[swahili, "Geschichte, Legende"]

Märchen aus tausend und einer Nacht Geschichte Nuruddins und seines Sohnes und Schemsuddins und seiner Tochter

Djafar erzählte nun dem Kalifen Harun Arraschid folgendes: Beherrscher der Gläubigen! Einst lebte in Ägypten ein gerechter, beschützender, wohltätiger und freigebiger Sultan, der ein Freund der Armen und ein Gönner der Schriftgelehrten war, zugleich ein wackerer Krieger, dem niemand den Gehorsam versagte. Er hatte einen alten und verständigen Wesir, der im Schreiben und Rechnen große Fertigkeit besaß und auch in manchen anderen Wissenschaften bewandert war. Dieser hatte zwei Söhne von hübschem Wuchse und vollkommener Schönheit, so dass sie dem Monde oder einer Gazelle verglichen werden konnten. Der ältere hieß Schemsuddin Mohammed und der jüngere Nuruddin Ali; dieser war besser als sein Bruder, er war das edelste Geschöpf Gottes zu jener Zeit. Als nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge ihr Vater, der Wesir, starb, war der Sultan sehr betrübt darüber, er ließ daher, aus Liebe zum Wesir, dessen beide Söhne zu sich rufen, beschenkte sie mit dem Ehrenkleide ihres Vater und sagte zu ihnen: »Ihr sollt nun an eures Vaters Stelle treten und gemeinschaftlich das Amt eines Wesirs von Ägypten versehen.« Die jungen Waisen verbeugten sich vor dem Sultan und gingen, um ihres Vaters Leichenbegängnis zu besorgen. Kaum war ein Monat nach dem Tode ihres Vaters verflossen, so versahen sie auch schon das Amt eines Wesirs, eine Woche um die andere sich im Dienste ablösend. Eben so begleiteten sie auch den Sultan abwechselnd auf seinen Reisen. Beide Brüder bewohnten ein Haus und beide hatten nur einen Willen und einen Wunsch. Nun begab es sich, dass die Reihe der Begleitung des Sultans auf einer Reise den älteren Bruder traf. Die Nacht vor seiner Abreise, als beide Brüder vertraulich beisammen saßen und plauderten, sagte der ältere: »Willst du wohl, mein Bruder, dass wir zwei Schwestern heiraten, den Ehekontrakt an demselben Tage unterzeichnen und in einer und derselben Nacht unsere Ehe vollziehen?« Nuruddin antwortete: »Tue was dir gut dünkt, mein Bruder, denn all dein Vorhaben führt zu einem guten Ende; sobald du also von deiner Reise zurückkehrst, wollen wir um zwei Schwestern werben, und Gott wird uns dazu seinen Segen verleihen.« Hierauf fuhr der ältere weiter fort: »Wenn wir nun an einem Tage uns verloben und verheiraten, und unser Frauen zur nämlichen Zeit guter Hoffnung werden und an einem Tage niederkommen, dann deine Frau einen Knaben und meine Frau ein Mädchen gebärt, wirst du nicht deinen Sohn mit meiner Tochter vermählen?«

»gewiss recht gern, mein Bruder«, erwiderte Nuruddin; »aber wie viel Mitgift müsste mein Sohn deiner Tochter zubringen?«

»Weniger würde ich nicht nehmen«, erwiderte der ältere, als 3000 Dinare, drei Gärten und drei Sklaven, außer dem, was gewöhnlich einer Frau verschrieben wird.« Hierauf versetzte Nuruddin: »Wozu die ungerechte Forderung einer solchen Mitgift? Sind wir nicht Brüder und beide Wesir? Jeder von uns kennt schon seine Pflicht. Du hättest wohl deine Tochter meinem Sohne ohne Mitgift zur Frau geben können, der Mann ist doch edler als das Weib; du verfährst mit mir wie jener, von dem man einen Dienst verlangte, und der darauf erwiderte: morgen, so Gott will! dann folgenden Vers rezitierte:

»Verweist man dich in einer Angelegenheit auf morgen, so kannst du wenn du verständig bist, daraus schließen, dass man deiner los sein will.«

Schemsuddin ward sehr aufgebracht darüber und sprach: »Wehe dir! schäme dich, zu sagen, dein Sohn sei edler als meine Tochter; wie wagst du es nur, ihn mit ihr zu vergleichen? Bei Gott, du hast weder Verstand noch Erfahrung. Auch sagst du, wir seien beide Wesire, während ich dich eigentlich nur als Gehilfen neben mir dulde, um dich nicht zu tief zu kränken. Nun aber schwöre ich bei dem Allmächtigen: meine Tochter soll deinen Sohn nicht heiraten, wenn du mir auch noch soviel Gold geben willst, als sie wiegt; nie werde ich deinen Sohn als Eidam annehmen, sollte ich auch deshalb den Todeskelch leeren müssen!« Nuruddin geriet über diese Worte seines Bruders gleichfalls in heftigen Zorn und fragte noch einmal: »Wie, mein Bruder, du würdest deine Tochter meinem Sohne verweigern?«

»Nie«, erwiderte der ältere, »werde ich zu einer solchen Ehe meine Einwilligung geben; nicht einen abgeschnittenen Nagel von ihr soll er erhalten. müsste ich nicht morgen abreisen, so würde ich dich gleich wegen deines Übermutes zur Strafe ziehen; sobald ich aber von meiner Reise zurückkehre, werde ich dir zeigen, was meine Ehre erfordert.« Nuruddins Zorn ward immer heftiger, doch wusste er ihn zu verbergen, und erst, als er bewusstlos hinstürzte, hörte sein Bruder auf zu drohen. So brachte jeder von ihnen die Nacht in einem besondern Winkel zu, und der eine blieb gegen den anderen gleich aufgebracht. Als des Morgens Schemsuddin, weil es seine Reihe war, den Sultan nach den Pyramiden begleitete, ging der von seinem Bruder so tief gekränkte Nuruddin in die Schatzkammer, füllte einen kleinen Sack mit Gold und rezitierte folgende Verse:

»Reise, du findest leicht andere Leute für die, welche du verlässest; sei tätig, dann erlangst du des Lebens Reiz! Nur in der Fremde, nicht zu Hause sammelt man Ruhm oder Erfahrung, drum verlasse die Heimat und wandte umher; leicht verdirbt ein stehendes Wasser, nur wenn es in Bewegung kommt, bleibt es frisch. Bliebe die Sonne immer am Firmamente fest stehen, so würden alle Menschen, Araber und andere, ihrer bald überdrüssig werden; und könnte man nicht aus den Veränderungen des Mondes wahrsagen, so würde kein Beobachter stets zu ihm hinaufsehen. Der Löwe fände keine Beute, wenn er den Wald nicht verließe, und der Pfeil würde nichts treffen, wenn er am Bogen bliebe. Gold liegt wie Staub im Schachte, und Aloe ist nicht mehr als anderes Holz da, wo es wächst; jenes wird gesucht, wenn es der Erde entrissen, und dieses wird zu Gold in fremdem Lande.«

Nachdem er diese Verse gesprochen, befahl er einem seiner Diener, seiner Mauleselin den mit Silber verzierten Sattel aufzulegen. Diese war eine der besten und vortrefflichsten, mit Ohren wie geschnittene Rohrfedern, und Füßen wie eine aufgebaute Säule; er ließ ihr das schönste Geschirr anlegen, einen seidenen Teppich über den Sattel ausbreiten und den Quersack darauf packen. Dann sagte er seinen Sklaven und Dienern: »Ich will mich auf dem Lande zerstreuen, ich will die Gegend von Kaliub und andere noch bereisen; ich werde daher einige Tage ausbleiben, es braucht mir aber niemand von euch zu folgen.« Hierauf bestieg er seine Mauleselin, nachdem er sich mit Lebensmitteln versehen hatte, ritt von Kahirah weg und nach dem Weg zur Wüste. Gegen Mittag kam er in eine Stadt, Bilbeis genannt; er ruhte daselbst ein wenig aus, aß zu Mittag und versah sich wieder mit frischen Lebensmitteln für sich und seine Eselin. Alsdann machte er sich wieder auf den Weg und kam gegen Abend, nachdem er seine Eselin nicht geschont hatte, nach Saidije. Durch mehrere Straßen dieser Stadt von seiner Eselin getragen, hielt er an der Post, fütterte sein Tier, aß selbst etwas, legte seinen Quersack unter den Kopf, ein Kissen auf den Boden und breitete einen Teppich darüber aus. Je mehr er über das Betragen seines Bruders nachdachte, desto heftiger ward sein Zorn, und er schwor, nicht zurückzukehren, und sollte er auch bis Bagdad reisen. Als er des Morgens wieder seine Reise fortsetzte, traf er einen Kurier; er trieb seine Mauleselin und ritt gleichen Schrittes mit diesem, und Gott ließ ihn glücklich nach Basrah kommen. Nuruddin ging einst vor den Toren der Stadt spazieren und traf zufällig den Statthalter von Basrah daselbst. Als dieser den jungen Mann erblickte und an seinem feinen, vornehmen Wesen bemerkte, dass er von edler Geburt sein müsse, ging er auf ihn zu, grüßte ihn und erkundigte sich nach seinen Umständen. Nuruddin erzählte ihm alles; dann auch, wie er geschworen habe, nicht nach Hause zurückzukehren, bis er die ganze Welt gesehen, und lieber sterben wolle als unbefriedigt die Heimat wieder zu betreten. Als der Wesir dies hörte, sprach er zu ihm: »Tue dies nicht mein Sohn! denn viele Länder sind unsicher; es könnte dir leicht ein Unglück begegnen.« Er nahm ihn dann mit nach Hause, erwies ihm viele Ehre, da er ihn bald sehr lieb gewonnen hatte. Eines Tages sagte er zu ihm: »Du weißt, mein Sohn, dass ich schon sehr alt bin und keine männlichen Nachkommen, sondern nur eine einzige Tochter habe, die dir an Schönheit gleicht; schon habe ich große und reiche Freier abgewiesen, doch fühle ich so große Zuneigung zu dir, dass ich dich frage: ob du wohl meine Tochter als Sklavin annehmen willst, so dass sie deine Frau werde ' und du ihr Mann? Ich werde dich dann als meinen Sohn anerkennen, dich als solchen dem Sultan vorstellen und ihn bitten, dass er dich an meiner Stelle zum Wesir mache. Ich selbst will mich in mein Haus zurückziehen; denn, bei Gott! sieh' mein Sohn, ich bin schwach und alt, und du wirst daher wie mein Kind mein Vermögen verwalten, und dem Wesir-Amte der Provinz Basrah vorstehen.« Als der Wesir ausgeredet hatte, blickte Nuruddin eine Weile zur Erde nieder, dann antwortete er, dass er bereit sei, alles zu tun, was der Wesir befehle. Dieser freute sich sehr über seine Antwort und befahl seinen Dienern, allerlei Speisen und Süßigkeiten zu bereiten und den großen Saal auszuschmücken, der zu solchen Festlichkeiten bestimmt war. Nachdem diese Befehle vollzogen waren, ließ der Wesir seine Freunde und die Großen des Reichs versammeln, sowie alle Vornehmen der Stadt Basrah einladen, die auch sogleich eintrafen. Er sprach dann zu ihnen: »Wisset, dass ich einen Bruder in Ägypten hatte, der daselbst Wesir war und dem Gott einen Sohn geschenkt hat; mir, wie ihr wohl Wisst, ist nur eine Tochter beschert worden. Da nun mein Neffe ebenso wie meine Tochter heiratsfähig ist, so hat mein Bruder seinen Sohn, den ihr vor euch seht, zu mir geschickt, um ihn mit meiner Tochter zu vermählen. Es soll nun die Hochzeit hier bei mir gefeiert werden; dann werde ich ihn mit allem Nötigen zur Rückreise ausstatten und ihn mit meiner Tochter nach Hause zurückkehren lassen.« Alle antworteten: »Du hat einen glücklichen Gedanken und ein lobenswertes Vorhaben, Gott wird deine Hoheit mit seiner Gnade krönen und den Weg segnen, den du eingeschlagen.«

Nach einer Weile kamen die Gerichtszeugen, die Diener deckten den Tisch, es wurde aufgetragen, und als man satt war, wurden noch verschiedene Speisen gereicht, dann wurde der Ehekontrakt geschlossen und der Saal mit dem feinsten Räucherwerk durchduftet. Nach und nach zogen sich die Gäste zurück, und der Wesir befahl seinen Dienern, Nuruddin ins Bad zu führen. Während er im Bade war, schickte ihm der Wesir einen vollständigen Anzug, der eines Königs würdig gewesen wäre; auch Tücher zum Abtrocknen, Weihrauch und anderes, dessen er bedurfte, wurden nicht vergessen. Als er aus dem Bade kam, glich er dem Vollmonde oder dem heranleuchtenden Morgen, wie ein Dichter sagte:

»Der Atem ist Moschus, die Wangen Rosen, die Zähne Perlen, der Speichel Wein, der Wuchs der Zweig eines Baumes, die Haare sind die Nacht und das Gesicht der Vollmond.«

Er ging dann zu seinem Schwiegervater und küsste ihm die Hand. Dieser erhob sich vor ihm, ließ ihn neben sich sitzen und sagte dann zu ihm: »Erzähle mir nun, warum du dein Vaterland verlassen und wie deine Leute dir erlaubten, dich von ihnen zu trennen; sprich wahr und verhehle mir nichts, merke dir die Worte des Dichters:

»Bleibe immer bei der Wahrheit, sollte sie auch mit dem Feuer der Hölle dich brennen, suche nur den Beifall des Herrn, denn wehe dem, der, um Sklaven zu gefallen, den Herrn erzürnt.«

Übrigens weißt du ja, dass ich dich an meine Stelle erheben und dich deshalb dem Sultan vorstellen will.« Nuruddin erzählte ihm, was zwischen ihm und seinem Bruder vorgefallen, und wie er heimlich seine Leute verlassen, zufällig nach Basrah gekommen, wo er endlich durch des Wesirs Wohltaten so glücklich geworden war, dessen Tochter zur Gemahlin zu erhalten. Der Wesir wunderte sich über diese Erzählung und lachte darüber. »Wie«, sagte er, »ihr habt schon Streit gehabt, ehe ihr geheiratet und Kinder gezeugt hattet? Doch lassen wir das beiseite, gehe jetzt zu deiner Gemahlin; morgen werde ich dich dein Sultan vorstellen, um ihm deine Geschichte zu erzählen, und ich hoffe, Gott wird dir seinen Segen nicht entziehen.« Nuruddin begab sich hierauf zu seiner Gemahlin, wie ihm sein Schwiegervater befohlen.

