[swahili, "Geschichte, Legende"]

Graf Radaja und der Räuber

In jenen längst vergangenen Zeiten, als man noch keine Eisenbahnen, keine Eisenvögel und sonstige Wunderdinge kannte und mehr unbestelltes Land vorhanden war als Gärten und Äcker, da gab es so viele Räuber, dass weder Gendarmen noch Panduren gegen sie aufkommen konnten. Es waren samt und sonders verwegene Kerle, arme Bauern, die ihres Elenddaseins überdrüssig waren, sich wie hungrige Hunde von der Kette gerissen hatten. Sie überfielen die Schlösser von Grafen und Baronen, trieben Kühe und Pferde weg und verteilten sie unter den Armen. Deshalb wurden sie vom Volk geschützt und versteckt gehalten. Der König wusste nicht mehr ein noch aus, und als Graf Radaja ihm eines Tages anbot, die Ausrottung der Räuber zu übernehmen, vorausgesetzt, man ließe ihm in den Mitteln freie Hand, da willigte der König, ein. Was daraufhin geschah, ist unbeschreiblich. Das einzige Gesetz, das Graf Radaja anerkannte, war sein eigener Wille. Er saß in Szegedin, trank kühlen Wein, und indessen wüteten seine Panduren. Das Gerücht ging, dass er eine Maschine besäße, die die Menschen beim lebendigen Leibe wie Wurstfleisch zerkleinerte; danach würden sie den Fischen als Futter vorgeworfen. Jedenfalls gelang es nur ganz wenigen, seinen Klauen zu entrinnen, und wenn man so einen bat, doch zu erzählen, wie es beim Grafen gewesen war, erhielt man nur zur Antwort: »Geh selber zu Radaja, dann wirst du's erfahren.« Wenn jedenfalls ein Pandur den Räubern in die Hände fiel, so behielt er am ganzen Leibe keine heile Stelle mehr, an der er sich hätte kratzen können.

Damals lebte auch ein junger Räuber, so tapfer und schön wie selten einer. Er hatte heißes Blut, und in den Schlachten mit den Panduren kämpfte er nicht mit der Pistole, sondern mit Säbel und Knüppel. Während er auf sie eindrosch, schrie er: »So ist's hierzulande Brauch!« Das ging eine Weile gut, doch bekanntlich wirkt da, wo der Säbel nicht mehr hinreicht, noch die Kaufkraft des Goldes. Der Graf fand eine käufliche Seele, die den armen Räuber verriet. Die Panduren überfielen ihn, als er schlief, und noch bevor er zum Säbel greifen konnte, lag er schon in Eisen. Wie einen Sack packten die Panduren ihn aufs Pferd und brachten ihn zum Grafen Radaja. Dem fiel ein Stein vom Herzen, weil er endlich seinen ingrimmigsten Feind gefangen hatte. »Jetzt schlage ich dir den Kopf ab, obendrein mit deinem eigenen Säbel!« schrie er mit Hass funkelnden Augen. Der Räuber lachte so schallend, dass ihm die Ketten an den Armen klirrten. »Wie kannst du jetzt noch lachen?« fauchte der Graf. »Weshalb denn nicht?« antwortete der Räuber belehrend, als hätte er ein unmündiges Kind vor sich. »Ich bin so ansehnlich, dass es mir nichts ausmacht, wenn deine Henker mich anglotzen. Hätte ich eine Drecksfresse wie du, dann würde ich mich schämen, sie zu zeigen.«

»Lange wirst du sie nicht mehr sehen, die Panduren bringen schon den Richtblock!« schrie der Graf. Wieder lachte der Räuber aus vollem Halse. »Freilich, ich weiß, dass ich sterben muss, denn ich bin in deine Netze geraten. Dennoch werd ich jetzt von dir Abschied nehmen, wie's mir gefällt, obwohl mir die Hände gefesselt sind.« Und bevor der Graf wusste, wie ihm geschah, hatte ihm der Räuber in den Bart gespieen, obendrein in Gegenwart der Panduren! Der Graf wurde puterrot vor Wut und Scham und spie dem Räuber ebenfalls ins Gesicht. »Jetzt sind wir quitt!« brüllte er. »Mach dir klar, dass du in wenigen Augenblicken geköpft wirst.«

Der Räuber platzte fast vor Lachen. »Aber bevor du stirbst, sage mir noch, weshalb du lachst!« stöhnte der Graf. »Wie soll ich nicht lachen, da du doch so dumm bist und glaubst, deinen Bart an mir gerächt zu haben! Ach, Radaja, ich werfe jetzt mein bespieenes Haupt von den Schultern, du hingegen wirst zu deiner eigenen Schande bis zu deinem Tode mit deiner bespieenen Fresse herumlaufen!«