legende"]

Gudbrand vom Berge

Es war einmal ein Mann, der hieß Gudbrand. Er hatte ein Gehöft, das lag weit weg am Abhang eines Berges, und darum nannten ihn die Leute Gudbrand vom Berge. Er lebte mit seiner Frau zufrieden und verträglich zusammen, und alles, was der Mann tat, gefiel der Frau so gut, dass es in ihren Augen nicht besser gemacht werden könnte - was er auch anfangen mochte, sie musste sich immer darüber freuen. Sie besaßen ihr Stück Ackerland, hatten hundert Taler in der Kiste liegen, und im Stall hatten sie zwei Kühe stehen. Da sagte die Frau eines Tages zu Gudbrand: »Mir deucht, wir sollten die eine Kuh zur Stadt bringen und sie verkaufen, damit wir ein paar Schillinge zum Ausgeben bekämen; wir sind so brave Leute und sollten doch wie andere Leute ein paar Schillinge in den Händen haben. Die hundert Taler in der Kiste dürfen wir nicht angreifen, und ich weiß nicht, was wir mit mehr als einer Kuh wollen; und dann ist auch noch ein kleiner Gewinn dabei, wenn ich dann nur auf die eine Kuh aufzupassen brauche und mich nicht wie jetzt mit zweien placken muss.«

Ja, das deuchte dem Gudbrand ganz recht und vernünftig gesprochen, und er nahm sogleich die Kuh und ging damit zur Stadt, um sie zu verkaufen. In der Stadt aber fand sich niemand, der ihm die Kuh abkaufen wollte. Ei nun, dachte Gudbrand, so geh ich mit meiner Kuh wieder nach Hause; ich weiß, ich habe Stall und Joch für sie, da macht es nichts. Und damit stiefelte er mit seiner Kuh getrost wieder heimwärts.

Als er ein Endchen gegangen war, begegnete ihm einer, der hatte ein Pferd zu verkaufen. Nun deuchte unserm Gudbrand, es wäre besser, ein Pferd zu haben als eine Kuh, und darum tauschte er mit dem Mann. Als er noch etwas weiter gegangen war, begegnete ihm einer, der trieb ein fettes Schwein vor sich her, und da meinte Gudbrand wieder, ein fettes Schwein sei doch besser als ein Pferd, und tauschte mit dem Mann. Darauf ging er weiter, und nach einer Weile begegnete ihm ein Mann mit einer Ziege. Eine Ziege ist freilich immer besser als ein Schwein, dachte Gudbrand und tauschte mit dem Mann, der die Ziege hatte. Nun ging er eine weite Strecke, und endlich begegnete ihm ein Mann, der hatte ein Schaf, und mit dem tauschte er ebenfalls, denn er dachte, besser ist's immer, ein Schaf zu haben als eine Ziege. Als er nun noch weiter gegangen war, begegnete ihm ein Mann mit einer Gans, und nun vertauschte Gudbrand das Schaf gegen die Gans. Als er darauf ein weites, weites Ende gegangen war, begegnete ihm ein Mann mit einem Hahn; mit dem tauschte er nochmals, denn er dachte, im Grunde ist's doch besser, einen Hahn zu haben als eine Gans.

Er wanderte nun weiter, bis es Abend wurde, und da sich bei ihm nun der Hunger einstellte, verkaufte er den Hahn für drei Groschen und kaufte sich dafür etwas zu essen. Denn es ist doch besser, mit dem Leben nach Hause zu kommen als mit einem Hahn, dachte Gudbrand vom Berge. Darauf setzte er seinen Weg nach Hause fort, bis er zu dem Gehöft seines nächsten Nachbarn kam, da kehrte er ein. »Nun, wie ist es dir in der Stadt ergangen?« fragten die Leute ihn. »Oh, das ist nun so leidlich gewesen«, sagte Gudbrand. »Ich habe nicht gerade Glück gehabt, aber auch nicht gerade Unglück.« Und dann erzählte er ihnen, wie sich alles zugetragen hatte, von Anfang bis Ende. »Na, da wird dich deine Frau aber auch schön empfangen, wenn du nach Hause kommst«, sagte der Mann von dem Gehöft. »Gott steh dir bei! Ich möchte nicht in deiner Haut stecken!«

»Mir deucht, es könnte weit schlimmer gegangen sein«, sagte Gudbrand vom Berge, »sei es nun aber gut oder schlecht gegangen - ich habe doch eine gute Frau, die mir nie Vorwürfe macht, was ich auch immer anfange.«

»Ja, das mag sein«, sagte der Mann, »aber ich glaub's doch nicht.«

»Wollen wir wetten?« versetzte Gudbrand vom Berge. »Ich habe hundert Taler in der Kiste liegen, hältst du ebensoviel dagegen?«

»Topp!« rief der Nachbar, und als es anfing zu dämmern, begaben sich beide zu Gudbrands Gehöft.