Schemsuddin aber, der, wie früher erwähnt worden ist, sich mit dem Sultan von Ägypten auf die Reise begeben hatte, und erst nach einem Monat zurückkam, wollte gleich nach seiner Rückkehr Nuruddin zu sich rufen lassen, als man ihm sagte, dass man ihn seit seiner Abreise vermisse und dass er wohl in fremden Ländern herumreise; er habe zwar gesagt, er werde nur wenige Nächte ausbleiben, man habe aber seither gar nichts mehr von ihm vernommen. Als Schemsuddin dies hörte, war er sehr betrübt und konnte sich diese lange Abwesenheit gar nicht erklären. gewiss, dachte er, ist ihm ein Unglück widerfahren. Er beschloss daher, ihn bis in die entferntesten Länder aufsuchen und überall Boten ausschicken zu lassen, um Nachricht von ihm zu erhalten. Es kamen Boten nach Haleb, konnten aber, da Nuruddin schon in Basrah war, daselbst nichts von ihm erfahren; sie kehrten daher bestürzt nach Kahirah zurück. Schemsuddin verlor bald die Hoffnung, seinen Bruder wieder zu finden. Gott, der allein Mächtige, stehe mir bei, dachte er, ich habe meinem Bruder zu viel getan, als wir von unserer Vermählung sprachen. Nach einiger Zeit vermählte sich Schemsuddin mit der Tochter eines vornehmen Mannes aus Kahirah und der Zufall wollte, dass er seine Gemahlin in derselben Nacht heimführte, wie sein Bruder in Basrah die seinige, und Gott, um den Menschen seine Weisheit zu offenbaren, fügte es, dass Schemsuddins Frau eine Tochter und Nuruddins Frau einen Sohn gebar. Nuruddins Sohn war so schön, dass er Mond und Sonne beschämte; leuchtend war seine Stirne, rot seine Wangen, marmorn sein Hals, und auf seiner rechten Wange war ein braunes Fleckchen, wie ein Ambrabogen, wie ein Dichter ihn beschrieben:

»Schlank ist sein Wuchs, sein schönes Gesicht und seine schwarzen Haare verbreiten abwechselnd Licht und Finsternis in der Welt; verkennt auch nicht das Fleckchen auf seinen Wangen, denn auch bei der Rose findet ihr ein solches wieder.«

Kurz, der Kleine war so hübsch und wohl gewachsen, dass seine Anmut alle Herzen bezauberte, sowohl seine Gestalt, als sein ganzes Wesen gewannen ihm die Liebe aller. Nichts fehlte an seiner Schönheit, ein Reh musste sogar ihn um seinen Hals und seinen Blick beneiden; wohl bezeichnet wird er noch durch folgende Verse:

»Bringt man die Schönheit selbst, um sie mit ihm zu vergleichen, wird sie aus Scham ihr Gesicht niederschlagen; fragt man sie aber: hast du je etwas Ähnliches gesehen? so antwortet sie: nein, niemals!«

Nuruddin nannte diesen Knaben Bedruddin Hasan; sein Großvater, der Wesir von Basrah, freute sich unendlich mit ihm; es war eine große Mahlzeit gegeben, und der Wesir machte seinem Schwiegersohne Geschenke, die eines Königs würdig waren; er ging dann mit ihm zum Sultan, der ein schöner, wohltätiger und verständiger Mann war, verbeugte sich vor ihm und sprach folgende Verse:

»Dein Leben und dein Ruhm mögen so lange dauern, als Morgen und Abend miteinander wechseln! Möchtest du, so lange es eine Nacht gibt, in ununterbrochenem Glücke fortleben!«

Nachdem der Sultan ihm für seinen Wunsch gedankt, fragte er ihn, wer der junge Mann sei, den er mitgebracht; der Wesir erzählte ihm Nuruddins ganze Lebensgeschichte und setzte dann hinzu: »Lasse, o König! diesen Mann an meiner Stelle Wesir werden, denn er besitzt eine ausgezeichnete Beredsamkeit; ich, dein Sklave, bin schon sehr alt. Mein Geist hat abgenommen, mein Gedächtnis ist schwach geworden, darum wünsche ich von der Gnade des Sultans, dass mein Schwiegersohn nun meinen Platz einnehme; ich glaube wohl, dass er dessen durch meine treuen Dienste würdig geworden.« Er küsste dann den Boden vor dem Sultan, der Nuruddin sogleich lieb gewonnen, sobald er ihn nur angesehen hatte; er ließ daher ein Ehrenkleid herbeibringen und bekleidete Nuruddin selbst damit, auch schenkte er ihm eine von seinen besten Mauleselinnen, und setzte ihm sogleich ein Jahrgeld fest, wie es seinem Range gebührte. Der alte Wesir kehrte sodann wieder mit seinem Schwiegersohne nach Hause zurück, und im Übermaße ihrer Freude sagten sie zueinander: »Dies Glück bringt uns allein das neugeborene Kind!« Am folgenden Tag ging Nuruddin wieder zum Sultan, trat sein neues Amt an und versah alle Geschäfte eines Wesirs; nichts war ihm zu schwer, als hätte er schon darin eine lange Übung gehabt. Der Sultan liebte ihn immer mehr, und Nuruddin kehrte höchst beglückt über die Huld des Sultans, der ihn reich beschenkte, nach Hause zurück, wo seine Freude mit seinem Sohne, dem er die sorgfältigste Erziehung gab, nicht minder groß war. So vergingen Tage und Nächte, und Bedruddin war immer größer und hübscher. Als er aber das vierte Jahr erreicht hatte, war sein Großvater krank, er vermachte ihm sein ganzes Vermögen und starb. Man bereitete die Trauermahlzeit und verrichtete die üblichen Leichen-Zeremonien und Trauerfeierlichkeiten einen ganzen Monat lang. Als Bedruddin sieben Jahre alt war, führte ihn sein Vater in die Schule und empfahl ihn angelegentlich dem Lehrer: »Gib wohl acht auf dieses Kind«, sagte er zu ihm, »und vernachlässige weder seinen Unterricht, noch seine moralische Bildung.«

So war der Kleine immer klüger, verständiger, gebildeter und beredter, der Lehrer freute sich sehr über ihn, und nach zwei Jahren hatte er schon recht viel gelernt.

Im Alter von zwölf Jahren, so fuhr Djafar in seiner Erzählung vor dem Kalifen fort, hatte der Kleine Schönschreiben, Theologie, Grammatik, arabische Literatur, Arithmetik und den Koran gelernt. Auch ließ ihn Gott immer schöner und liebenswürdiger werden, so dass folgende Verse ihn recht gut bezeichnen:

»Sein schlanker Wuchs gleicht einem kräftigen Baumstamme, der Mond scheint von seiner leuchtenden Stirne aufzugehen, die Sonne geht in den Rosen seiner Wangen unter; er ist der König der Schönheit, und die Schönheit alles Geschaffenen ist von ihm entlehnt.«

Als ihn zum ersten Male sein Vater hübsch kleidete und sich mit ihm auf den Weg machte, um zum Sultan zu reisen, drängten sich alle Leute um den Wesir, damit sie diesen schönen Knaben besser sehen konnten. Sie überhäuften den Vater und seinen Sohn mit Glückwünschen; alle waren über des Knaben Schönheit entzückt und konnten ihn nicht genug bewundern, so oft sie ihn sahen, denn er war wirklich wie ein Dichter sagte:

»Gepriesen sei der, der ihn so schön geschaffen! Er ist der König aller Schönheit, alle Menschen sind ihm ergeben, sein Speichel ist fließender Honig, seine Zähne sind eingereihte Perlen. Er allein vereinigt alles Schöne in sich, und alle Menschen verirren sich in seiner Anmut. Die Schönheit hat auf seine Stirne geschrieben: »Ich bezeuge, dass nur er wahrhaft schön ist.«

Er war die Verführung aller Liebenden, der Lustgarten, nach dem jeder sich sehnte, süß waren seine Worte, freundlich sein Lächeln, er beschämte den Vollmond und war schmiegsamer als die Zweige des Ban, seine Wangen konnten alle Rosen ersetzen. Als er zwanzig Jahre zählte, ward sein Vater krank: er ließ seinen Sohn zu sich rufen und sprach zu ihm: »Wisse, dass diese Welt ein vergänglicher Aufenthaltsort ist, dass jenes Leben aber ewig dauert; ich will dir daher fünf Dinge empfehlen, über die ich viel nachgedacht habe.« Er erinnerte sich dann auch an seine Heimat und an seinen Bruder Schemsuddin, und er musste weinen bei dem Gedanken, nun fern von seinem Vaterlande sterben und von allen Freunden sich trennen zu müssen; er seufzte schwer und sprach folgende Verse:

»Was sollen wir sagen bei der Entfernung von der Heimat, was tun, wenn heftige Sehnsucht uns überfällt? Kein Bote kann von unserer Liebe Nachricht bringen. Wie sollen wir uns trösten, wenn wir von vielen Freunden keinen einzigen mehr finden? Nun bleiben uns nur Klagen und Seufzer und Tränen, die über unsere Wangen herabrollen. O ihr, die ihr von meinem Augen fern, doch meinem Herzen so nahe seid, Wisst ihr wohl, dass trotz der langen Trennung meine Freundschaft doch standhaft blieb? Habt ihr in der Entfernung einen Freund vergessen, der so oft eure Tränen getrocknet? Schwere Vorwürfe werde ich euch zu machen haben, wenn uns dort wieder ein neues Leben vereint.«

Als er diese Verse gesprochen und heftig geweint hatte, sagte er zu seinem Sohne: »Bevor ich dir meinen letzten Willen offenbare, wisse, dass du einen Oheim hast, der Wesir in Kahirah ist, von dem ich mich gegen seinen Willen getrennt habe.« Er nahm hierauf ein Papier und schrieb alles, was zwischen ihm und seinem Bruder vorgefallen, nieder; ferner alles, was ihm in Basrah widerfahren war, den Tag seiner Hochzeit und sein Alter, legte dann dieses Papier zusammen, versiegelte es und gab es seinem Sohne, indem er ihm befahl, es wohl aufzubewahren.

Hasan nahm das Papier und nähte es in seine Kappe unter der Binde ein, während er viele Tränen über den Verlust seines Vaters vergoss, der im Todeskampfe dalag. Als dieser sich wieder ein wenig erholt hatte, sprach er: »dass Erste, was ich dir anempfehle, dass du nicht mit jedem Verbindungen anknüpfest; nur so entgehst du vielem Übel; wer ruhig leben will, muss Zurückgezogenheit lieben, wie ein Dichter sagte:

»Es gibt niemand in deiner Zeit, von dem du wahre Freundschaft erwarten kannst; kein Freund bleibt dir treu, wenn das Glück dich verlässt, lebe einsam und baue auf niemanden, dies ist mein Rat, es bedarf keines weitern.«

»Zweitens: Mein Sohn, tue niemandem Unrecht, es möchte sonst das Schicksal auch dir Unrecht tun; denn das Schicksal ist heute für dich, einen anderen Tag gegen dich; die Welt ist ein geliehenes Gut, das man wieder zurückgeben muss. Schon hat ein Dichter gesagt:

»Besinne dich und folge nicht zu rasch deiner Leidenschaft, sei barmherzig gegen Menschen, sie werden dich den Milden nennen. Gottes Hand ist über jede Hand erhaben; niemand übt eine Gewalttat aus, dem sie nicht wieder vergolten wird.«

»Drittens: Gewöhne dich zu schweigen und vergiß anderer Leute Fehler bei deinen eigenen; es ist ein allgemeines Sprichwort: wer schweigen kann, entgeht vieler Gefahr. Du weißt auch, wie es bei einem Dichter heißt:

»Schweigen ist eine Zierde, stille sein ist Heil; sei nicht voreilig im Sprechen, denn kannst du auch einmal es bereuen, geschwiegen zu haben, so wird es dich gar oft reuen, zu viel gesprochen zu haben.«

»Viertens: Hüte dich vor dem Weintrinken, denn der Wein ist die Veranlassung großen Unheils, weil er den Verstand raubt; nimm dich wohl in acht, keinen Wein zu trinken und erinnere dich der Worte des Dichters:

»Ich meide den Wein und die, die ihn trinken, auch führen mich die, welche ihn tadeln, zum Muster an, dieses Getränk verwirrt den Pfad des Rechts und öffnet die Pforte zu allem Bösen.

»Fünftens: Mein Sohn, bewahre dein Vermögen, es wird dich vor vielem Übel bewahren; verschwende nicht was du hast, sonst wirst du noch bei schlechten Menschen Hilfe suchen müssen. Hüte wohl dein Geld, denn es ist ein sicheres Heilmittel; ich weiß, wie ein Dichter sprach:

»Ist mein Vermögen gering, so will niemand mein Freund sein, ist es groß, so nennen sich alle Leute meine Freunde; wie mancher Freund leistete mir Gesellschaft, wenn es galt, mein Geld zu verschwenden, und wie viele ließen mich allein, als ich mein Vermögen verloren!«

Er empfahl ihm dann noch andere Tugenden, bis er in seines Sohnes Armen verschied.

