[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Kinder der Häuptlingsfrau

In einem Land gab es einmal einen Häuptling, der hatte nur Kinder, die Krähen waren, nicht eines war ein menschliches Wesen. Mit allen Frauen, in allen seinen Hütten, hatte er nur Krähen. Seine Hauptfrau aber bekam gar kein Kind; es hieß, sie sei unfruchtbar. Und so war sie schon lange kinderlos. Alle machten sich über sie lustig, und sogar die Frauen, die Krähen gebaren, sagten: »Wir bringen zwar nur Krähen zur Welt, du aber gar nichts. Meinst du nicht, dass du unnütz bist?« Weinend sagte sie: »Aber habe ich mich denn selbst gemacht? Denn auch ihr seid nur darum Mütter, weil gesagt wurde: ›Werdet Mütter!‹«

Schließlich ging die Hauptfrau ihr Feld umgraben. Als sie mit dem Graben beinahe fertig war, kamen, als sie sich einmal hingesetzt hatte und weinte, zwei Tauben zu ihr. Die eine Taube wandte sich der anderen zu: »Gurre, gurre.« Da meinte die andere: »Warum gurrst du und fragst nicht, warum sie weint?« Die Frau antwortete: »Ich weine, weil ich keine Kinder habe. Die anderen Frauen des Häuptlings gebären Krähen, ich aber gar nichts.« Da gurrte die erste Taube wieder, und die andere fragte: »Warum gurrst du und fragst nicht, was sie uns geben will, wenn wir ihr zu einem Kind verhelfen?« Die Frau erwiderte: »Ich gäbe alles, was ich besitze.« Die erste Taube gurrte wieder, und die andere meinte: »Warum gurrst du und fragst nicht, was sie uns zu essen geben will?« Da versprach die Frau: »Ich werde euch mein Korn geben.« Wieder gurrte die eine Taube: »Gurre, gurre.« Und die andere fragte: »Warum gurrst du, wo wir doch kein Korn essen?« Die Frau bot an: »Ich werde euch meine Knollen geben.«

»Gurre, gurre«, sagte die Taube, und die andere fragte: »Warum gurrst du und erzählst ihr nicht, dass wir Knollen nicht mögen?« Die Frau zählte alles Essbare auf, das sie hatte, aber die Tauben lehnten alles ab. Endlich sagte sie: »Mehr habe ich nicht.« Die Taube sagte: »Gurre, gurre, du hast Korn, wir aber bevorzugen Samen von Ölfrüchten.« Da sagte die Frau: »Oh, die habe ich.«

»Gurre, gurre«, sagte die eine Taube, und die andere fragte: »Warum gurrst du und sagst ihr nicht, sie soll nach Hause eilen und Ölsamen holen?«

Die Frau lief sogleich nach Hause. Sie nahm Ölsamen, der in einem Tontopf war, schüttete ihn in einen Korb, den sie sich auf den Kopf stellte, und kehrte aufs Feld zurück. Als sie ankam, sagte die eine Taube: »Gurre, gurre.« Da fragte die andere: »Warum gurrst du und sagst ihr nicht, dass sie den Samen auf die Erde schütten soll?« Die Frau schüttete den Ölsamen auf die Erde, und die Tauben pickten alles auf.

Als sie aufgegessen hatten, gurrte die eine Taube wieder, und die andere meinte: »Warum fragst du sie nicht, ob sie ein Horn und ein Messer mitgebracht hat?« Die Frau antwortete: »Nein, hab ich nicht.« Da gurrte die eine Taube wieder, und die andere fragte: »Warum schickst du sie nicht Horn und Messer holen?« Die Frau lief nach Hause, holte ein Horn und ein Messer und kehrte sogleich zurück. Als sie ankam, gurrte die eine Taube, die andere fragte: »Warum sagst du ihr nicht, dass sie uns den Rücken zuwenden soll?« Die Frau drehte sich um. Da gurrte die eine Taube wieder, und die andere erwiderte: »Warum ritzest du ihr nicht die Lenden?« Die Taube ritzte ihr nun die Lenden, und als sie damit fertig war, schüttete sie das geronnene Blut in das Horn. Dann gurrte sie. Die andere fragte: »Warum gurrst du und trägst ihr nicht auf, das Blut zu Hause in ein großes Gefäß zu schütten und das Gefäß erst wieder aufzudecken, wenn zwei Monde vergangen sind?« Die Frau ging nach Hause und tat, wie ihr gesagt worden war. Sie wartete zwei Monde lang, und als der dritte Neumond kam, fand sie zwei Kinder. Sie nahm sie aus dem Gefäß und legte sie in ein größeres. Dann wartete sie noch einen Mond ab, ohne hineinzuschauen. Als sie im vierten Mond nachsah, waren die Kinder gewachsen und lachten sie an. Da freute sie sich sehr.