Hier blieb der Nachbar draußen vor der Tür stehen, um zu horchen, während Gudbrand zu seiner Frau hineinging und mit ihr sprach. »Guten Abend!« sagte die Frau, »na, Gott sei Lob, bist du wieder da?« Ja, das war er denn wohl. Nun fragte die Frau, wie's ihm denn ergangen sei in der Stadt. »Ach, so so!« antwortete Gudbrand. »Ich kann mein Glück nicht gerade rühmen. Als ich in die Stadt kam, war niemand da, der mir die Kuh abkaufen wollte; darum vertauschte ich sie gegen ein Pferd.«

»Ei, da muss ich dir ja dankbar sein«, sagte sie. »Wir sind so brave Leute, dass wir wohl auch wie andere zur Kirche fahren können, und wenn wir uns ein Pferd leisten können - warum sollten wir es nicht? - Geht, Jungens, und holt das Pferd herein!« -

»Je nun«, sagte Gudbrand, »ich hab das Pferd doch nicht; denn als ich ein Stück Weges gegangen war, vertauschte ich es gegen ein Schwein.«

»Nein«, riet die Frau, »das ist so klug, als ob ich's selbst getan hätte! Danke schön, lieber Mann! Nun hab ich doch Speck im Hause, um den Leuten etwas anzubieten, die zu uns kommen. Was sollen wir auch mit dem Pferd? Die Leute würden nur sagen, wir wären so vornehm geworden. dass wir nicht mehr zur Kirche gehen könnten, wie wir es sonst getan haben. - Geht, Jungens, und bringt das Schwein herein!«

»Aber ich habe das Schwein doch auch nicht«, sagte Gudbrand, »denn als ich ein Ende gegangen war, vertauschte ich es gegen eine Milchziege.«

»Jerum, wie du alles vortrefflich machst!« rief die Frau. »Was sollte ich auch mit dem Schwein, wenn ich's recht bedenke? Die Leute würden nur sagen, ›die da fressen alles auf, was sie haben‹. Nein, hab ich eine Ziege, dann bekomme ich Milch und Käse, und die Ziege bleibt mir dennoch. - Jungens, lasst die Ziege herein!«

»Nein, ich hab die Ziege doch auch nicht«, sagte Gudbrand, »denn als ich etwas weiter gekommen war, vertauschte ich die Ziege und bekam dafür ein herrliches Schaf.«

»Nein!« rief die Frau, »du hast alles gemacht, wie ich's mir nur wünschen kann, grade, als war ich selbst dabei gewesen. Was sollten wir auch mit der Ziege? Ich müsste dann immer hinterher laufen und bergauf und bergab klettern. Hab ich aber ein Schaf, so hab ich Wolle und Kleider im Haus und Essen obendrein. - Geht. Jungens, bringt das Schaf rein!«

»Aber ich hab das Schaf auch nicht mehr«, sagte Gudbrand, »denn als ich etwas weiter gegangen war, vertauschte ich es gegen eine Gans.«

»Ei, tausendmal schönen Dank!« sagte die Frau. »Was sollte ich auch wohl mit dem Schaf? Ich habe ja weder Rocken noch Spindel und reiße mich auch nicht darum, mich zu placken und zu quälen und Kleider zu weben; wir können ja unsere Kleider kaufen, wie wir es sonst getan haben. Nun bekomme ich doch mal Gänsefleisch zu schmecken, danach habe ich schon so lange gelechzt, und kann mir Daunen in meine Kissen stopfen. - Geht, Jungens, und holt die Gans rein!«

»Ja, ich hab die Gans aber auch nicht«, sagte Gudbrand, »denn als ich noch ein Stück gegangen war, vertauschte ich sie gegen einen Hahn.«

»Gott weiß, wie du auf das verfallen bist«, rief die Frau, »es ist alles grade so, als ob ich's selbst gemacht hätte. Ein Hahn, das ist dasselbe, als ob du eine Weckuhr gekauft hättest; denn jeden Morgen kräht der Hahn um vier, und dann können wir zur rechten Zeit auf die Beine kommen. Was sollten wir wohl mit der Gans? Ich versteh mich nicht darauf, Gänsefleisch zu pökeln, und mein Kissen kann ich mir ja mit Seegras stopfen. - Geht, Jungens, und holt den Hahn rein!«

»Aber ich habe doch den Hahn auch nicht«, sagte Gudbrand, »denn als ich noch etwas weiter gegangen war, bekam ich entsetzlichen Hunger und musste den Hahn für drei Groschen verkaufen, damit ich nur lebendig nach Hause kam.«

»Na, das war recht, dass du das tatst!« rief die Frau. »Was du auch anfängst, du machst alles, wie ich's nur wünschen kann. Was sollten wir auch mit dem Hahn? Wir sind ja unsre eignen Herren und können des Morgens liegen bleiben, so lange wir wollen. Na, Gott sei Lob! Wenn ich dich nur wieder habe, der du alles so gut machst, dann brauch ich weder Hahn noch Gans noch Schwein noch Kuh.«

Nun machte Gudbrand die Tür auf. »Hab ich jetzt die hundert Taler gewonnen?« rief er, und das musste der Nachbar ja nun zugeben.