Nach dem Tode seines Vaters trauerte Bedruddin zwei Monate lang; er ritt nie aus, und versäumte sogar sein Amt beim Sultan vor übermäßiger Betrübnis, Der Sultan war so sehr darüber erzürnt, dass er einen seiner Schlosshüter zum Wesir ernannte, und befahl ihm, mit Gefolge ins Haus des verstorbenen Wesirs zu gehen, alles, was er hinterlassen, aufzunehmen und zu versiegeln, und keinen Heller zurückzulassen. Der neue Wesir ging sogleich mit einem Gefolge von Kämmerern und Schreibern, und fragte nach dem Hause des Wesirs Nuruddin Ali. Unter den Leuten, die er fragte, war ein Sklave Nuruddins, der, als er hörte, was vorgefallen, sogleich zu Bedruddin eilte, der in dem Hofe seines Palastes mit gesenktem Haupte und mit zerknirschtem Herzen saß. Der Sklave warf sich vor ihm nieder, küsste ihm die Hand und sprach: »O mein Herr und Sohn meines Herrn, eile, eile, ehe es nicht mehr Zeit ist!« - Hasan fragte erschrocken, was es gebe? - »Der Sultan«, erwiderte der Sklave, »ist gegen dich aufgebracht und hat befohlen, dich in Verhaft zu nehmen; schon kommen seine Leute hinter mir her, rette dich daher schnell, damit du nicht in ihre Hände fällst, denn sie werden nicht schonend mit dir umgehen.« - Hasan erglühte vor Zorn, dann folgte die Blässe auf seinem Angesichte, und er fragte den Sklaven: »Habe ich nicht so viel Zeit noch, ins Haus zu gehen?«

»Nein!« erwiderte der Sklave; »verlasse dein Haus und mache dich sogleich auf den Weg.« Hierbei rezitierte er folgende Verse:

»Rette nur dein Leben schnell, wenn du Gewalt befürchtest, und lasse das Haus den Verlust seines Erbauers ausrufen; leicht findest du ein anderes Land für das deinige, aber für dein Leben findest du kein anderes zum Ersatz.«

Der junge Mann schlüpfte schnell in seine Pantoffeln und schlug die Schleppe seines Kleides um sein Gesicht, aus Furcht, erkannt zu werden, und da er nicht wusste, wohin er sich wenden sollte, ging er auf das Grab seines Vaters zu, ließ dann sein Oberkleid wieder herunter, an welchem goldgestickte Knöpfchen waren, auf denen geschrieben stand:

»O du mit leuchtendem Gesichte wie Sterne oder Tau, ewig daure dein Ruhm und deine Ehre.«

Als er so in Gedanken fortwanderte, begegnete er einem Juden, der eben zur Stadt zurückkehren wollte; es war ein Geldwechsler und er trug einen Korb in der Hand.

Als der Jude Bedruddin sah, grüßte er ihn und küsste ihm die Hand; dann fragte er ihn: wohin er so spät wolle und warum er so verstört aussehe? Hasan antwortete ihm: »Ich habe ein wenig geschlafen, da erschien mir mein Vater im Traume; als ich nun erwachte, wollte ich noch vor Nacht schnell sein Grab besuchen.« Hierauf sagte ihm der Jude: »Ich weiß, dass dein Vater, unser Herr, vor seinem Tode Waren auf dem Meere hatte; es müssen nun bald mehrere Schiffe mit seinen Ladungen ankommen, und ich bitte dich, sie keinem andern, als mir zu verkaufen; ich gebe dir sogleich 1000 Dinare, wenn du die Ladung des Schiffes, das zuerst einlaufen wird, mir verkaufen willst.« Als Bedruddin einwilligte, nahm er einen versiegelten Sack aus dem Korbe, öffnete ihn und wog Bedruddin 1000 Dinare vor, und bat ihn, ihm ein paar Worte über diesen Kauf aufzuschreiben. Hasan nahm ein Stückchen Papier und schrieb darauf: »Hiermit verkauft Bedruddin Hasan dem Juden Ishak die Ladung des ersten einlaufenden Schiffes um 1000 Dinare, die er schon bar erhalten hat.« Dann bat ihn der Jude, das Papier in den Sack zu werfen, den er hierauf wieder zuband, versiegelte und sich umhing. Bedruddin verließ nun den Juden, um die Gräber zu durchstreichen, bis er zu dem seines Vaters gekommen war; er ließ sich auf demselben nieder, weinte und sprach folgende Verse:

»Seitdem ihr von Hause fern, ist kein Bewohner mehr darin. Wir haben keine Nachbarn mehr, seitdem ihr abwesend seid. Der Freund, mit dem ich mich dort unterhielt, ist nicht mehr mein Freund, und meine Spielgenossen scheinen mir nicht mehr meine Spielgenossen. Ihr seid fern, darum ist's der ganzen Welt unheimlich, die weitesten Länder und Gegenden sind von Dunkelheit umgeben. O hätte doch der Rabe, der unsere Trennung verkündigte, niemals Federn gehabt, hätte nie ein Nest ihn geduldet! Meine Geduld hat abgenommen, mein Körper ist abgezehrt; wie manchen Schleier hat der Trennungstag schon durchbrochen! Bald wirst du vergangene Nächte wiederkehren sehen, denn bald wird eine Wohnung (das Grab) uns wieder umschließen.«

Bedruddin weinte noch lange auf dem Grabe seines Vaters und verzweifelte über seine Lage, denn er wusste gar nicht, was beginnen und wohin sich wenden; endlich legte er sein Haupt auf das Grab, und schlief (gepriesen sei der, der nie schläft), bis tiefe Nacht die Erde bedeckt. Im Schlaf glitt sein Haupt vom Grabe herunter, und er lag auf dem Rücken mit ausgestreckten Händen und Füßen. Nun bewohnte diese Begräbnisstätte ein Geist, der Tag und Nacht auf diesen Gräbern von einem zum anderen schwebte; als dieser Geist nun eben aus einem Grabe hervorkam und umherfliegen wollte, sah er einen angekleideten Menschen auf dem Rücken liegen, über dessen Schönheit er, bei näherer Betrachtung, in die höchste Bewunderung ausbrach.

Bei diesem Anblick dachte der Geist, dies ist gewiss eine Huri, ein göttliches Geschöpf, um die Welt zu verführen. Er betrachtete ihn noch eine Weile, flog davon und erhob sich hoch in die Luft bis er in der Mitte zwischen Himmel und Erde schwebte. Hier stieß er an die Flügel eines anderen Geistes; er fragte: »Wer ist da?«

»Eine Fee!« ward ihm zur Antwort. - »Willst du, o Fee!« erwiderte hierauf der Geist, »mit mir auf meine Gräber kommen? du wirst sehen, was für einen Menschen der erhabene Gott geschaffen.« Als sie einwilligte, ließen sie sich miteinander auf das Grab nieder; da sprach der Geist zur Fee: »Hast du wohl in deinem ganzen Leben einen schönern Jüngling gesehen?« Als sie ihn näher betrachtete, sprach sie: »Gelobt sei der, dem nichts ähnlich ist; bei Gott! mein Bruder, erlaube mir, dir eine wunderbare Begebenheit zu erzählen, bei welcher ich diese Nacht in Ägypten zugegen war.« Als der Geist sie zu erzählen bat, fing sie wie folgt an: Wisse, dass der König von Kahirah einen Wesir hat, der Schemsuddin Mohammed heißt; dieser hat eine Tochter, die nun bald zwanzig Jahre alt wird und die größte Ähnlichkeit mit diesem Jüngling hat; vollkommen schön ist ihr Gesicht und ihr Wuchs ausgezeichnet. Als der Sultan von Kahirah von diesem schon erwachsenen Mädchen sprechen hörte, ließ er den Wesir rufen und sagte zu ihm: »Ich habe vernommen, du habest eine schöne Tochter; ich begehre sie von dir zur Gattin.« - Der Wesir antwortete: »Entschuldige, mein König, dass ich deinem hohen Willen nicht willfahren kann; du wirst mich nicht tadeln, gewiss wird deine Milde mir beistehen, wenn ich dir meine Gründe angebe. Du weißt, ich habe einen Bruder, der Nuruddin heißt und neben mir in deinen Diensten Wesir war. Einst saßen wir beisammen und plauderten über die Ehe und über unsere zukünftigen Kinder, da gerieten wir in so heftigen Streit, dass mein Bruder den folgenden Tag entfloh. Nachdem ich seit zwanzig Jahren keine Nachricht von ihm gehabt habe, hörte ich vor kurzem, dass er in Basrah als Wesir gestorben und einen Sohn hinterlassen habe. Nun hatte ich aber von dem Tage an, wo meine Frau eine Tochter gebar, diese meinem Neffen bestimmt; mein Herr, der Sultan, kann ja unter vielen anderen Frauen und Mädchen wählen.«

Als der Sultan diese abschlägige Antwort hörte, ward er sehr zornig. »Wehe dir!« schrie er seinem Wesir zu: »ein Mann wie ich will deine Tochter heiraten, und du weisest ihn mit nichtigen Reden ab? Ich schwöre, dass sie den letzten meiner Sklaven heiraten soll!« Der Sultan sah jetzt zufällig einen jungen Stallknecht, der vorn und hinten bucklig war, im Hofe, und ließ ihn herbeirufen, sogleich wurden Zeugen bestellt, und der Wesir war gezwungen, den Ehekontrakt zwischen dem Buckligen und seiner Tochter auf der Stelle zu unterschreiben. Der Sultan schwur hierauf, dass der Bucklige sie noch diese Nacht umarmen müsse, nachdem er mit seiner Braut den Hochzeitszug in der Stadt gehalten haben würde. Es wurden nun alsbald Mamelucken mit Wachskerzen abgeschickt, die an der Türe des Bades den Buckligen erwarten sollten, um vor ihm herzugehen, der Tochter des Wesirs wurden Kammerzofen gesandt, um sie anzukleiden und zu schmücken, und ihr Vater wurde streng bewacht, bis der Bucklige zu seiner Tochter kommen sollte. »Ich sah des Wesirs Tochter«, fuhr die Fee fort, »und nie hatte mein Auge etwas Schöneres erblickt.«

»Du lügst!« erwiderte hierauf der Geist; »dieser Jüngling ist schöner als sie.«

»Beim Herrn des Himmels«, versetzte hierauf die Fee, »nur dieser Jüngling ist ihrer würdig, und es wäre schade, wenn sie in die Hände jenes Buckligen fiele.« Hierauf erwiderte der Geist: »Willst du, so vereinen wir die beiden jungen Leute, und tragen diesen Jüngling zu des Buckligen Braut.«

»Recht gern«, antwortete die Fee. »Wohlan«, sprach der Geist, »ich will ihn hintragen, du bringst ihn dann wieder zurück;« und sogleich umfasste er Bedruddin und flog mit ihm in Begleitung der Fee in die Höhe, dann ließ er sich mit ihm an dem Tore der Stadt Kahirah nieder und setzte ihn auf eine Bank. Als ihn der Geist aufweckte, wollte er fragen, wo er wäre, weil er gleich sah, dass er in einer ihm ganz unbekannten Stadt sich befand; aber der Geist ließ ihm dazu keine Zeit, sondern überreichte ihm sogleich eine dicke Wachskerze mit den Worten: »Gehe in dieses Bad und mische dich unter die Besucher und ihre Sklaven, und folge ihnen bis ins Hochzeitsgemach, dann gehst du mit deiner Wachskerze wie ein Fackelträger voraus, zur Rechten des buckligen Bräutigams, und so oft dir Zofen und Sängerinnen begegnen, so greife in deine Tasche und werfe ihnen eine Hand voll Gold zu; sei nicht erstaunt über meinen Rat, denn er kommt von Gott, der zeigen will, wie er das, was seine Weisheit beschlossen, unter den Menschen ausführt.« - Hasan tat alles, was ihm der Geist befohlen.

Als er so dem Hochzeitszug voranging und Hände voll Gold ausstreute, ja sogar den Tamburin der Sängerinnen damit überschüttete, wussten die Leute nicht, was sie von ihm denken sollten, denn sie waren über seine Schönheit beinahe so sehr entzückt, als über seine Freigebigkeit. Als sie nun vor das Haus des Wesirs, seines Oheims, kamen und die Türsteher denen, die nicht zur Hochzeit gehörten, den Eingang versperrten, weigerten sich die Sängerinnen, das Haus zu betreten, wenn dieser fremde junge Mann, der schönste und freigebigste, den sie je gesehen, nicht auch hineingelassen würde und schworen, die Braut dürfe sich nicht zeigen, wenn er, der sie so mit Gold überschüttete, nicht zugegen wäre. Als die Türsteher dies vernahmen, ließen sie Bedruddin in das Haus der Lust eintreten und setzten ihn auf die Bühne, die der Bucklige einnahm, und zwar zu seiner Rechten in dem Saal, wo die verschleierten Frauen der Fürsten, der Wesire, der Kammerbeamten und der übrigen Großen vom Fuße der Bühne bis zum Brautgemach zwei Reihen bildeten. Jede Frau trug eine große Wachskerze, und alle bewunderten den schönen Hasan, dessen Angesicht wie der Vollmond leuchtete und der schmiegsam wie die Zweige des Ban war; als sie mit den Kerzen ihn näher beleuchteten, waren sie noch mehr von seinem schönen Ansehen, als von dem gespendeten Golde entzückt. Sie winkten ihm freundlich zu, und wurden so bezaubert, dass jede von ihnen sich an seine Seite wünschte; dann aber sagten alle: »Kein anderes Weib, als unsere Braut, ist dieses jungen Mannes würdig, wie schade, dass sie diesem elenden Buckligen preisgegeben werden soll. Gottes Fluch erreiche den, der daran schuld war!« und alle verwünschten laut den Sultan; dann verspotteten die Frauen den Buckligen, der dasaß, mit dem Kopf tief in den Schultern. Nach einer Weile kamen die Sängerinnen mit Tamburinen und anderen Musikinstrumenten und führten die Braut in den Saal.