Die Frau ging nun wieder umgraben. Als sie das Feld erreicht hatte, setzte sie sich nieder, bis die Hitze nachließ, und fragte sich: »Ist es möglich, dass meine Kinder am Leben bleiben? Ich bin ja von den anderen Frauen verspottet worden, aber die können ja keine menschlichen Wesen gebären, sie bringen nur Krähen zur Welt.« Am Nachmittag kehrte sie nach Hause zurück. Als es Abend wurde und Zeit, sich schlafen zu legen, verschloss sie die Türöffnung mit einem Geflecht aus Zweigen und mit einer Matte und sagte: »Wenn nun jemand an der Tür vorbeigeht, dann kann er nichts sehen.« Sie wartete, und als sie sah, dass die Leute nicht mehr im Dorf herumliefen, nahm sie ihre Kinder, legte sie auf eine Matte und gab ihnen Milch. Der Junge trank, das kleine Mädchen aber verschmähte die Milch. Als sie lange mit ihnen gespielt hatte, legte sie die Kinder wieder in das Gefäß zurück und ging schlafen.

Die beiden Kinder wuchsen sehr schnell. Schließlich krochen sie auf dem Boden herum, waren aber noch von niemandem gesehen worden; dann liefen sie, und ihre Mutter verbarg sie immer noch vor den Leuten. Sie blieben im Haus, ihre Mutter erlaubte ihnen nicht, hinauszugehen. Sie sagte, wenn sie hinausgingen, würden die Krähen sie töten, denn die belästigten die Mutter sogar im Haus. Wenn die Mutter nämlich früh aufgestanden war und Wasser geholt hatte, ging sie aufs Feld arbeiten und fand dann, wenn sie nachmittags zurückkam, das Wasser überall im Haus verschüttet und die Asche von der Feuerstelle verstreut. Sie sagte: »Das geschieht mir, weil ich nicht einmal solche Krähen geboren habe, denn hätte ich das, würde ich nicht so behandelt. Lange genug kränkt man mich auf solche Weise, auch mein Mann, der mich geheiratet hat, betrachtet mich nicht mehr als einen Menschen, nur weil ich kein Kind habe.«

Die beiden Kinder wuchsen heran. Das Mädchen war schließlich eine junge Frau und der Junge ein junger Mann. Die Mutter sagte zu ihnen: »Ihr seid jetzt so groß, meine Kinder, und habt noch immer keinen Namen.« Zu dem Mädchen sagte sie: »Du sollst Ukcombekcantsini heißen.« Der Junge aber sprach: »Mir gib keinen Namen. Wenn ich erwachsen bin, werde ich einen Mannesnamen von meinem Vater bekommen. Jetzt möchte ich noch keinen Namen haben.« Da stimmte die Mutter zu.

An einem Mittag, als die Mutter nicht da war, sagte das Mädchen: »Wir wollen Wasser holen, die Krähen haben Mutters Wasser verschüttet.« Der Junge wandte ein: »Aber Mutter hat uns verboten hinauszugehen.« Aber das Mädchen sagte: »Wer soll uns denn sehen, wo alle Leute zur Arbeit gegangen sind?« Da war der Junge einverstanden. Das Mädchen nahm ein Wassergefäß, und sie gingen zusammen zum Fluss. Nun war das Besondere an dem Jungen, dass er weiß war, während das Mädchen sehr dunkle Haut hatte. Sie erreichten den Fluss und schöpften Wasser. Als sie das Gefäß gefüllt hatte, bat das Mädchen den Jungen: »Heb es mir auf den Kopf.« Während er das tat, sahen sie viele Leute in einer Reihe auf sie zu kommen. Als die Leute den Fluss erreicht hatten, sagten sie: »Gib uns zu trinken.« Der Junge schöpfte mit einer Kelle Wasser und reichte es dem ersten. Auch der zweite bat: »Gib mir zu trinken.« Er gab ihm Wasser. Alle baten in der gleichen Weise, bis er allen zu trinken gegeben hatte.

