[swahili, "Geschichte, Legende"]

Ein Quart Verstand

In dieser Gegend war einmal, und es ist noch gar nicht so lange her, ein Dummkopf, und der wollte sich ein Quart Verstand kaufen, denn durch seine Torheit geriet er immer wieder in die Klemme, und jedermann lachte ihn aus. Die Leute erzählten ihm, er könne alles, was er haben wolle, von der weisen Frau bekommen, die oben auf dem Hügel wohnte und mit Heiltränken handelte, mit Pflanzen und Zaubersprüchen und derlei Dingen, und sie konnte dir alles sagen, was dir und deinen Leuten zustoßen würde. Er sagte das also seiner Mutter und fragte sie, ob er die weise Frau aufsuchen und ein Quart Verstand kaufen solle. »Das solltest du tun«, sagte sie, »du hast's blutnotwendig, mein Sohn. Und wenn ich sterben sollte, wer würde sich dann um so einen armen Dummkopf wie dich kümmern, der so wenig für sich selber sorgen kann wie ein ungeborenes Kind! Aber achte auf dein Benehmen und sprich anständig, denn solche weisen Leute sind von feiner Art und nehmen leicht etwas krumm.«

Er ging also nach dem Tee fort. Und da war sie und saß beim Feuer und rührte in einem großen Topf. »'n Abend, Frau«, sagte er, »schöner Abend heute.«

»Ja«, sagt sie und rührt weiter. »Regnen wird's vielleicht«, sagt er und trippelt von einem Fuß auf den andern. »Vielleicht«, sagt sie. »Und kann sein, 's wird nicht«, sagt er und schaut durchs Fenster hinaus. »Kann sein«, sagt sie. Und er kratzte sich am Kopf und drehte seinen Hut herum. »Also«, sagt er, »übers Wetter fällt mir nichts andres ein, aber wart mal das Getreide kommt gut.«

»Gut«, sagt sie. »Und - und - das Vieh wird fetter«, sagt er. - »Das wird's«, sagt sie. »Und - und -«, sagt er und bleibt stecken - »ich meine, jetzt gehen wir ans Geschäft, wenn wir mit dem höflichen Zeug fertig sind. Habt Ihr irgendwelchen Verstand zu verkaufen?«

»Das kommt darauf an«, sagt sie, »ob du Königsverstand brauchst oder Soldatenverstand oder Schulmeisterverstand, die führ ich nicht.«

»Ach wo«, sagt er, »einfach gewöhnlichen Verstand - wie er für jeden Dummkopf taugt, so wie ihn jeder hier hat, wie's halt hier gerade üblich ist.«

»Aha«, sagt die weise Frau, »das könnte ich schaffen, wenn du selbst mithelfen willst.«

»Wie soll 'n das gehen, Frau?« sagt er. »Einfach so«, sagt sie und schaut in den Topf. »Bring mir das Herz von dem Ding, das du am liebsten magst, und dann sage ich dir, woher du dein Quart Verstand bekommst.«

»Aber«, sagt er und kratzt sich am Kopf, »wie soll ich das machen?«

»Das kann ich dir nicht sagen«, sagt sie, »finde es selbst heraus, mein Junge, wenn du nicht deiner Lebtag ein Dummkopf bleiben willst. Aber du wirst mir ein Rätsel erraten müssen, damit ich sehen kann, ob du das richtige Ding gebracht hast und ob du deinen Verstand bei dir hast. Und jetzt muss ich mich um etwas anderes kümmern«, sagt sie, »also guten Abend«, und sie trug den Topf mit sich hinein in die hintere Kammer.