Während nun Bedruddin neben dem Buckligen auf einer Tribüne saß, kamen die Zofen mit seiner Base, die sie schon mit wohlriechenden Wassern gewaschen und die von Wohlgerüchen duftete. Schon hatte sie ihre Haare mit Moschusstaub bestreut und ihre Kleider mit dem feinsten Aloe und Ambra beräuchert. Es kamen dann Mädchen, um ihre Haare zu flechten und sie mit einem Schmucke zu zieren, der einer Kaiserin würdig gewesen wäre; sie trug ein goldgesticktes Kleid, mit allen möglichen Blumen, Vögeln und wilden Tieren gestickt, wobei die Augen und Schnäbel der Vögel aus Edelsteinen und ihre Füße aus rotem Rubin und grünem Smaragd waren; sie hingen ihr dann eine so prächtige Halskette um, aus großen Juwelen, dass das Auge ihren Glanz nicht ertragen und der Geist ihren hohen Wert nicht fassen konnte; die Braut war schöner als der Mond, wenn er in der vierzehnten Nacht des Monats scheint. Die Kammermädchen zündeten dann vor ihr weiße mit Kampfer besteckte Wachskerzen an, doch überstrahlte ihr Antlitz das Licht der Kerzen, ihre Augen waren schärfer als ein gezogenes Schwert, ihre dicht herabhängenden Augenbrauen bezauberten alle Herzen, rosig waren ihre Wangen, sanft schmiegten sich ihre Hüften, über den liebevollen Ausdruck ihrer Augen konnte man von Sinnen kommen; so zog sie, von vielen Mädchen mit verschiedenen Musik-Instrumenten umgeben, sich stolz wiegend daher, während die Frauen einen Kreis um Hasan bildeten, dessen vollkommene Schönheit aller Bewunderung anzog. Er war wie der Mond unter Sternen, mit glänzender Stirne, rosigen Wangen, marmornem Halse, strahlendem Gesichte, mit einem Ambramal auf den Wangen. Als der Bucklige seine Braut küssen wollte, kehrte sie ihm den Rücken und warf sich vor ihrem Vetter Hasan nieder; als darüber alle Anwesenden laut aufschrien, griff Hasan wieder in seine Tasche und warf Hände voll Gold unter sie, so dass sie ihn alle segneten und ihm durch Winke zu verstehen gaben, dass sie herzlich wünschten, er möge diese schöne Braut heimführen; alle Frauen freuten sich mit ihm und ließen den Buckligen allein sitzen, als wäre er ein Affe. Als Hasan die Braut näher betrachtete fiel ihm die Schönheit auf, mit der sie Gott vor allen anderen Geschöpfen ausgezeichnet; während die Diener neues Gold unter den Anwesenden auswarfen, worüber sich alle nicht wenig ergötzten.

Hasan war vor Freude ganz außer sich, als er die Braut sah, die ein strahlendes Licht verbreitete; sie hatte ein rotes Atlaskleid an, dass sie so gut kleidete, dass sie nicht nur Männern, sondern auch Frauen den Kopf verwirrte. Man nahm ihr aber nach einer Weile dieses Kleid ab und legte ein blaues Kleid an; wie der Mond strahlten dann ihre Wangen, freundlich lächelte ihr Mund, schwarze Haare schmückten ihr Haupt, fest eingeschnürt war ihr Busen und Arm und Hüfte waren schön geformt. In diesem Kleide konnte man folgende Verse auf sie anwenden:

»Sie erschien in einem blauen Gewande, azurfarbig wie der Himmel, aus ihrem Kleide erblickte ich einen Sommermond mitten aus einer Winternacht hervorleuchten.«

Als sie ihr nun ein drittes Kleid anzogen, ließen sie ihre langen, schwarzen Haarflechten über ihren Hals und einen Teil ihres Gesichtes herunterhängen; sie durchbohrte jedes Herz mit den Pfeilen ihrer Augäpfel; in diesem Aufzuge konnte man von ihr folgende Verse sagen:

»Als sie erschien und die Haare ihr Gesicht bedeckten, fragte ich: Hat sie wohl den Morgen mit der Nacht bedeckt? Man antwortete mir: Nein, sondern es verhüllen dunkle Wolken den Vollmond.«

Als sie das vierte Kleid anzog, glich sie der aufgehenden Sonne, sie warf sich hin und her wie ein Reh, und gefiel so, dass ihre Augenlider wie Pfeile das Herz der Anwesenden durchbohrten; wahr ist sie in folgenden Versen beschrieben:

»Die Sonne ihrer Schönheit umstrahlt so lieblich die Welt, dass, wenn sie mit lächelndem Gesichte sich zeigt, die helle Tagessonne sich wie eine Wolke verbirgt.«

Im fünften Kleid glich sie einem Zweige des Baumes Ban oder einer schmachtenden Gazelle, sie wusste durch ihre Bewegungen ihre stillsten Reize hervorzuheben; trefflich ist sie in folgenden Versen geschildert:

»Sie erscheint wie der Vollmond in einer freundlichen Nacht, mit zarten Hüften und schlankem Wuchse, ihr Auge fesselt die Menschen durch ihre Schönheit, die Röte ihrer Wangen gleicht dem Rubin, schwarze Haare hängen ihr bis zu den Füßen herunter; hüte dich wohl vor diesem dichten Haar! Schmiegsam sind ihre Seiten, doch ihr Herz ist härter als Felsen. Aus ihren Augenbrauen schleudert sie Pfeile, die immer richtig treffen und nie fehlen, so fern sie auch sein mögen.«

Der sechste Anzug, den sie nun anlegte, war grün, und so war sie schöner als der leuchtende Vollmond; die Sonne schämte sich vor ihren Wangen, sie war biegsamer als eine Lanze und bezauberte jedes Herz durch ihre Anmut.

So oft die Braut in einem neuen Anzuge erschien und des Buckligen ansichtig wurde, kehrte sie ihm den Rücken zu und trat vor Hasan hin, der dann die Sänger mit Gold überschüttete. Als man ihr nun das siebente Kleid angezogen, verabschiedeten sich alle Gäste, nur der Bucklige, Hasan und einige Hausbewohner blieben zurück; die letzteren gingen mit der Braut in ein Nebenzimmer, entkleideten sie und lösten ihre schönen Haare von dem glänzenden Schmucke ab. Da sagte der Bucklige zu Hasan: »Du hast durch deine angenehme Gesellschaft uns unterhalten, nun aber bitte ich, dich zu entfernen.« Hasan verließ das Gemach mit den Ausrufe: »In Gottes Namen!« Kaum betrat er den Hausgang, so traten die Geister zu ihm und fragten: »Wohin willst du? Sogleich wird ein Bedürfnis den Buckligen aus dem Kabinett entfernen, benutzte diesen Augenblick und erscheine im Gemache; wenn die Braut dich erblickt und dich anspricht, so sage: du seist ihr Mann, und der Sultan habe nur mit dem Buckligen seinen Scherz getrieben, dem man für seine Mühe schon eine Schüssel voll Speisen und zehn Silberstücke gegeben; begib dich dann zu ihr und genieße dein Glück, denn diese Geschichte ärgert uns, weil wir wohl wissen, dass nur du ihrer würdig bist.« Während sie dieses sagten, trat der Bucklige zur Türe heraus. Als er sich nach einiger Zeit wieder dem Saale nähern wollte, trat der Geist, in der Gestalt einer schwarzen Katze, aus einem Becken hervor und fing an zu miauen; als der Bucklige sie verscheuchen wollte, ward sie immer aufgeblasener, so dass sie bald die Größe eines jungen Esels erreichte. Der Bucklige erschrak und schrie um Hilfe; die Katze aber ward bald so groß wie ein Büffel, und sprach dann mit einer Menschenstimme: »Wehe dir, du Buckliger!« Der Bucklige, der aus Furcht seine Kleider verunreinigte, sagte: »Was willst du von mir, König der Büffel?«

»Wehe dir!« erwiderte der Geist, du scheußlicher Buckel, die Welt möge dir zu eng werden! Wie wagst du es, meine Geliebte zu heiraten?«

»Was kann ich dafür, mein Herr Büffel?« erwiderte der Bucklige; »ich bin ja gezwungen worden, sie zu heiraten, auch wusste ich nicht, dass sie schon einen Büffel zum Geliebten habe; übrigens befehle nur, was ich tun soll.«

»Nun«, antwortete der Geist, »du sonst bis zu Sonnenaufgang diesen Ort nicht verlassen, aber ich schwöre dir, dass ich dich erwürge, wenn du von hier weichest; nach Sonnenaufgang kannst du deines Weges gehen, komme aber nie mehr in dieses Haus zurück, sonst werde ich dir bald ein schnelles Ende bereiten.« Er nahm hierauf den Buckligen, stellte ihn auf den Kopf, mit den Beinen in die Höhe, und sagte: »Ich werde hier bei dir Wache halten, rührst du dich vor Sonnenaufgang, so nehme ich dich an den Beinen und schlage dich in die Wand, als wärst du ein Nagel.« Während dieses Vorgangs zwischen dem Geiste und dem Buckligen versteckte sich Hasan, der den Augenblick der Entfernung des Buckligen schnell benutzte, hinter dem Fliegenvorhange des Bettes; nicht lange hernach trat die Braut mit einer alten Frau aus dem Nebengemache; die Alte blieb vor dem Vorhange stehen und sagte: »Hier hast du die, welche dir Gott geschenkt, du schmutziger Krüppel!« und verließ das Gemach. Als die Braut, die Sittulhasan hieß, Bedruddin erblickte, sagte sie zu ihm: »O mein Geliebter! bist du noch da? Bei Gott! ich wünschte, dass du mein Gatte wärest, oder wenigstens, dass du es gemeinschaftlich mit dem Buckligen sein könntest.«

»Wie«, erwiderte Bedruddin, »dieser Verdammte soll neben mir dein Gatte sein?«

»Ja, ist er denn nicht mein Mann?« fragte Sittulhasan. »Keineswegs«, versetzte Bedruddin, »wir haben nur gescherzt; hast du nicht bemerkt, wie die Kammerzofen und Sängerinnen dich immer nur mir vorstellten, als sie dich schmückten, und den Buckel verspotteten? Dein Vater weiß, dass wir diesen Buckligen um zehn Silbermünzen und eine Schüssel voll Speisen gemietet, und nun, da wir ihm seinen Lohn gegeben, bereits entfernt haben.« Als Sittulhasan dies hörte, lächelte sie und sagte: »Ich freue mich darüber unaussprechlich; du hast mit diesen Worten ein höllisches Feuer in mir ausgelöscht. Komm und rücke mich an deine Brust.« Bedruddin wickelte den Geldbeutel des Juden vorsichtig in seine Kleider und legte diese unter die Kissen, den Turban legte er auf den Stuhl zu dem übrigen und behielt nur ein baumwollenes Käppchen auf dem Kopfe. Sittulhasan streckte dann ihren Arm aus und sagte: »Komm, mein Teurer! und beglücke mich mit deiner Nähe.« Dann sprach sie folgende Verse:

»Komm in meine Arme, dann bin ich mit dein Schicksale zufrieden, wiederhole mir deine süßen Worte, denn meine Ohren lieben dein Gespräch, wie ich dich selbst liebe; so möchte nur meine Rechte dich immerfort umarmen!«

Bedruddin und Sittulhasan hielten sich fest umschlungen in seligem Entzücken, so dass wohl folgende Verse auf sie anzuwenden sind:

»Geh' zu deiner Geliebten und frage nichts nach dem Gerede missgünstiger Leute, die nie der Liebe Hilfe gewähren. Keinen schöneren Anblick hat der Barmherzige geschaffen, als den zweier Liebenden, die sich fest umschlungen halten. Hat einmal ein Herz der Liebe sich geweiht, so vermögen die Leute eben so wenig gegen dasselbe, als gegen kaltes Eisen. Schenkt dir das Schicksal einen schönen Tag, so kannst du zufrieden sein; doch wo ist dieser Tag? O ihr, die ihr die Liebenden tadelt, könnt ihr denn so leicht ein verdorbenes Herz bessern?«

Als das Paar einige Stunden geschlafen, sagte der Geist zur Fee: »Geh, nimm Bedruddin und trage ihn vor Anbruch des Tages wieder an den Ort, wo er gestern war.« Die Fee ergriff ihn und flog mit ihm davon, so wie er war, in einem kostbaren Hemde mit goldenen Borten und in einem blauen Käppchen, und der Geist flog auf der anderen Seite. Als der erhabene Gott die Morgenröte heranbrechen ließ und die Gebetrufer die Minarette bestiegen, um des Allmächtigen Einheit zu verkünden, da schleuderten die Engel einen feurigen Stern gegen die Geister: der männliche Geist verbrannte, die Fee aber ließ Bedruddin schnell auf den Boden nieder und flog davon. Nun wollte das Schicksal, dass, als die Fee sich herunter ließ, sich gerade über einem Tore von Damaskus war; Bedruddin ward also hier niedergelegt. Als nach Tagesanbruch die Tore der Stadt geöffnet wurden und viele Leute herauskamen, sahen sie Bedruddin liegen, der, von den ausgestandenen Abenteuern des vorigen Tages ermüdet, noch fest schlief. Sie versammelten sich um ihn und sagten: »Das ist schön, die Geliebte dieses Jünglings hat ihm nicht einmal Zeit gelassen, sich anzukleiden.« Einer der Leute sagte: »Diese vornehmen jungen Herrn sind zu bedauern; gewiss war er betrunken und von einem Bedürfnisse getrieben, ist er auf die Straße gegangen und hat die Haustüre nicht mehr finden können.« So vermutete jeder etwas anderes; endlich erhob sich ein sanfter Wind, der Bedruddins leichte Kleidung aufwehte und den Leuten seinen schönen Körper zeigte; sie schrien alle: »Ach wie schön!« und dieses Geschrei weckte Hasan auf. Als er die Augen aufschlug und bemerkte, dass er auf der Straße lag, von vielen Leuten umringt, fragte er die Umstehenden: »Wo bin ich? und was wollt ihr von mir?« - Einige antworteten: »Als wir bei Tagesanbruch hierher kamen, fanden wir dich hier liegen, weiter wissen wir nichts von dir; sage du selbst, wo du diese Nacht geschlafen hast.«

»Bei Gott! ich habe in Kahirah geschlafen«, antwortete er. »Bist du närrisch?« versetzten die Leute; »du willst die Nacht in Kahirah zugebracht haben und bist morgens darauf in Damaskus?«

»Wahrhaftig«, erwiderte er, »ich war gestern den ganzen Tag in Basrah, vergangene Nacht in Kahirah und nun bin ich hier.« Die Leute lachten ihn aus und behaupteten, er sei von Sinnen; dann bedauerten sie ihn, weil er so jung und so schön war und sagten ihm: »Nimm doch dein bisschen Verstand zusammen; gibt es denn einen Sterblichen auf der Welt, der des Tages in Basrah, abends in Kahirah und den anderen Morgen in Damaskus sein kann?«

»Freilich!« antwortete Hasan; »gestern war mein Hochzeittag in Kahirah.«

»Du wirst dies geträumt haben«, sagten seine Zuhörer. Er dachte eine Weile: soll ich den wirklich geträumt haben, dass ich nach Kahirah gekommen und dass man die Braut vor mir geschmückt hat? »Nein, bei Gott!« rief er dann, »es war kein Traum: wo ist denn der Beutel mit Gold gefüllt? wo ist mein Turban, mein Oberkleid und mein Sacktuch?« Er kam dann vor Verwirrung ganz außer sich.