Dann fragten die Leute: »Aus welchem Dorf kommt ihr?« Sie antworteten: »Aus dem da, auf dem Hügel.« Die Leute fragten: »Ist da jemand zu Hause?« Sie antworteten: »Nein, niemand.« Dann fragten die Leute: »Welches ist euer Haus?« Die beiden sagten: »Das letzte dort, neben dem Haupteingang.«

»Wer ist die Häuptlingsfrau?« fragten die Leute, und sie antworteten: »Unsere Mutter war Häuptlingsfrau, aber weil sie keine Kinder bekam, wurde ihr Haus abgerissen und neben dem Eingang aufgestellt.« Und dann wollten die Kinder wissen: »Und ihr, zu welchem Volk gehört ihr?« Die Leute antworteten: »Wir kommen von dahinten. Wir suchen ein sehr schönes Mädchen, unser Häuptling will heiraten.« Die Kinder fragten: »Soll das seine erste Frau werden?« Die Leute bejahten. Die Kinder fragten wieder: »Von welchem Volk seid ihr?« Da antworteten die Leute: »Wir sind Abahhwebu.« Nun fragte das Mädchen: »Und euer Häuptling, ist der von eurem Stamm?«

»Nein«, antworteten die Leute, »er ist nicht vom selben Stamm wie wir. Nur wir sind Abahhwebu. Und wir sind nicht viele.« Damit gingen die Abahhwebu davon.

Der Junge hob dem Mädchen das Wassergefäß auf den Kopf, dann gingen sie den Hügel hinauf zu ihrem Haus und setzten sich. Als die Mutter am Nachmittag von der Feldarbeit heimkam, fragte sie: »Wer hat das Wasser geholt?« Sie antworteten: »Wir.« Da schalt die Mutter: »Habe ich euch nicht verboten hinauszugehen? Wer hat euch gesagt, dass ihr Wasser holen sollt?« Der Junge sagte: »Ich wollte ja nicht, aber Ukcombekcantsini meinte: Wir wollen Wasser holen.« Die Mutter fragte: »Hat euch jemand gesehen?« Die Kinder erwiderten: »Ein paar Abahhwebu haben uns gesehen, die in einer langen Reihe daherkamen. Sie haben uns gefragt, wessen Kinder wir sind, und wir haben gesagt, dass wir in dieses Dorf gehören.« Dann waren sie still. Sie warteten viele Tage lang. Aber niemand in ihrem Dorf wusste von ihnen. Sie waren nur den Abahhwebu bekannt.

An einem anderen Nachmittag näherten sich viele Leute mit einer Menge Vieh dem Dorf. Die Dorfbewohner sagten: »Das sind Krieger. Welches Dorf mögen die überfallen haben, und wo haben sie so viel Vieh erbeutet?« Eine Menge Leute kam auf das Dorf zu. Sie ließen einen Teil des Viehs draußen, mit dem Rest betraten sie das Dorf. Dort trieben sie das Vieh in den Kraal, gingen dann in den oberen Teil des Dorfes, stellten sich dort auf und baten den Häuptling ehrerbietig um seine Tochter. Die Dorfbewohner waren still vor Staunen und fragten: »Gibt es etwa einen Mann, der sich eine Krähe zur Braut wählt? Denn in diesem Dorf gibt es nicht ein Mädchen, das ein Mensch ist.« Aber die Männer fragten so, als ob sie ein Mädchen kennen würden. Schließlich sagten die Frauen: »Wenn ihr kommt, weil ihr um eine Braut werben wollt, dann sagt, welches von all unseren Mädchen ist es denn? Die Mutter wäre glücklich, um deren Tochter mit so viel Vieh geworben wird.« Alle Frauen kamen aus den Hütten und standen draußen. Einige liefen zum Dorfeingang und sagten: »He, He! Ist die Kinderlose mit diesen Brautwerbern zufrieden?« Sie sagten das, um sie zu verspotten, denn sie wussten ja nicht, dass die Frau in Wirklichkeit ein Mädchen hatte, während ihnen bloß Krähen geboren worden waren. Ärgerlich gingen die Männer mit dem Vater der Krähen weg, und der war wütend auf die Frauen und rief: »Fort! Fort mit euch! Für welches eurer Mädchen macht ihr solches Geschrei? Ihr habt doch bloß Krähen geboren. Wer würde denn so viel Vieh für eine Krähe hergeben?« Und die Männer sagten: »Verschwindet in euren Hütten und hört mit dem Lärm auf.«