Der Dummkopf ging also fort und zu seiner Mutter und erzählte ihr, was die weise Frau gesagt hatte. »Ich denke, ich muss das Schwein töten«, sagt er, »denn fetten Speck mag ich lieber als alles andere.«

»Dann tu's, mein Junge«, sagte seine Mutter, »denn es wird bestimmt eine besondere und feine Sache für dich sein, wenn du dir ein Quart Verstand kaufen kannst und dann imstande bist, für dich selbst zu sorgen.«

Er tötete also sein Schwein, und am nächsten Tag ging er hin zur Hütte der weisen Frau. Und da saß sie und las in einem großen Buch. »Guten Abend, Frau«, sagt er, »ich hab Euch das Herz von dem Ding gebracht, das ich am liebsten mag, und ich hab es in Papier eingewickelt auf den Tisch gelegt.«

»Ah so?« sagt sie und schaut ihn durch ihre Brille an. »Dann sag mir nun, was läuft ohne Füße?« Er kratzte sich am Kopf und dachte nach und dachte nach, aber er konnte es nicht sagen. »Geh deiner Wege«, sagt sie, »du hast mir noch nicht das richtige Ding gebracht. Ich habe heute keinen Verstand für dich.« Und sie schlug das Buch zu und drehte ihm den Rücken zu.

So ging der Dummkopf fort, um es seiner Mutter zu erzählen. Aber als er in der Nähe des Hauses war, kamen Leute herausgelaufen und erzählten ihm, dass seine Mutter im Sterben lag. Und als er hineinkam, sah ihn seine Mutter nur an und lächelte, als wollte sie sagen, sie könne ihn beruhigt verlassen, weil er nun genug Verstand habe, um für sich selbst zu sorgen. Und dann starb sie.

Da setzte er sich nieder, und je mehr er darüber nachdachte, desto übler war ihm zumute. Es fiel ihm ein, wie sie ihn gepflegt hatte, als er ein kleiner Kerl war, und wie sie ihm bei den Aufgaben geholfen und ihm sein Essen gekocht hatte, und wie sie seine Kleider geflickt und seine Dummheit ertragen hatte; er wurde immer trauriger und trauriger und fing an zu schluchzen und zu heulen. »Oh, Mutter, Mutter!« sagt er, »wer wird jetzt für mich sorgen! Du hättest mich nicht allein lassen sollen, denn ich hatte dich lieber als alles andere!«

Und als er das sagte, fielen ihm die Worte der weisen Frau ein. »Heijei!« sagt er, »soll ich Mutters Herz zu ihr bringen? - Nein, das kann ich nicht machen«, sagt er. »Was soll ich machen? Was soll ich machen, damit ich dieses Quart Verstand bekomme, wo ich jetzt allein bin auf der Welt?« So dachte er nach und dachte nach und dachte nach, und am nächsten Tag ging er und lieh sich einen Sack aus, wickelte seine Mutter hinein und trug das Bündel auf der Schulter hinauf zur Hütte der weisen Frau. »'n Abend, Frau«, sagt er, »ich denke, ich hab Euch diesmal bestimmt das richtige Ding gebracht«, und patsch! ließ er den Sack auf die Türschwelle herunterplumpsen. »Vielleicht«, sagt die weise Frau, »aber rate mir jetzt dies: was ist gelb und schimmernd, aber kein Gold?« Und er kratzte sich am Kopf und dachte nach und dachte nach, aber er konnte es nicht sagen. »Du hast nicht das Richtige erwischt, mein Junge«, sagt sie. »Ich hab den Verdacht, du bist ein noch größerer Dummkopf, als ich meinte!«, und sie machte ihm die Tür vor der Nase zu. »Jetzt schau an!« sagt er und setzt sich am Straßenrand nieder und flennt. »Ich hab die beiden einzigen Dinge verloren, die mir lieb waren, und was finde ich sonst, mit dem ich mir ein Quart Verstand kaufen kann!« Und er heulte drauflos, dass ihm die Tränen in den Mund liefen.

Da kam ein Mädchen daher, das wohnte in der Nähe, und die schaute ihn an. »Was ist denn mit dir los, Dummer?« sagt sie. »Uuh, ich hab mein Schwein getötet und meine Mutter verloren, und ich bin selber nichts als ein Dummkopf«, sagt er und schluchzt. »Das ist schlimm«, sagt sie, »und hast du keinen, der für dich sorgt?«

»Nein«, sagt er, »und ich kann mir kein Quart Verstand kaufen, weil nichts mehr da ist, das ich am liebsten mag!«

»Was redest du da!« sagt sie.