Da die Leute abermals schrien: »Der Mensch ist besessen!« lief ihnen Hasan davon in die Stadt, durchzog viele Straßen, immer von einer Menge Volks gedrängt, bis er in den Laden eines Kochs sich flüchtete, der ehemals ein gefürchteter Räuber und noch jetzt allen Bewohnern von Damaskus ein Gegenstand des Schreckens war; da zerstreuten sich die Leute, die Hasan verfolgten. Auf die Frage des Kochs: wer er sei? erzählte Hasan seine ganze Geschichte, die wir nicht zu wiederholen brauchen. »Deine Erzählung ist wunderbar«, sagte ihm der Koch, »doch verheimliche sie, bis dir Gott seinen Bestand verleihen wird, und bleibe indessen bei mir hier im Laden; ich habe ohnehin kein Kind und will dich daher an Kindes Stelle annehmen.« Als Hasan darein willigte, kaufte der Koch sogleich Kleider für ihn und erklärte vor Zeugen, dass er ihn als seinen Sohn anerkenne; so galt er denn in der ganzen Stadt für den Sohn des Kochs. So weit, was Hasan betrifft; nun kehren wir zu seiner schönen Base Sittulhasan zurück. Als diese bei Tagesanbruch erwachte und Hasan nicht an ihrer Seite fand, dachte sie, er sei hinauszugehen gezwungen worden. Sie saß eine Weile aufrecht im Bette, ihn erwartend; da kam ihr Vater Schemsuddin, der noch über den gestrigen Vorfall beim Sultan und über die daraus erfolgte gezwungene Ehe seiner Tochter mit einem gemeinen buckligen Sklaven bestürzt war. Er blieb an der Türe des Kabinetts stehen und rief: »Sittulhasan!« Sie antwortete: »Hier bin ich zu deinen Diensten!« sprang vom Bette auf, lief ihm entgegen und küsste ihm die Hand. Ihr Gesicht hatte durch die Umarmungen der schönen Gazelle noch an Schönheit und Glanz zugenommen. Als ihr Vater sie so munter sah, rief er aus: »Verdammtes Weib, wie kannst du mit diesem verfluchten Buckligen dich so freuen?«

Als Sittulhasan dies hörte, lächelte sie und sagte: »O mein Vater, lass es endlich bei dem gestrigen Scherze bewenden; die Frauen haben mich genug bemitleidet, und ich habe hinreichende Furcht ausgestanden, den Buckligen heiraten zu müssen, der nicht mehr wert war, dass er meinem Gemahle die Schuhe oder Pantoffel reiche, ich schwöre bei Gott, dass ich in meinem Leben keine schönere Nacht, als die gestrige, zugebracht habe; lass nun deinen Scherz und erwähne des Buckligen nicht mehr, der gemietet war, um von der jungen Schönheit meines Gemahls das böse Auge abzuwenden.« Bei diesen Worten konnte ihr Vater kaum vor Erstaunen fragen: »Was plauderst du da? hat nicht der Bucklige bei dir die Nacht zugebracht?« Sittulhasan wiederholte noch einmal: »Gott verdamme den Buckligen! lasse mir nur einmal Ruhe mit ihm; ich habe in den Armen des geistreichen Gatten mit schwarzen Augen und Augenbrauen geruht.«

»Bist du toll, Weib?« fragte der Wesir noch einmal. »Bei dem Allmächtigen, Vater! du zerreißest mir das Herz mit deinen Reden, lasse ab davon; der schöne Jüngling ist mein Gemahl, mit ihm habe ich die Nacht zugebracht, und seine Abwesenheit kann nur von kurzer Dauer sein.« Der Wesir ging hinaus, um ihn zu suchen, fand aber an seiner Stelle den Buckligen, mit dem Kopfe auf dem Boden und die Füße in die Höhe gestreckt. Ganz erstaunt fragte er ihn: »Was soll diese Stellung heißen? wer hat dies getan?«

»Warum auch«, erwiderte betrübt der Bucklige, »habt ihr mich mit der Geliebten der Büffel und Geister vermählt?«

Nun sagte der Wesir: »Komm doch einmal heraus, was bleibst du in diesem engen Raume?«

»Ich darf diesen Ort nicht verlassen«, erwiderte der Bucklige, »bis nach Sonnenaufgang; denn als ich gestern hier ein Bedürfnis verrichten wollte, kam mir auf einmal eine schwarze Katze miauend in den Weg, sie ward immer höher, bis sie die Größe eines Büffels erreichte, dann sagte sie mir etwas in die Ohren; doch lasse mich jetzt und gehe deines Weges, Gott wird meine Unschuld belohnen und meine junge Frau verdammen.« Der Wesir führte ihn jedoch heraus und der Bucklige ging sogleich zum Sultan, um ihm von allem, was vorgefallen, Bericht zu erstatten. Der Wesir hingegen kehrte betroffen zu seiner Tochter zurück, nicht wissend, was er von dieser ganzen Geschichte denken solle. Er fragte dann noch einmal seine Tochter, was denn in der letzten Nacht mit ihr vorgegangen. »Ich weiß von nichts anderem, mein Väter«, erwiderte sie, »als dass ich bei dem geschlafen, in dessen Gegenwart ich aufgeputzt worden bin; auch liegt hier auf dem Stuhl sein Turban, sein Kaftan und ein Sacktuch, und unter der Matratze liegen seine Beinkleider, in denen etwas eingewickelt ist, ich weiß nicht was.« Als der Wesir den Turban seines Neffen Hasan betrachtete und ihn umkehrte, sagte er: »Wahrhaftig, dies ist der Turban eines Wesirs nach der Tracht der Mossulaner.« Er bemerkte dann auch, was in der Kappe eingenäht war und er für ein Amulett hielt, dann fand er in den Beinkleidern den Beutel, worin 1000 Dinare waren; er öffnete das Papierchen, das darin war und las: »Hiermit verkauft Hasan aus Basrah dem Juden Ishak die Ladung des ersten Schiffes für 1000 Dinare, die er schon erhalten.« Als er dies gelesen, fiel er ohnmächtig zu Boden.

Als der Wesir wieder zu sich kam, fuhr Djafar in seiner Erzählung vor dem Kalifen fort, und das von seines Bruders Hand geschriebene, eingenähte Papier auch noch entdeckte, war sein Erstaunen grenzenlos; er wendete sich dann zu seiner Tochter und sprach: »Weißt du, wer dich diese Nacht umarmte? Es war, bei Gott! dein Vetter, und hier sind 1000 Dinare als deine Morgengabe; gelobt sei der Allmächtige, der alles so geleitet, wie es vor meinem Streite mit meinem Bruder Nuruddin geschehen sollte: nun möchte ich nur wissen, wie es eigentlich mit dieser ganzen Geschichte sich verhält.« Er warf dann noch einen Blick auf seines Bruders Papier, küsste es mehrere Male, dann weinte er laut über seinen Bruder und sprach folgende Verse:

»Ich sehe Spuren von ihnen und vergehe vor Sehnsucht, und vergieße Tränen an der Stelle, wo sie verweilt; dann bitte ich den, der mich mit ihrer Trennung heimgesucht, dass er mich wieder mit ihnen vereine.«

Er durchlas dann die Schrift seines Bruders und fand darin, wie er nach Basrah gekommen, sich verlobt und geheiratet und wie seine Frau einen Sohn geboren hatte. Als er mit vielem Erstaunen die Begebenheiten seines Bruders mit den seinigen verglich, fand er, dass, wie er es vorher beschlossen, er und sein Bruder an demselben Tage heirateten und an demselben läge Väter geworden, und dass nun sein Neffe seiner Tochter Gemahl ward. Er ging sodann mit dem Papier und dem Beutel zum Sultan und erzählte ihm alles, was vorgefallen. Der Sultan war höchst erstaunt darüber und befahl, dass alles dieses in die Chronik aufgeschrieben werde. Der Wesir ging dann nach Hause, um seinen Neffen zu erwarten, der aber nicht kam; er erwartete ihn sieben Tage lang und konnte nichts von ihm hören. Hierauf beschloss er, etwas zu tun, was noch niemand vor ihm getan hatte. Er nahm Tinte und Papier und schrieb darauf ein Verzeichnis von allem, was im Zimmer war, und von dem Platze, wo jedes Stück sich befand, ließ es dann hinwegräumen und nahm auch den Turban, den Beutel und die Beinkleider in Verwahrung.

Nach neun Monaten gebar die Tochter des Wesirs von Kahirah einen Sohn mit einem Vollmondsgesichte wie der leuchtende Morgen; man färbte seine Augenbrauen mit Kohel, gab ihm eine Amme und nannte ihn Adjib. Als Adjib sieben Jahre alt war, schickte ihn sein Großvater in die Schule und empfahl dem Lehrer, über seine Erziehung und Ausbildung mit der größten Sorgfalt zu wachen. Als Adjib einige Jahre die Schule besuchte, fing er an, die übrigen Schulkinder durch Schlagen und Schimpfen zu plagen. Die Kinder klagten dies ihrem Lehrer und dieser sagte ihnen: »Ich will euch ein Mittel angeben, womit ihr gewiss Adjib von euch entfernt halten könnt. Wenn er morgen wieder zur Schule kommt, so setzt euch um ihn herum, schlagt ein Spiel vor und sagt dann zueinander, es dürfe niemand mitspielen, der nicht den Namen seines Vaters und seiner Mutter wüsste; wer den Namen seiner Eltern nicht kenne, sei ein Bastard.« Als am folgenden Tage Adjib, der Sohn Hasans, in die Schule kam, taten die Kinder, wie ihnen der Lehrer geraten; sie sagten: »Wir wollen etwas spielen, und wer es weiß, wie sein Vater und seine Mutter heißt, darf mitspielen.« Die Kinder sagten dann eines nach dem anderen: »Ich heiße so, mein Vater heißt so und meine Mutter so.« Als die Reihe an Adjib kam, sagte er: »Ich heiße Adjib, meine Mutter Sittulhasan und mein Vater Schemsuddin.« Da schrieen die Kinder: »Wo denkst du hin? der ist wahrhaftig nicht dein Vater.«

»Wehe euch!« versetzte hierauf Adjib; »der Wesir Schemsuddin soll nicht mein Vater sein?« Die Kleinen lachten ihn aus und schlugen die Hände zusammen und sagten: »Gott bewahre uns vor der Gesellschaft eines Jungen, der seinen Vater nicht kennt; der darf nicht mit uns spielen und nicht neben uns sitzen.« Als Adjib sah, wie alle Kinder von ihm wegrückten, fing er an, heftig zu weinen. Da sagte ihm der Lehrer: »Weißt du nicht, dass der Wesir Schemsuddin nicht dein Vater, sondern dein Großvater, Vater deiner Mutter Sittulhasan, ist? Deinen Vater aber kennt niemand, denn als der Sultan deine Mutter mit einem Buckligen verheiratete, kam ein Geist und schlief bei ihr; da also dein Vater unbekannt ist, so kannst du, gleichsam als Bastard, nicht mit den übrigen Kindern gleichen Rang ansprechen, denn auch der Sohn des Kaufmanns und des Gemüsehändlers kennt seinen Vater - von dir weiß man nur, dass der Wesir dein Großvater ist, niemand aber kennt deinen Vater.«

Als Adjib dies hörte, verließ er die Schule und lief weinend zu seiner Mutter. Diese sagte ihn: »Warum weinst du, mein Sohn? Gott lasse nie deine Augen Tränen vergießen!« Er erzählte ihr, was in der Schule vorgefallen, und fragte sie, wer sein Vater sei? »Der Wesir von Kahirah«, antwortete Sittulhasan. »Du lügst«, erwiderte Adjib, »der Wesir ist dein Vater und mein Großvater; wer aber ist mein Vater?« Sittulhasan ward hierdurch wieder schmerzlich an ihren Gatten, den Vater des Kindes, gemahnt: sie erinnerte sich der Nacht, die sie bei ihm zugebracht, fing an heftig zu weinen und rezitierte folgende Verse:

»Sie haben mein Herz mit der Liebe bekannt gemacht und sind dann weggegangen, und nun sieht die Wohnung leer, ohne meinen Geliebten. Entfernt hat er sich von Haus und seinen Bewohnern, er besucht uns nicht, und es ist, als besuche uns niemand mehr. Seitdem die Freunde sich entfernt, ist auch meine Geduld, mein Trost und meine Erwartung dahin. Mit ihm ist auch meine Freude verschwunden; als er mich verließ, fand ich auch keine Ruhe mehr. Die Trennung macht das Blut meiner Augen fließen; viele Tränen vergoss ich bei ihrer Entfernung, wenn einen Tag nur meine Sehnsucht nach ihnen unbefriedigt blieb, so seufzte ich in meiner Erwartung. Im Innersten meines Herzens ist ihr Bild, leidenschaftliche Liebe und Erinnerung. O ihr, deren Andenken Oberkleid ist, so wie eure liebe mein Unterkleid, gibt es kein Lösegeld für den Gefangenen eurer Liebe? Gibt es keinen Verband für den von euerer Liebe Zerknirschten? Gibt es kein Heilmittel für den, der nach eurer Nähe schmachtet? Gibt es keine Ansicht für den, den eure Trennung tötet? O Freunde, wie lange wird dies noch dauern, wie lange werdet ihr mich noch fliehen?«

Als sie diese Verse gesprochen und mit ihrem Sohne weinte, trat ihr Vater ins Zimmer und fragte sie um die Ursache ihrer Tränen. Sittulhasan erzählte ihm, was ihrem Sohne in der Schule widerfahren, und er musste auch weinen, als er an seinen Bruder und Neffen dachte, dessen Geschichte ihm ein Geheimnis war. Er ging hierauf zum Sultan, teilte ihm die ganze Geschichte mit, küsste die Erde vor ihm und beschwor ihn, ihm zu erlauben, nach dem Orient bis Basrah zu reisen, um seinem Neffen nachzuforschen und ihm überall hin Empfehlungsschreiben mitzugeben, damit er ihn leichter auffinden und mitbringen könne. Der Sultan gab seinen Bitten nach; der Wesir nahm die Empfehlungsschreiben mit größter Freude, dankte dem Sultan, verabschiedete sich bei ihm, machte die Vorbereitungen zur Reise und verließ dann Kahirah mit seiner Tochter und ihrem Sohne Adjib.