Der Häuptling ging nun zu den Brautwerbern und sprach: »Ich habe kein Mädchen, ich habe nur Krähen und nichts anderes. Nehmt euer Vieh und geht wieder zu euren Leuten nach Hause.« Aber sie erwiderten: »Wir flehen dich an, uns nicht abzuweisen, wir wissen, dass es hier ein Mädchen gibt, ein menschliches Wesen.« Das Dorfoberhaupt schwor feierlich, dass es bei ihm kein Mädchen gäbe. Schließlich sahen die Brautwerber einander an und wollten sich nun doch noch einmal bei den Abahhwebu erkundigen, die als erste hier hergekommen waren. Sie fragten: »Habt ihr hier in diesem Dorf wirklich ein Mädchen gesehen?« Die Abahhwebu erwiderten: »Wir haben hier eins gesehen, wir können sogar die Hütte zeigen, in die es hineingegangen ist.« Man erkundigte sich, welche es wäre, und die Abahhwebu sagten: »Es ist die vorletzte.« Da sprachen die Brautwerber: »O Häuptling dieses Dorfes, wir kennen deine Tochter wirklich; wir können sogar die Hütte zeigen, in der sie wohnt.« Der Häuptling erwiderte ärgerlich: »Sind diese Männer denn wahrhaftig so klug? Ich, der Vater der Kinder, sage euch, dass es in diesem Dorf kein Mädchen gibt, das ein Mensch ist. Aber ihr streitet mit mir nur herum, weil ihr gekommen seid, um euch über mich lustig zu machen, dass ich nicht der Vater von menschlichen Wesen bin. Die Bewohnerin der Hütte, die ihr mir zeigt, hat nicht einmal eine Krähe geboren.«

Als die Frau hörte, was ihr Mann sagte, trat sie aus der Hütte und sprach: »Siehe da, die Brautwerber für unsere Tochter! Kommt herein und schlachtet euch einen Ochsen, meine Schwiegersöhne. Denn obgleich ich kein Kind gebar, habt ihr doch gesehen, dass ich ein Mädchen habe.« Ihr Mann ging zu ihr und sagte: »Ich dachte, du hast kein Kind. Aber weil du nun herausgekommen bist und ein Geschrei erhoben hast, sag mir: Hast du doch ein Kind?« Sie erwiderte: »Woher sollte ein Kind kommen, da ich doch keins geboren habe?« Er sagte: »Ich frage dich, warum du herumgeschrieen hast?« Und sie erwiderte: »Ich habe wegen meiner Kinder geschrieen, die nicht die Kinder meines Mannes, sondern allein meine sind.« Ihr Mann fragte: »Wo sind sie?« Und sie sagte: »Kommt heraus, damit er euch sehen kann.« Der Junge und das Mädchen kamen. Als der Vater sie sah, stürzte er auf den Jungen zu, umarmte ihn und sagte weinend: »Hoho! Haben Frauen tatsächlich soviel Mut? Wie konntest du die Kinder verstecken, bis sie so groß geworden sind, und niemand hat davon gewusst?« Dann fragte er: »Woher hast du die Kinder?« Und sie antwortete: »Die Tauben haben sie mir gegeben. Sie ritzten mir die Lenden, da kam ein Klumpen Blut heraus, der wurde in ein Gefäß getan. Schließlich wuchsen daraus Menschen, und ich habe sie ernährt. Ich wollte dir davon nichts sagen, denn die Krähen hätten sie töten können.«

Der Vater stimmte zu und fragte: »Welcher Ochse soll für sie geschlachtet werden? Denn für sie darf nicht bloß eine Ziege getötet werden. Es ist nur recht, dass man einen jungen Ochsen schlachtet.« Die Mutter war damit einverstanden. Sie verließ die Hütte und ging glücklich und lachend zum Bräutigam und sagte: »Komm, dass ich dir deinen Ochsen zeigen kann.« Der Bräutigam kam allein, und sie zeigte ihm den jungen Ochsen. Der wurde geschlachtet und gegessen.

Am nächsten Morgen sagte der Vater: »Es wäre richtig, auch für das Mädchen einen Ochsen zu schlachten, zusammen mit dem, den sie für den Tanz vor den Brautwerbern braucht.« Die Mutter stimmte zu. Der Vater stand auf und sagte: »Es ist nur recht, dass für dieses Kind alle Bräuche erfüllt werden, denn ich möchte, dass die Brautwerber sie am Tag ihrer Abreise mitnehmen, die Krähen könnten sie sonst töten.« So wurde nach den Bräuchen gehandelt, und es wurden Rinder für sie getötet, denn als sie mannbar geworden war, war nichts für sie geopfert worden, weil ja niemand von ihr gewusst hatte. Sie tanzte vor den Brautwerbern, das Vieh wurde geschlachtet und das Fleisch aufgegessen. Der Vater riet ihnen: »Legt eine Keule beiseite, meine Kinder, damit ihr auf eurer Reise etwas zu essen habt.« Und sie erwiderten: »Ja, Vater. Wir werden am Morgen aufbrechen.« Sie waren ein Herz und eine Seele. Die Mutter sagte zu den Brautwerbern: »Auf eurer Reise werdet ihr im Hochland einem grünen Tier begegnen. Verfolgt es nicht, lasst es in Frieden, dann wird es meinem Kind bei der Heirat Glück bringen.«