Und sie setzt sich neben ihn hin, und er erzählte ihr alles von der weisen Frau und dem Schwein und von seiner Mutter und den Rätseln, und dass er allein sei auf der Welt. »Nun«, sagt sie, »es würde mir nichts ausmachen, selbst für dich zu sorgen.«

»Könntest du das?« sagt er. - »O ja«, sagt sie, »die Leute sagen, Dummköpfe geben gute Ehemänner ab, und ich denke, ich nehme dich, wenn du willst.«

»Kannst du kochen?« sagt er. »Ja, das kann ich«, sagt sie. »Und schrubben?« sagt er. »Freilich«, sagt sie. »Und meine Kleider flicken?« sagt er. »Das kann ich«, sagt sie. »Ich denke, dann taugst du so gut wie irgendeiner«, sagt er, »aber was soll ich jetzt wegen der weisen Frau machen?«

»Ach, wart ein wenig«, sagt sie, »vielleicht findet sich etwas, und es macht auch nichts aus, wenn du ein Dummkopf bist, solang du mich hast und ich für dich sorge.«

»Das ist wahr«, sagt er, und sie machten sich auf und heirateten. Und sie hielt sein Haus so sauber und ordentlich und kochte ihm sein Essen so gut, dass er nachts einmal zu ihr sagte: »Mädchen, ich mein, dich mag ich eigentlich am allerliebsten von allem.«

»Das hört sich gut an«, sagt sie, »und was nun?«

»Meinst du, ich muss dich jetzt töten und dein Herz hinauftragen zu der weisen Frau für das Quart Verstand?«

»Bei Gott, nein!« sagt sie und schaut entsetzt drein, »das will ich nicht haben. Aber sieh mal, du hast doch das Herz deiner Mutter nicht herausgeschnitten, nicht wahr?«

»Nein, aber wenn ich es gemacht hätte, dann hätte ich vielleicht mein Quart Verstand bekommen«, sagt er. »Kein bisschen davon«, sagt sie, »nimm du mich mit, wie ich bin, das Herz und alles zusammen, und ich wette, ich helfe dir die Rätsel erraten.«

»Kannst du das?« sagt er ungläubig, »ich denke, die sind zu schwer für Weibervolk.«

»Nun«, sagt sie, »wir wollen mal sehen. Sag mir das erste.«

»Was läuft ohne Füße?« sagt er. »Nun, das Wasser!« sagt sie. »Stimmt«, sagt er und kratzt sich am Kopf. »Und was ist gelb und schimmernd, aber kein Gold?«

»Nun, die Sonne!« sagt sie. »Meiner Treu, stimmt!« sagt er. »Komm, wir gehen gleich hinauf zu der weisen Frau«, und sie gingen hin. Und als sie den Pfad heraufkamen, saß sie vor der Tür und flocht Stroh. »Guten Abend, Frau«, sagt er. »Guten Abend, Dummkopf«, sagt sie. »Ich denke, ich hab Euch schließlich doch das richtige Ding gebracht«, sagt er.

Die weise Frau sah die beiden an und wischte über ihre Brillengläser. »Kannst du mir sagen, was das ist; zuerst hat es keine Beine, dann zwei Beine und mit vier Beinen hört es auf?« Und der Dummkopf kratzte sich am Kopf und dachte nach und dachte nach, aber er konnte es nicht sagen. Und das Mädchen flüsterte ihm ins Ohr: »Das ist eine Kaulquappe.«

»Kann sein«, sagt er dann, »es könnte eine Kaulquappe sein, Frau.« Die weise Frau nickte mit dem Kopf. »Das ist richtig«, sagt sie, »und du hast bereits dein Quart Verstand bekommen.«

»Wo ist er?« sagt er, schaut sich um und langt in die Taschen. »Im Kopf von deiner Frau«, sagt sie. »Das einzige Heilmittel für einen Dummkopf ist eine tüchtige Frau, die für ihn sorgt, und das hast du bekommen, und jetzt Guten Abend!« Und damit nickte sie ihnen zu, und auf und ins Haus.

So gingen sie zusammen nach Hause, und niemals wieder wollte er ein Quart Verstand kaufen, denn seine Frau hatte genug für beide.