Nach einer Reise von zwanzig Tagen kam der Wesir von Kahirah mit seiner Tochter und seinem Enkel nach Damaskus: er fand dort Flüsse und Vögel, wie ein Dichter sagte:

»Ich brachte in Damaskus einen Tag und eine Nacht zu, da schwor das Geschick, ähnliches nie mehr zu gewähren; wir schliefen unbewacht unter dem Fittige der Nacht, bis ein Teil des Morgens sie schon erleuchtete. Der Tau auf jenen Bäumen gleich Perlen, die der Zephyr durch einen Händedruck herunterschüttelt. Die Vögel schienen zu lesen, der Teich war wie ein Blatt, auf dem der Wind schrieb, während die Wolken die Punkte hinzusetzten.«

Der Wesir hielt auf einem großen Platze vor dem Tore, schlug dort sein Zelt auf und sagte zu seinen Freunden, die ihn begleiteten: »Wir wollen hier einige Tage ausruhen.« Einige Diener gingen dann in die Stadt, um ihre Geschäfte zu besorgen; der eine verkaufte, der andere kaufte ein, der dritte besuchte das Bad. Auch Adjib ging mit einem Sklaven in die Stadt, um sich ein wenig zu zerstreuen; der Diener ging hinter ihm her mit einem roten Stocke von Haselholz; er war so dick, lass, wenn man ein Kamel damit geschlagen hätte, es bis nach dem Lande Jemen geflohen wäre. Als die Bewohner von Damaskus den schönen jungen Adjib sahen, den folgendes Gedicht so gut beschreibt:

»Sein Atem ist Moschus, seine Zähne sind Perlen, seine Wangen Rosen, sein Speichel Wein, sein Wuchs ein Zweig, sein Gesäß ein Sandhügel, seine Haare sind die Nacht und sein Gesicht der Vollmond -«

liefen sie vor und hinter ihm her und stellten sich ihm in den Weg, um ihn beim Vorübergehen zu sehen, bis nach Gottes Ratschluss und Bestimmung sein Diener am Laden seines Vaters stehen blieb. Adjib war damals zwölf Jahre alt, sein Bart fing schon an zu wachsen, auch hatte er schon recht viel Verstand. Der Koch, der seinen Vater an Kindesstelle angenommen, war längst tot und hatte seinem Adoptivsohne den Laden und sein ganzes Vermögen hinterlassen.

Als Adjib mit seinem Diener vor den Laden seines Vaters Hasan aus Basrah kam, setzte diesen die Schönheit seines Sohnes in großes Erstaunen; sein Herz fing an zu klopfen, sein Blut kam in Wallung, sein Innerstes ward gerührt und er fühlte sich durch eine geheime Macht des Herrn mächtig zu ihm hingezogen. Gelobt sei er, dem alles möglich ist! Er hatte an diesem Tage gerade Granatäpfelbeeren mit Zucker bereitet und wandte sich daher mit Tränen in den Augen zu seinem Sohne Adjib, indem er sagte: »O du, mein Herr! der du mein Herz unterjocht und meinen Geist besiegt hast, willst du nicht ein wenig zu mir treten und meine Speise kosten?« Er erinnerte sich an seinen früheren Rang als Wesir und sprach folgende Verse:

»O meine Freunde! es fließen meine Tränen heftig wegen eines traurigen Liebesverhältnisses; ich sehe euch und ziehe mich von euch zurück, obgleich ein Teil meiner Sehnsucht nach euch schon mich töten konnte; ich trenne mich nicht aus Hass oder aus Lust, euch zu vergessen, nur die Vernunft gebietet mir, meine Liebe zu verbergen.«

Als Adjib diese Verse hörte, bemitleidete er den Koch; er sagte seinem Eunuchen: »Dieser Mann hat mein Herz gerührt und Mitleid bei mir rege gemacht; es scheint, als habe er einen Sohn oder einen Bruder verloren, lass uns daher bei ihm einkehren, sein Herz stärken und seine Einladung annehmen, vielleicht wird Gott durch diese gute Tat auch mich wieder mit meinem Vater vereinen.« Der Sklave antwortete hierauf ganz zornig: »Bei Gott! das wäre schön, wenn der Sohn des Wesirs im Laden eines öffentlichen Kochs speisen wollte; während ich mit meinem Stocke die Leute verhindere, dass sie Euch nicht zu nahe treten, soll ich mich mit Euch in einen öffentlichen Laden setzen!« Als Hasan dies hörte, sagte er seinem Sohne folgende Verse:

»Ich wundere mich, dass man durch einen Diener dich von den Leuten absonderte, und nicht wusste, dass du es schon durch deine Schönheit bist? Deine Haarlocken sind Basilik, deine Wangen Rubin, das braune Flecken darauf Ambra und deine Zähne Edelsteine.«

Dann wandte sich Hasan zum Diener und sagte ihm: »Willst du, mein Herr, nicht mein Herz ein wenig trösten? Du Rußiger mit weißem Herzen, du, den man so und so gelobt hat.« - Da lachte der Eunuche und fragte: wie denn? Hasan rezitierte hierauf folgende Verse:

»Ohne seine Bildung und Zuverlässigkeit würde in festlichen Wohnungen keine Zucht herrschen. Und was für ein Diener ist er, wenn es gilt den Harem zu bewahren! Engel vom Himmel bedienen ihn seiner Schönheit willen. Seine schwarze Farbe ist lieblich und seine weißen Werke erzeugen Fröhlichkeit.«

Dies gefiel dem Eunuchen, er lachte und trat in den Laden. Der Koch setzte dann Adjib und dem Eunuchen eine Schüssel voll Granatäpfel und andere süße Speisen vor. Adjib sprach aber zu seinem Vater: »Setze dich und iss mit uns, vielleicht wird uns Gott wieder mit denen, die wir lieben, vereinen.« Hasan fragte ihn hierauf: »Wie, mein Sohn, auch du bist in deiner Jugend schon mit Trennung von deinen Freunden heimgesucht worden?«

»Freilich«, antwortete Adjib, »bin auch ich schon mit diesen Schmerzen vertraut geworden, und eben bin ich mit meinem Großvater auf der Reise, um die Verlorenen wieder aufzusuchen.« Er fing dann an zu weinen, und Hasan weinte mit ihm, denn er ward wieder an seine Frau und an sein Vaterland erinnert, und rezitierte folgende Verse:

»Kommen wir nach dieser Trennung wieder einmal allein zusammen, so haben wir uns lange Vorwürfe zu machen; bei Gott! kein Bote kann Liebesklagen bestellen, noch ein krankes Herz heilen.«

Diese Verse rührten den Diener, der noch eine Weile aß und dann mit Adjib seinen Weg weiter fortsetzte; dem Koch war es aber, als verließe ihn sein Lebensgeist; er Schloss daher seinen Laden und ging ihnen nach, ohne zu wissen, dass Adjib sein Sohn war, bis er ihn endlich am Tore von Damaskus einholte. Als der Verschnittene ihn hinter sich bemerkte, fragte er ihn, was er wolle. »Seitdem ihr mein Haus verlassen«, antwortete Hasan, »ist es mir, als sei mein Lebensgeist mit euch gegangen; ich habe übrigens vor dem Tore etwas zu tun, das will ich jetzt versehen und dann wieder nach Hause zurückkehren.« Der Verschnittene sagte hierauf zornig zu Adjib: »Das ist deine Schuld, ich habe wohl im voraus etwas von diesem Manne befürchtet, dadurch, dass wir bei ihm einen schlechten Bissen gegessen, glaubt er das Recht zu haben, uns überall zu verfolgen und anzubetteln.« Als auch Adjib ihn bemerkte, ward er ebenfalls aufgebracht, und sein Gesicht ward vor Zorn ganz rot; er sagte dann dem Eunuchen: »lass ihn, wie alle Muselmänner, seines Weges gehen, erst wenn wir vor dem Tore an unserem Zelte ihn noch hinter uns sehen, dann wissen wir, dass er uns nachläuft.« Sie gingen bis zum großen Platze, wo ihr Zelt war; als nun Adjib sich umwandte und immer noch den Koch hinter sich sah, ward er bald rot, bald blass, denn er fürchtete, sein Großvater möchte erfahren, dass er in den Laden eines Kochs gegangen, und darüber böse werden. Sein Auge begegnete dann dem Hasans, der wie ein Körper ohne Geist aussah; er hielt ihn für einen Spitzbuben oder einen unzüchtigen Menschen, und sein Zorn ward so heftig, dass er in seiner Wut einen halbpfündigen Stein von der Erde aufhob und ihn Hasan an den Kopf warf, so dass die Stirne von einem Auge zum anderen gespalten ward, das Blut über sein Gesicht herabströmte und er ohnmächtig zu Boden stürzte. Adjib ließ ihn hegen und ging mit seinem Diener ins Zelt. Als Hasan nach einer Weile wieder zu sich kam, wusch er das Blut ab und verband die Wunde mit der Binde seines Turbans; er machte sich dann selbst Vorwürfe darüber, sich so benommen zu haben, dass der junge Mann ihn für einen Spitzbuben halten musste. Er kehrte jetzt in seinen Laden zurück und sehnte sich immerwährend nach seiner Mutter in Basrah und sprach folgende Verse:

»Fordere vom Schicksal keine Gerechtigkeit, du würdest ihm Unrecht tun; klage es nicht an, wenn es unwillig ist, denn es gibt keine Billigkeit auf der Welt; ergreife vom Leben was du kannst, und lass die Sorgen beiseite: das Leben muss bald trüb, bald heiter sein.«

Während Hasan aus Basrah wieder, wie früher, gekochte Speisen in seinem Laden verkaufte, war sein Oheim, der Wesir aus Kahirah, nach drei Tagen von Damaskus nach Hims gereist. Da er auch hier seinem Neffen vergeblich nachgespürt, reiste er nach Hamah, übernachtete hier, um Erkundigungen einzuziehen, und rastete dann nicht mehr, bis in Aleppo, wo er sich zwei Tage aufhielt; so setzte er über Maridin, Mossul, Sindjar und Dijarbekr seine Reise bis Basrah fort. Hier ging er sogleich zum Sultan, der ihn gut aufnahm und nach der Ursache seiner Reise fragte. Der Wesir erzählte ihm seine Geschichte und verschwieg ihm nicht, dass er der Bruder seines ehemaligen Wesirs Nuruddin aus Kahirah sei. Der Sultan rief aus: Gott sei ihm gnädig! und sagte ihm, dass dieser vor ungefähr fünfzehn Jahren gestorben sei und einen Sohn hinterlassen habe, von dem man aber seit einem Monat nach des Vaters Tod nichts mehr gehört habe. »Seine Mutter«, fuhr der Sultan fort, »ist noch hier bei uns; sie ist die Tochter des Grosswesir. Als Schemsuddin dies hörte, bat er um die Erlaubnis zu ihr zu gehen, die ihm auch sogleich gegeben ward. Er begab sich hierauf in die Wohnung seines Bruders Nuruddin, küsste vor Freude die Hausschwelle, und als ihm wieder sein Bruder, der in der Fremde gestorben, einfiel, sprach er folgende Verse:

»Ich möchte Tag und Nacht bei diesem Hause zubringen und diese und jene Mauer küssen; doch nicht Liebe zum Hause füllt mein Herz, sondern zu denen, die es bewohnen.«

Als er zur großen Pforte hineintrat, kam er in eine geräumige gewölbte Halle von verschiedenartigem Marmor mit kostbaren Blumenmalereien verziert; als er sich im Inneren des Hauses umsah, fand er an den Wänden den Namen seines Bruders mit Goldbuchstaben und Azurfarbe geschrieben; er küsste ihn, erinnerte sich wieder an die Trennung, weinte und sprach folgende Verse:

»Ich frage die Sonne nach euch, so oft sie aufgeht, und den Blitz, so oft er leuchtet. Ich bringe die Nächte in den Armen der Sehnsucht zu und klage ihr meinen Schmerz nicht. O meine Freunde! dehnt sich eure Entfernung noch in die Länge, so wird sie mich ganz zermalmen. Doch wolltet ihr meinen Augen noch einmal vergönnen, euch zu sehen, so werdet ihr dadurch die schönste Vereinigung bewirken. Glaubt nicht, dass ich mich mit anderen abgebe, mein Herz hat nicht mehr Raum für Liebe zu anderen. Bemitleidet einen Liebenden, den die Liebesschmerzen drücken, dessen Innerstes durch eure Trennung zerknirscht worden. O wenn mein Schicksal mir noch einmal vergönnte, euch zu erblicken, wie dankbar würde ich ihm für dieses Wiedersehen sein! Möge Gott dem Verleumder seinen Schutz entziehen, der unsere Trennung wünscht, und der Fuß unbrauchbar werden, der Um unsere Trennung zu verlängern, sich bewegt!«