Am nächsten Morgen machten sie sich auf den Weg. Für den Bräutigam und seine Braut wurden noch zwei große Ochsen als Reittiere ausgesucht, auf die man sie setzte. Die Krieger gingen voran, und sie folgten mit einer Anzahl junger Mädchen, die aus dem Volk ihres Vaters ausgewählt worden waren. Endlich erreichten sie das Hochland, und da sahen sie das Tier, das ihnen die Mutter angekündigt hatte und das sie nicht töten sollten. Alle Krieger rannten los und verfolgten das Tier. Da bat die Braut: »Verbiete ihnen, das Tier zu verfolgen. Hat euch das meine Mutter nicht gesagt?« Der Bräutigam antwortete: »Ach, welche Folgen soll das schon haben? lass sie es jagen. Das macht nichts.« Braut und Bräutigam und die jungen Mädchen in ihrer Begleitung warteten lange. Endlich sagte der Bräutigam: »Oh, jetzt sind wir es aber überdrüssig, hier in der Sonne herumzustehen. Ich will jetzt gleich losgehen und die Männer zurückholen, damit wir unseren Weg fortsetzen können. Es ist schon Mittag.« Und damit verschwand er.

Nun warteten die anderen lange, lange Zeit, ohne den Bräutigam wieder zu sehen. Da sagte die Braut schließlich zu den jungen Mädchen: »Ich habe es jetzt satt zu warten, und außerdem verlangt es mich nach Wasser.« Als sie diese Worte sprach, kam ein Imbulu heran und sagte: »Guten Tag, meine Schönen!« Sie erwiderten den Gruß. Der Imbulu sagte zur Braut: »Komm einmal herunter, damit ich sehen kann, ob mir dein Kleid steht.« Aber sie antwortete: »Ich mag nicht herunterkommen.« Der Imbulu sagte: »Ho! Jetzt komm schon, du kannst ja gleich wieder hinauf.« Schließlich stieg die Braut von ihrem Ochsen. Der Imbulu zog das Kleid an und sprach: »Oh, wie gut mir das steht!« Und dann verlangte er: »Jetzt bringe mir deinen Schleier, dass ich sehe, ob auch er mich kleidet.« Die Braut lehnte ab: »Ich habe Angst vor der Sonne.« Aber der Imbulu sagte: »Leih ihn mir, ich gebe ihn dir sofort zurück.« Da gab ihm die Braut den Schleier. Der Imbulu legte ihn an und sagte: »Nun lass mich mal auf deinem Ochsen sitzen, dass ich sehe, ob auch das zu mir passt.« Die Braut sagte: »Steig auf, aber komm sofort wieder herunter.« Also stieg der Imbulu hinauf und sagte: »Oho! Wie wunderbar mir das steht!« Nun forderte ihn die Braut auf: »Komm jetzt herunter.« Aber der Imbulu erwiderte: »Ich will nicht, ich werde niemals mehr herunterkommen.« Die Braut sagte: »Komm herunter, damit ich wieder aufsteigen kann.« Und der Imbulu antwortete: »Du hast mir erlaubt aufzusitzen, jetzt werde ich niemals mehr herunterkommen.« Da gingen die jungen Mädchen mit der Braut davon. Sie verwandelten sich in Vögel, flogen zum Wald und blieben dort, denn sie waren ja jetzt Vögel.

Die Brautwerber kehrten mit dem Fell, das sie dem grünen Tier abgezogen hatten, zurück. Sie näherten sich, und als sie noch ein Stück von den jungen Mädchen entfernt waren, sagte der Bräutigam: »Hoho! Seht ihr, Leute, wie klein die Braut geworden ist? Und sie schimmert auch nicht mehr. Was ist geschehen? Und wo sind die jungen Mädchen?« Die Männer sagten: »Ach, Herr, vielleicht waren sie es überdrüssig, in der Sonne zu sitzen, und sind gegangen. Man sieht ja, was die Sonne mit der Braut gemacht hat, die nicht daran gewöhnt ist.« Und er rief aus: »Und ob es so ist! Es ist offensichtlich, was die Sonne angerichtet hat! Ich fühle mich ganz schwach; mir scheint, dass das nicht meine Braut ist.« Da traten sie vor sie hin und fragten: »Wo sind die jungen Mädchen?« Und die Braut antwortete, als ob ihre Zunge schwer sei, und sagte schnell und undeutlich: »Sie sind nach Hause gegangen.«

Also zogen sie weiter. Der Bräutigam ging mit seinen Kriegern vorn, und die Braut blieb hinten, allein auf ihrem Ochsen. Als sie ein Stück gegangen waren, sahen sie eine Menge Vögel vor sich im Gras sitzen, die kreischten: »Ukakaka, der Sohn des Häuptlings, zieht mit einem Tier los. Pfui über ihn, er geht mit einem Imbulu!« Er sagte: »Ho, Leute! Ihr hört, was diese Vögel sagen! Habt ihr jemals Vögel reden hören?« Die Männer erwiderten: »Ach, Herr, das machen die Vögel im Busch so, sie sprechen.« Also schwieg er, und sie gingen weiter. Vor ihnen aber flogen die Vögel und zwitscherten: »Ukakaka, Ukakaka, der Sohn des Häuptlings, zieht mit einem Tier los. Pfui über ihn, er geht mit einem Imbulu.« Das aber schmerzte Ukakaka sehr. In der Nähe des Dorfes kehrten die Vögel um und flogen in den Wald zurück. Sie aber gingen ins Dorf hinein, alle Männer vorn und die Braut allein hinter ihnen.

Im Viehkraal saß der Häuptling, Ukakakas Vater, mit vielen Männern zusammen. Die Braut, die allein ging, betrat den Kraal. Sie ging bis zum oberen Ende der Umzäunung, und alle Männer, die da saßen, fragten: »Was ist das, womit der Häuptlingssohn da gekommen ist?« Ärgerlich rief der Häuptling seinen Sohn: »Komm her, mein Junge!« Ukakaka ging ängstlich hin, er sah, dass sein Vater böse war. Und der fragte ihn: »Womit bist du da gekommen? Ist das Geschöpf die junge Frau, von der die Abahhwebu sagten, sie sei schön?« Und dann fuhr er fort: »Beeil dich und ruf sie alle hierher! Alle Abahhwebu sollen getötet werden, denn sie haben gelogen, als sie sagten, dass sie ein schönes Mädchen gesehen hätten.« Ukakaka erwiderte: »Nein, Häuptling! Ich habe das Mädchen auch gesehen, Vater, sie war sehr schön. Die Abahhwebu haben die Wahrheit gesagt. Als ich sie gesehen habe, war sie sehr schön.« Da fragte der Vater: »Was ist dann jetzt mit ihr los?« Ukakaka antwortete: »Ich weiß es nicht. In ihrem Dorf sagte man uns, dass wir auf keinen Fall ein bestimmtes Tier töten sollten. Aber wir haben es doch getan, und als wir zurückkehrten, sah das Mädchen so aus wie jetzt. Und die Mädchen, die ihr Volk mitgeschickt hatte, waren nicht mehr da. Als wir weiter zogen, habe ich auch gesehen, dass das nicht die junge Frau ist, mit der ich ihr Dorf verlassen hatte.« Der Vater schwieg. Sie warteten ein paar Tage, aber Ukakaka ließ nicht zu, dass dieses Wesen seine Frau genannt wurde. Er sagte, er habe noch keine Frau. Die Zeit käme noch, wo er ein schönes Mädchen heiraten würde. Und alle Leute wunderten sich über das Mädchen und meinten, dass sie nicht wie ein Mensch sei.

Im Dorf lebte eine alte Frau, die keine Beine, sondern nur noch ihre Arme hatte. Sie war zu Haus und tat nichts. Ihr Name war Uthlese, die Watschlerin, und sie wurde so genannt, weil sie beim Gehen ihren Körper nur hin- und herwälzte. Die Frauen waren alle zur Feldarbeit gegangen. Als sie weg waren, verwandelten sich die Begleiterinnen der Braut wieder in junge Mädchen und kamen ins Dorf. Sie gingen zu Uthlese und sagten: »Wirst du denn erzählen, dass du hier ein paar Mädchen gesehen hast?« Uthlese erwiderte: »O nein, meine Kinder. Ich werde sagen: 'Wie kann ich hier Leute sehen, wo ich mich doch kaum bewegen kann?'« Da gingen sie hinaus, nahmen alle Gefäße in der Nachbarschaft und holten Wasser. Dann stampften sie Mais, um für das Dorf Bier zu bereiten, und holten wieder Wasser, das sie für die Bierzubereitung aufkochten. Dann holten sie Wasser und glätteten in allen Häusern des Dorfes die Fußböden, danach sammelten sie Feuerholz und verteilten es im ganzen Kraal. Nun gingen sie zu Uthlese und fragten: »Uthlese, was wirst du sagen, wer das getan hat?« Uthlese erwiderte: »Ich werde sagen, ich habe es getan.« Da gingen sie aus dem Dorf, und als sie das freie Land erreicht hatten, wurden sie wieder Vögel.