Er ging dann zur Türe des Saals, in welchem seine Schwägerin, die Mutter Hasans, war. Diese Frau hatte immerfort geweint und geklagt, seitdem ihr Sohn Hasan verschwunden war. Nachdem sie so viele Tage und Nächte durchweint hatte, ließ sie ihrem Sohne mitten im Zimmer ein Grabmal errichten und weinte darauf Tag und Nacht. Als nun der Wesir die Türe öffnete, fand er seine Schwägerin, deren Haare über dem Grabe herabhingen, laut weinend über ihren Sohn Hasan und folgende Verse rezitierend:

»O Grab, o Grab! haben seine Tugenden aufgehört zu sein? Sollte die Freude aller, die ihn gesehen, erloschen sein? O Grab! du bist doch kein Himmel und kein Garten, wie vereint sich in dir Sonne und Mond?«

Er begrüßte sie, sagte ihr, dass er ihr Schwager sei, und erzählte ihr seine ganze Geschichte. Im Laufe seiner Erzählung sagte er ihr auch, dass Hasan aus Basrah vor ungefähr zehn Jahren eine Nacht bei ihm zugebracht und des Morgens auf einmal verschwand; dass seine Tochter von ihm guter Hoffnung ward und nach neun Monaten einen Sohn gebar, den er bei sich habe. Als die Mutter Hasans hörte, dass ihr Sohn noch lebe und einen Sohn habe, richtete sie sich auf und sprach weinend folgende Verse:

»Gott hat den Boten gesegnet, der mir ihre Ankunft verkündet, denn er bringt mir die schönste Nachricht; wenn er wollte, so gäbe ich ihm statt eines Ehrenkleides ein Herz, das die Trennung zerrissen hat.«

Sie umarmte dann Adjib, drückte ihn an ihren Busen und küsste ihn, und dieser erwiderte es; als sie dann wieder zu weinen anfing, sagte ihr der Wesir: »Jetzt ist keine Zeit zum Weinen; mache dich reisefertig und komme mit mir nach Ägypten, vielleicht finden wir meinen Neffen, deinen Sohn; dies gibt eine merkwürdige Geschichte, die wohl verdient aufgezeichnet zu werden.« Sie machte sogleich ihre Vorbereitungen zur Reise; unterdessen ging der Wesir, sich beim Sultan zu beurlauben, der ihm alles gab, was er zur Reise bedurfte, auch Geschenke für den Sultan von Kahirah. Schemsuddin reiste nun wieder ununterbrochen bis Aleppo, wo er drei Tage blieb; dann begab er sich nach Damaskus, schlug wieder außerhalb der Stadt sein Zelt auf und sagte zu seinen Leuten: »Wir werden hier einige Tage verweilen, um Geschenke für den Sultan einzukaufen.« Als er nun in die Stadt gegangen, um seine Geschäfte zu besorgen, fragte Adjib den Verschnittenen: »Wollen wir nicht ein wenig nach Damaskus spazieren und sehen, was der Koch macht, dessen Speisen wir verzehrt, und den wir dann zum Lohne für seine Wohltat mißhandelt haben?«

»In Gottes Namen!« antwortete der Verschnittene. Sie verließen das Zelt, und schon wallte das Blut Adjibs seinem Vater entgegen. Sie gingen in die Stadt durch das Paradiestor, durchkreuzten viele Straßen und den großen Marktplatz, und sahen sich dann in der Moschee der Omejaden um, bis gegen die Stunde des Nachmittagsgebets. Dann gingen sie zum Laden Hasans, und fanden wieder bei ihm höchst einladende Granatäpfel, mit Julep und Rosenwasser gekocht. Adjib hatte Mitleid mit ihm, als er das blaue Mal sah, das der Stein, mit dem er ihn geworfen, auf seiner Stirne zurückgelassen, und sagte zu ihm: »Friede sei mit dir! mein Herz ist bei dir.« Als Hasan Adjib sah, kam wieder sein Innerstes in Bewegung, sein Herz klopfte und sein Blut kam in Wallung, er wollte den Gruß erwidern, konnte aber seine Zunge nicht bewegen; er beugte sich dann ganz demütig vor Adjib und sprach folgende Verse:

»Ich sehnte mich nach dem, den ich liebe, und als ich ihn fand, verstummte ich und war nicht mehr Herr meiner Zunge und meiner Augen; aus Ehrfurcht schlug ich die Augen vor ihm nieder, und suchte, was ich empfand, ihm zu verbergen; doch es blieb ihm nicht verborgen; viele Worte hatte ich in meinem Herzen, und als ich beim Geliebten war, brachte ich kein Wort heraus.«

Er sagte ihm dann: »Vielleicht mein Herr, wirst du den Kummer, den du mir verursacht, wieder verscheuchen; komm mit deinem Begleiter zu mir herein und koste meine Speisen; bei Gott! Sobald ich dich gesehen, klopfte mir das Herz, und nur aus Unüberlegtheit bin ich dir nachgefolgt.«

Adjib erwiderte hierauf: »Freilich liebst du uns, und weil wir bei dir gegessen, bist du uns auf dem Fuße gefolgt und hast uns dadurch der Schande ausgesetzt; nun werden wir nichts bei dir genießen, wenn du nicht schwörst, dass du uns nie mehr nachlaufen willst; glaube aber nicht, dass wir nicht wiederkehren, wir bleiben eine ganze Woche hier, bis mein Großvater für den König von Ägypten Geschenke eingekauft hat.« Hasan sagte: »In Gottes Namen! ich schwöre es euch.« Sie gingen dann in seinen Laden, er stellte ihnen eine Schüssel voll Speisen vor, Adjib hieß ihn mitessen; er setzte sich zu seinem Sohne und sah immer ganz starr auf ihn hin. Adjib sagte ihm: »Du bist ein lästiger Liebhaber, was gaffest du mich so an?« Hasan ward verlegen und sprach folgende Verse:

»Für dich hat jedes Herz einen geheimen Gedanken und einen verborgenen Sinn, den niemand ausspricht. O du, der du den leuchtenden Mond durch deine Schönheit zu schanden machst, dessen Reize dem anbrechenden Morgen gleichen, das Licht deines Angesichts kann man nie und nirgends entbehren, man wird mit immer neuer Sehnsucht wieder hingezogen. Ich zerschmelze vor Liebesglut, und doch ist dein Gesicht mein grünes Paradies; ich sterbe vor Durst, und doch ist dein Speichel wie der Fluss Kauthar.«

Sie aßen dann zusammen; Hasan gab bald Adjib, bald dem Verschnittenen einen Bissen, bis sie satt waren; dann standen sie auf und Hasan goss ihnen Wasser über die Hände, nahm die Serviette, die er um den Leib hatte, und trocknete sie damit ab, bespritzte sie mit Rosenwasser, lief dann schnell zum Laden hinaus und kam wieder mit zwei Portionen eines kühlen Getränkes, mit Schnee und Zucker und Rosenwasser bereitet, und stellte es ihnen vor, indem er sagte: vollendet eure Güte! Adjib nahm, trank davon und reichte es dann dem Diener zum Trinken hin; sie wurden so gesättigt, wie sie es nie waren, dankten Hasan vielmal, eilten fort bis zum östlichen Tore hinaus und hielten sich nicht mehr auf, bis sie ihr Zelt erreichten. Adjib ging hierauf zu seiner Großmutter, der Mutter Hasans; diese küsste ihn, dachte an ihren Sohn Hasan, fing an zu weinen und sprach folgende Verse:

»Wäre nicht meine Hoffnung, euch einst wieder zu sehen, ich würde gewiss nach der Trennung keine Lust mehr am Leben haben; ich schwöre, dass nur liebe zu euch mein Herz erfüllt; Gott mein Herr, kennt wohl mein Inneres.«

Sie fragte dann Adjib, wo er gewesen war, und stellte ihm zu essen vor; aber das Schicksal wollte, dass auch sie gerade Granatäpfel gekocht hatte, die jedoch nicht so süß waren; sie hieß auch den Verschnittenen mitessen; dieser dachte bei sich selbst: Bei Gott! wir sind so satt, dass wir kein Brot riechen können; doch setzte er sich zu Adjib.

Adjib fing an, ein wenig zu essen, da er aber auch, wie der Diener, sehr satt war und die Speise nicht süß genug fand, sagte er: »Pfui, was ist das für eine schlechte Speise.« Die Alte war ganz erstaunt und sagte: »Mein Sohn, du verschmähst meine Küche?« Ich selbst habe diese Speise zubereitet und niemand, außer meinem Sohne Hasan aus Basrah, kommt mir gleich in der Kochkunst.« Adjib erwiderte hierauf: »Deine Speise ist schlecht; wir haben eben dieselbe bei einem Koche in der Stadt gegessen, die tut dem Herzen wohl, sie war so köstlich zubereitet, dass die deinige mit ihr nicht verglichen werden kann.« Als die Frau dies hörte, geriet sie in Zorn und sagte dem Diener: »Du verdirbst mir meinen Sohn, läufst mit ihm in der Stadt herum und besuchst mit ihm die öffentlichen Wirtshäuser.« Der Diener sagte aus Furcht: »Wir waren in keinem Speisehause, sondern sind nur bei einem umherziehenden Koche vorübergegangen, haben aber nichts gegessen.« Adjib schwor aber, sie seien in den Laden des Kochs gegangen und haben bei ihm dieses, wie das vorige Mal, Granatäpfel gegessen, viel besser, als die ihrigen. Dir Frau kam in die höchste Wut und berichtete alles ihrem Schwager; dieser rief dem Diener aufgebracht zu: »Wehe dir! gestehe mir, wo du mit dem Kleinen warst.« Der Diener, aus Furcht, umgebracht zu werden, wollte nicht die Wahrheit sagen; Adjib aber zwang ihn, alles zu gestehen. »Wahrhaftig, Großvater«, sagte er, »wir haben in einem Laden bei einem Koche gegessen, bis wir so satt waren, dass uns die Speise zur Nase herausging, er brachte uns dann noch zwei Portionen Schnee und Zucker.« Der Wesir ward immer aufgebrachter. »Wie, du verfluchter Sklave, du leugnest noch, mit meinem Sohne in einem Wirtshause gewesen zu sein, während er selbst sagt, dass ihr euch ganz vollgegessen? Wenn du die Wahrheit gesagt, so iss diese Schüssel voll.« Der Diener aß einen Bissen, konnte aber schon den zweiten nicht mehr herunterbringen; er entschuldigte sich bei seinem Herrn, indem er sagte, er sei noch vom vorigen Tage satt. Der Wesir ließ sich aber nicht länger anlügen und befahl einem anderen Diener, dem Eunuchen die Bastonnade zu geben, was sogleich geschah. Als der Diener vor Schmerzen um Hilfe schrie und ganz wütend wurde, sagte er: »Wohl, mein Gebieter, es ist wahr, dass wir in dem Laden eines Kochs gewesen und dort bessere Granatäpfel gegessen haben, als diese hier sind.« Die Mutter Hasans geriet hierüber aufs neue in Wut und sagte: »Bei Gott, den ich anflehe, mich wieder mit meinem Sohne zu vereinen, du musst uns von deinem Koche eine Schüssel voll Granatäpfel bringen; dein Herr muss sie kosten und dann urteilen welche besser gekocht sind.« Sie gab dem Diener sogleich eine Schüssel und einen halben Dinar; er lief in die Stadt zum Koche und sagte ihm: »O bester Koch, wir haben im Hause unseres Herrn über deine Speise gewettet, gib mir daher für einen halben Dinar Granatäpfelbeeren; nimm dich aber wohl in acht, dass wir nicht noch einmal wegen dieser Speise geprügelt werden, nachdem wir schon mißhandelt wurden, weil wir in deinem Laden gewesen sind.« Hasan erwiderte lachend: »Bei Gott! Niemand kann diese Speise so gut zubereiten, wie ich und meine Mutter, die jetzt weit von hier ist.« Er füllte ihm dann seine Schüssel und goss Butter darüber, und der Diener lief damit ins Zelt zurück. Die Mutter Hasans kostete sogleich davon und als sie sie sehr gut fand, erkannte sie den, der sie zubereitet; sie schrie laut und fiel in Ohnmacht. Der Wesir war erstaunt darüber und bespritzte sie mit Wasser; als sie wieder zu sich kam, rief sie: »Wenn mein Sohn noch am Leben ist, so hat kein anderer, als er, diese Speise gekocht; niemand außer ihm kennt diese Zubereitung!«

Als der Wesir dies hörte, sagte er voll Freude: »Gott wird uns gewiss wieder mit meinem Neffen vereinen!« Er rief sogleich alle seine Leute zusammen, Sklaven, Kammerdiener und Stallknechte, an die fünfzig Mann, und sagte ihnen: »Geht in den Laden des Kochs, nehmt Stöcke, Prügel und ähnliches mit euch, zerschlagt alles Geschirr, was ihr bei ihm findet, verwüstet den Laden völlig, bindet den Koch dann mit feinem Turban und fraget ihn, ob er die schlechten Granatäpfelbeeren zubereitet. Ich gehe indessen in den Palast der Seligkeit und komme dann wieder zu euch; keiner von euch soll ihn aber schlagen, noch sonst misshandeln; bindet ihn nur und bringt ihn mit Gewalt hierher.« Die Leute freuten sich dieses Auftrags und der Wesir bestieg sogleich sein Pferd, ritt in den königlichen Palast, traf dort den Gouverneur von Damaskus, zeigte ihm seine Empfehlungsschreiben; dieser küsste sie und fragte dann nach dem Lesen derselben: »Wer ist der Schuldige?«

»Ein Koch«, erwiderte der Wesir. Hierauf schickte der Gouverneur sogleich seinen Adjutanten mit vier anderen Offizieren, vier Janitscharen und sechs Polizeisoldaten ab. Als sie aber in den Laden des Kochs kamen, war schon alles zertrümmert und verwüstet, denn während der Wesir im königlichen Palaste war, liefen seine Leute, der eine mit einem Stocke, der andere mit einem Pfosten eines Zeltes, der dritte mit einem Spieße, der vierte mit einem Schwerte bewaffnet, in den Laden Hasans, zerbrachen, ohne ihm ein Wort zu sagen, alle seine Schüsseln, Teller, Töpfe und Kessel. »Was bedeutet dies, ihr Gemeinde der Frommen?« fragte Hasan. »Bist du es nicht«, erwiderten sie ihm, »der die Granatäpfel zubereitet, die eben ein Diener hier kaufte?«

»Freilich bin ich's!« antwortete Hasan; »niemand kann sie so gut, wie ich, zubereiten.« Sie schrieen ihn an, schimpften ihn, zerschlugen alles, was noch ganz war; eine Menge Leute sammelte sich um den Laden und alle sagten: »Hier geht etwas Großes vor.« Hasan schrie immerfort: »O ihr Muselmänner, warum habe ich mir denn durch meine Speise eine solche Behandlung zugezogen? Warum zerbrecht ihr alle meine Geschirre und verwüstet meinen ganzen Laden?« Man antwortete ihm wieder: »Bist du es nicht, der Granatäpfel zubereitet?«

»Freilich«, erwiderte er, »doch was ist daran Böses?« Die Leute schrieen wieder auf ihn ein und schmähten ihn, umgaben ihn von allen Seiten, nahmen die Binde von seinem Turban, banden ihn damit fest und schleppten ihn mit Gewalt zum Laden hinaus.