Als am Nachmittag die Frauen zurückkamen, sagten sie: »Oho! Wer hat die Fußböden geglättet? Und wer hat Wasser geholt? Und Feuerholz? Und Mais für Bier gestampft? Und das Wasser gekocht?« Sie gingen zu Uthlese und fragten sie, wer das getan habe. Sie antwortete: »Ich habe das getan. Ich bin hin- und hergewatschelt und habe Wasser geholt und Feuerholz, bin gewatschelt und gewatschelt und habe den Mais gestampft und das Wasser gekocht.« Da sagten die Frauen: »Oho! Das alles hast du getan, Uthlese?« Und sie sagte: »Ja.« Da lachten die Frauen, waren froh und sagten: »Uthlese hat uns geholfen, für das ganze Dorf Bier zu machen.« Dann gingen sie zur Ruhe.

Am nächsten Morgen gingen die Frauen wieder aufs Feld. Die jungen Mädchen kamen und trugen Holz. Uthlese sagte: »Je, je, je! Seht nur, die Schwiegertöchter meines Vaters. Es ist wohl Zeit, dass die Hochzeitsgesellschaft heimkommt.« Die jungen Mädchen schichteten Holz für den gesamten Kraal auf, mahlten den Mais, den sie am Vortage gestampft hatten, holten Wasser, mahlten Malz, mischten das Malz mit dem Maisbrei und bereiteten Bier für alle. Dann gingen sie zu Uthlese und sagten: »Auf Wiedersehen, Großmutter.« Und Uthlese antwortete: »Auf Wiedersehen, Begleiterinnen der Braut.« Und dann gingen sie davon. Am Nachmittag kamen die Frauen nach Hause und fragten Uthlese: »Wer hat den Mais gemahlen? Wer hat gekocht?« Und Uthlese antwortete: »Ich bin gewatschelt und gewatschelt und habe Holz geholt und den Mais gemahlen, habe Wasser geholt und gekocht, bin gewatschelt und gewatschelt und habe Malz gemahlen und habe es mit dem Maisbrei gemischt. Ich bin gewatschelt und wieder hierher zurückgekommen und habe mich hingesetzt.« Sie lachten und sagten: »Jetzt haben wir eine alte Frau, die für uns die Arbeit macht.« Dann gingen sie zur Ruhe.

Am nächsten Tag kamen die jungen Frauen, als niemand mehr da war, nur Uthlese saß draußen. Sie gingen zu ihr hin und sagten: »Du bist ein gutes Geschöpf, Uthlese, weil du niemandem etwas erzählt hast.« Dann gingen sie in die Häuser, mahlten Malz, mischten die Maische, seihten das Bier durch, das sie am Vortage zum Gären angesetzt hatten, und schütteten die Rückstände in die eben gemischte Maische, damit sie rasch ins Gären kam. Das durchgeseihte Bier sammelten sie in großen irdenen Gefäßen. Dann nahmen sie eines davon und gingen zu Uthlese. Dort tranken sie davon und gaben auch Uthlese zu trinken. Die lachte und freute sich und sagte: »Ich werde nichts erzählen. Ihr könnt tun, was ihr wollt.«

Wieder gingen sie davon, ins offene Land hinaus, und verwandelten sich in Vögel. Am Nachmittag kamen die Frauen und sahen, dass die Maische gemischt war. Sie sagten: »Oh, Uthlese ist es leid, dass wir immer fragen, wer das getan hat. Wir wollen nichts sagen. Hier zu Hause geschieht jedenfalls etwas Wunderbares.« Am Abend aber kam Ukakaka zu Uthlese und bat sie inständig: »Großmutter, sag mir, wer das tut!« Uthlese erwiderte: »Ich tue das, Kind meines Kindes.« Aber er sagte: »Großmutter. Du kannst das nicht. Sag mir, wer das alles gemacht hat.« Da erzählte sie: »Zu Mittag, wenn alle weg sind, kommen viele junge Frauen. Eine von ihnen ist wunderschön, ihr Leib glänzt richtig. Und die machen hier das Bier.« Ukakaka sagte: »Oh, Großmutter! Haben sie gesagt, dass sie morgen wiederkommen?« Und Uthlese antwortete: »Oh, sie werden kommen.« Da rief Ukakaka aus: »Dann werde ich auch am Mittag kommen und die Mädchen sehen! Aber erzähl es ihnen nicht, Großmutter.« Sie erwiderte: »Nein, ich werde es ihnen nicht erzählen.« Und damit gingen sie zur Ruhe.