Hasan geriet in den heftigsten Zorn; er schrie laut weinend: »Was war denn mit diesen Granatäpfeln, dass ihr mich deshalb so mißhandelt?« Die Leute gaben ihm wieder dieselbe Antwort. Als sie mit ihm in die Nähe des Zeltes kamen, holte sie der Adjutant des Sultans mit seinen Schergen ein; er trieb die Leute weg, die sich um Hasan versammelt hatten, schlug ihn mit dem Stocke auf die Schultern und fragte ihn auch wieder: »Hast du nicht die Granatäpfel zubereitet?« Hasan taten die Schläge so weh, dass er weinend fragte: »Was ist denn mit diesen Granatäpfeln?« Der Adjutant stieß und schimpfte ihn und sagte seinen Leuten: »Schleppt diesen Hund nur immer fort!« So wurde Hasan unter Toben, Schimpfen und Schlägen in das Zelt geschleppt. Man wartete dort, bis der Wesir vom Statthalter von Syrien, bei dem er sich verabschiedet hatte, zurückkam, und stellte ihm dann Hasan vor. Als Hasan seinen Oheim Schemsuddin sah, weinte er und fragte wieder, was er verschuldet? »Hast du nicht die Granatäpfel zubereitet?« erwiderte ihm der Wesir, ihn dabei so heftig anschreiend, dass ihm fast der Atem ausging. »Jawohl!« antwortete Hasan; »doch sagt mir endlich, was ich dabei für ein Verbrechen begangen; soll ich etwa deshalb hingerichtet werden?«

»Du sollst es bald erfahren«, antwortete der Wesir. Er rief dann seine Leute und gab ihnen Befehl, aufzubrechen. Sie legten sogleich die Zelte zusammen, ließen die Kamele und Dromedare niederknien und sperrten Hasan in eine Kiste, schlossen sie zu und luden sie auf ein Dromedar; die Reise ging immerfort bis sie nach Ägypten kamen. Vor der Stadt Kahirah ließ der Wesir die Kamele niederknien, und Hasan aus der Kiste herauskriechen. Er ließ dann Holz herbeischaffen, berief einen Schreiner zu sich und sagte zu diesem: Mache mir einen hölzernen Galgen.« Hasan fragte: »Mein Herr, was willst du mit diesem Galgen?«

»Dich hängen, daran nageln und dich dann so in der Stadt herumführen lassen«, erwiderte der Wesir«,weil du so schlechte Granatäpfel gekocht, und zu wenig Pfeffer dazu genommen hast.«

»Wie«, sagte Hasan, »weil an den Granatäpfeln zu wenig Pfeffer war, habt ihr meinen Laden verwüstet und mein Geschirr zerbrochen? o ihr Muselmänner, um ein bisschen Pfeffers willen habt ihr mich also gebunden und in diese Kiste gesperrt, in der ich Tag und Nacht geplagt wurde, indem ich selbst das wenige Essen, das ihr mir hineingereicht, darin verzehren musste: darum habt ihr mich gefesselt und wollt mich nun hängen lassen? o ihr Muselmänner, und dies alles, weil die Granatäpfel nicht genug gepfeffert waren; verdient denn ein solches Vergehen eine so grausame Strafe? Nie«, setzte Hasan laut weinend hinzu, »ist einem Menschen etwas ähnliches begegnet. Man schlägt mich, verwüstet meinen Laden, plündert mich aus und will mich noch dazu hängen, weil ich die Granatäpfel nicht genug gepfeffert habe! Gott verdamme die Granatäpfel, wäre ich doch gestorben, ehe ich sie gekocht!« Immer heftiger flossen seine Tränen, als er schon die Nägel womit er angenagelt zu werden fürchtete, vor seinen Augen liegen sah; als aber die Nacht heranbrach, ließ der Wesir Hasan wieder in die Kiste sperren, Schloss sie zu und sagte ihm: »Wir haben jetzt doch nicht mehr Zeit, dich festzunageln, du kannst also diese Nacht noch in der Kiste bleiben.« Hasan hörte nicht auf zu weinen, und tröstete sich endlich damit, dass er sagte; »Es bleibt mir keine andere Zuflucht als die himmlische Macht übrig. Ich soll angenagelt werden, und habe weder gemordet, noch gelästert, noch Gott verleugnet, nur zu wenig Pfeffer an die Granatäpfel getan!« Während Hasan so jammerte, ließ der Wesir die Kiste wieder auf ein Dromedar laden und in die Stadt tragen, nachdem schon alle Bazare geschlossen waren; er ließ dann vor seinem Hause still halten, wo auch die übrigen Kamele niederknieten. Während nun alles abgeladen ward, sagte der Wesir zu seiner Tochter Sittulhasan: »Meine Tochter, gelobt sei Gott! der dich wieder mit deinem Gatten und Vetter vereint; lass im Hause sogleich alles in Ordnung bringen und so wieder einrichten, wie vor zwölf Jahren an deiner Hochzeitsnacht. Es wurden dann Wachskerzen und Lampen angezündet, der Wesir nahm das Papier, worauf geschrieben war, wie alles in der Hochzeitsnacht geordnet gewesen, zur Hand, und las es den Dienern vor und es ward alles an den nämlichen Ort gestellt, wie vor zwölf Jahren; auch der Turban Hasans wurde auf den Stuhl gelegt, wie er es selbst in jener Nacht getan; die Beinkleider und der Beutel mit 1000 Dinaren wurden ebenso unter die Matratze gelegt. Der Wesir sagte hierauf zu seiner Tochter: »Gehe in das Nebenzimmer, ziehe dich gerade so an, wie in der Nacht, wo dein Gatte bei dir ruhte, sage ihm dann: du bist wohl lange ausgeblieben, mein Herr« bitte ihn auch, dass er sich wieder niederlege, unterhalte dich mit ihm bis morgen früh, dann erst wollen wir ihm die ganze Geschichte entdecken.«

Der Wesir, fuhr Djafar in seiner Erzählung vor dem Kalifen fort, ging dann zu Hasan, entfesselte ihn und zog ihm seine Kleider bis auf das Hemd aus. Dieser ging langsam vorwärts, bis er an die Türe des Zimmers kam, in welchem man vor zwölf Jahren die Braut vor ihm geschmückt hatte; als er den Kopf ins Zimmer steckte, erkannte er den Vorhang, das Bett und den Stuhl; er war sehr erstaunt, trat dann mit dem einen Fuße ins Zimmer, und war ganz verwirrt im Kopf »Gelobt sei der erhabene Gott!« rief er dann aus, »wache oder träume ich?« Er rieb sich die Augen, Sittulhasan hob aber den Vorhang ein wenig in die Höhe und sagte: »O mein Herr! wie lange bist du ausgeblieben, lege dich doch wieder ins Bett!« Wie Hasan ihre Stimme hörte und ihr Gesicht sah, wunderte er sich sehr und sagte lachend: »Bei Gott! das ist gut. Ich bin wirklich lange weggeblieben.« Er trat sodann ins Zimmer, und alles, was ihm seit zwölf Jahren widerfahren, drehte sich ihm im Kopfe herum, er konnte mit der Geschichte nicht ins klare kommen. Als er nun gar den Stuhl mit seinem Urban, Oberkleid und Tuch erblickte, und unter der Matratze seine Beinkleider und den Beutel wieder fand, lachte er wieder und sagte: »Bei Gott! das ist gut.« Sittulhasan aber fragte ihn: »Was lachst du so, mein Herr, und worüber bist du so verwundert?« Er lachte wieder, als er dies hörte, und fragte: »Wie lange bin ich wohl ausgeblieben?« Sittulhasan aber rief: »Hast du die Besinnung verloren? Es ist kaum eine kleine Weile, dass du dich von meiner Seite rissest, und ins Nebengemach gingst.« Er lachte wieder und sagte: »Bei Gott! du hast Recht, meine Gattin, es ist mir aber doch, als wäre ich von dir fort gewesen; ich habe wohl in meiner Abwesenheit die Besinnung verloren, dann geschlafen, und mir ist's, als hätte ich geträumt, dass ich in Damaskus gewesen und dort zehn Jahre als Koch gelebt habe; es kam dann ein Knabe mit einem Sklaven -« Hasan griff hier mit der Hand an seine Stirne und fand die Narbe, die ihm Adjib gemacht und sagte: »Es ist doch wahr, bei Gott! er hat mich mit einem Steine getroffen und meine Stirne geritzt; ich muss also doch gewacht haben.« Er setzte hinzu: »Beim Allmächtigen: mir ist's, nachdem ich an deiner Seite geruht, als wenn ich geträumt habe, ich sei nackt nach Damaskus gegangen und sei dann dort Koch geworden; ferner habe ich geträumt, dass ich Granatäpfel gekocht, die nicht genug gepfeffert waren; wahrhaftig, ich habe sehr lange geträumt.«

»Was hast du denn noch im Traume gesehen?« fragte Sittulhasan; »erzähle mir alles.«

»O meine Gebieterin«, fuhr er fort, »wenn ich nicht schnell erwacht wäre, so hätten sie mich an den Galgen genagelt.«

»Und weshalb?« fragte Sittulhasan. - »Weil ich die Granatäpfel nicht genug gepfeffert habe«, antwortete er; »sie haben auch deshalb meinen Laden verwüstet und mein Geschirr zerbrochen, auch haben sie mich gefesselt, in eine Kiste gesperrt, bei einem Schreiner einen Galgen bestellt, um mich daran zu nageln, weil an den Granatäpfeln nicht genug Pfeffer gewesen war. Nun gottlob! dass mir alles dies nur im Traume widerfahren und nicht in der Wirklichkeit.« Sittulhasan lachte und drückte ihn an ihr Herz. Dann sagte er wieder: »Ich habe doch alles dies wachend erlebt, und kann aus dieser Geschichte nicht klug werden; es gibt keine Zuflucht und keine Macht, außer bei Gott.«

So brachte Hasan diese Nacht zu; bald sagte er, ich habe geträumt, dann wieder, ich habe gewacht; er betrachtete eine Weile das Zimmer, die ganze Einrichtung und die Braut und sagte: »Bei Gott! ich habe nicht einmal eine ganze Nacht hier geschlafen.« So war er in Verwirrung bis zum Morgen, da kam sein Oheim und wünschte ihm einen guten Tag. Als Hasan ihn betrachtete und ihn für den Wesir von gestern erkannte, schrie er erschrocken: »O weh! o weh! hast du nicht befohlen, dass man mich schlage, misshandle, fessle und annagle, weil meine Granatäpfel nicht genug gepfeffert waren?« Der Wesir antwortete ihm: »Nun ist alles klar und die ganze Wahrheit bekannt; du bist mein echter Neffe, und alles, was ich getan, war nur, um die Wahrheit zu ergründen, du hast meine Tochter in jener Nacht umarmt, du kennst deinen Turban und deine Beinkleider, den Brief, den dein Vater, mein Bruder, geschrieben, und den du in dem Käppchen aufbewahrt, es ist kein Zweifel, mehr, dass du es bist, denn ein anderer hätte von all dem nichts gewusst.« Er sprach dann folgenden Vers:

»Das Schicksal bleibt sich nicht immer gleich, es geht nicht anders: bald kommt Trauer bald Freude.«

Er führte dann auch seine Mutter zu ihm; als sie ihn sah, fiel sie über ihn her, weinte und sprach folgende Verse:

»Bei unserem Wiedersehen klagten wir einander, was wir gelitten. Nicht durch die Zunge eines Boten lassen sich Klagen gut mitteilen. Die Trauer einer gemieteten Klagefrau gleicht nicht der eines wirklich betrübten Herzens, und nicht mein Bote mir selbst.«

Sie erzählte ihm dann, was sie ausgestanden, seitdem er von ihr sich entfernt, er verkündete ihr, was er gelitten; sie lobten Gott über ihre Wiedervereinigung. Den folgenden Tag berichtete der Wesir alles dem Sultan; er wunderte sich so sehr über diese Geschichte, dass er sie aufschreiben und aufbewahren ließ. Der Wesir mit seiner Tochter und seinem Neffen lebte noch lange Jahre in den besten und angenehmsten Verhältnissen, sie aßen und tranken und belustigten sich, bis sie den Todeskelch leeren mussten. Dies, Beherrscher der Gläubigen! ist die Geschichte des Wesirs aus Kahirah und des Wesirs aus Basrah. - Der Kalif sagte: »O Djafar, diese Geschichte ist höchst wunderbar.« Auch ließ er sie sogleich aufschreiben und aufbewahren und schenkte dem Sklaven die Freiheit und dem jungen Manne eine seiner schönsten Sklavinnen, und gab ihm so viel, als er zu leben brauchte; er blieb in der Umgebung des Kalifen, bis der Tod sie trennte.«

Geschichte des Buckligen