Am nächsten Tag gingen alle Frauen aufs Feld hinaus. Da kamen die Mädchen. Sie gingen in die Häuser und seihten das Bier für alle im Kraal. Dann schütteten sie es in Gefäße. Nun nahmen sie ein sehr großes Gefäß und sammelten darin das Bier. Damit gingen sie zu Uthlese und setzten das Gefäß ab. Dann glätteten sie mit Kuhmist überall die Fußböden, fegten den Kraal und holten Feuerholz, das sie in allen Häusern verteilten. Dann gingen sie in Uthleses Haus und tranken Bier.

Als sie einen guten Teil des Bieres getrunken hatten, betrat Ukakaka den Kraal. Als die jungen Frauen ihn sahen, gingen sie zur Tür, um hinauszugehen und ungesehen zu entkommen. Aber er verstellte ihnen den Weg und sprach: »Oho, Kind meines Vaters, Ukcombekcantsini, welches Leid habe ich dir zugefügt, dass du mich so sehr quälst?« Ukcombekcantsini lachte: »Pfui über dich, Ukakaka! Warst du es nicht, der mich von meinem Vater weggeholt und dann im Hochland allein gelassen hat und mit einem Imbulu davongegangen ist?« Er erwiderte: »Ich habe gemerkt, dass du das nicht warst. Und weil ich dich nicht mehr gesehen habe, wusste ich nicht, was mit dir war.« Die Mädchen blieben da, und Ukakaka freute sich sehr und sagte: »Ich habe schon gemeint, dass ich bald sterbe, wenn ich dich nicht wieder sehe.«

Als es Nachmittag wurde, kamen die Frauen zurück. Ukakaka ging freudig lächelnd zu seinem Vater und sagte: »Heute, mein Vater, ist die junge Frau, die ich im Hochland verloren habe, wiedergekommen.« Auch der Vater lachte vor Freude und fragte: »Wo ist sie?« Und er antwortete: »Dort drüben in der Hütte.«

Der Vater sagte: »Sage allen Leuten hier, dass die Männer sofort im Kraal ein Loch zu graben haben, und sage den Frauen, dass sie in allen Töpfen Wasser kochen sollen.« Als alles getan war, wurde den Frauen befohlen, über das Loch, das im Viehkraal ausgehoben worden war, hinüber zu springen. Man hatte etwas Milch hineingetan. Auch die falsche Braut wurde herbeigerufen. Man hatte ihr gesagt: »Geh auch du zum Kraal. Alle Frauen werden über das Loch springen.« Es wird nämlich erzählt, dass sich ein Imbulu, wenn er die Milch sieht, hineinwirft, um die Milch zu trinken. Man ging zum Kraal. Die Braut sagte: »Ich habe Angst, in einen fremden Kraal zu gehen.« Aber sie meinten: »Geh nur, das macht nichts.« So kam sie also zum Kraal. Die anderen Frauen sprangen alle, und sie sollte auch springen. Aber als sie das tun wollte, sah sie die Milch. Da enthüllte sich ihr Schwanz, und sie warf sich in das Loch. Die Leute rannten los und holten das kochende Wasser und schütteten es ins Loch. So starb der Imbulu.

Nun sagte man allen Leuten, dass die echte Braut gekommen sei. Sie jubelten und schickten Männer aus, die alles Volk zum Tanz einladen sollten, weil der Häuptlingssohn eine junge Frau gewählt hatte. Am folgenden Tag versammelten sich Jungen und Männer, Mädchen und Frauen und tanzten. Und auch die Braut und ihre Begleiterinnen tanzten. Es wurde viel Vieh geschlachtet, und tagelang aß man Fleisch.

Der Häuptling ordnete an, dass Ukakakas Kraal gebaut würde. Man schnitt Zweige und baute den Kraal ohne Verzug. Es wurde ein sehr großer Kraal, und die Braut wurde Häuptlingsfrau. Die jungen Frauen schnitten Gras und deckten damit alle Häuser im Dorf der Braut, dann nahmen sie Abschied und kehrten zu ihren Leuten zurück. Und Ukakaka übernahm mit seiner Frau die Herrschaft.