[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Hundeköpfe

In jener längst vergangenen Zeit, da in unserer Gegend noch Hundeköpfe lebten, ging ein schönes Mädchen einmal übers Feld. Plötzlich sah es eine ganze Herde von Hundeköpfen auf sich zukommen - behaarten, fürchterlichen Wesen in Menschengestalt, aber mit Hundeköpfen. Erschrocken wandte es sich zur Flucht, doch die Hundeköpfe hatten es schon erspäht, und weil es so schön war, sagten sie zueinander: »Die Schöne wollen wir fangen!« Als sie sah, dass die Hundeköpfe sie einholen würden, kletterte sie auf eine dichte Kiefer und verbarg sich in den Zweigen. Die Hundeköpfe waren außerstande, den Kopf zu heben und auf diese Weise festzustellen, in welcher Kiefer sie sich versteckt hielt. Deshalb stachen sie mit ihren langen Speeren nacheinander auf alle Bäume ein, bis aus einer Kiefer Blut tropfte und verriet, dass die Schöne in ihren Zweigen saß. Mit gemeinsamen Kräften rissen sie den Baum aus, packten die Schöne und setzten sie in einem großen schloss ohne Fenster und Türen gefangen, wo kein einziges Lebewesen wohnte außer ihnen und einer Katze. Sie gingen morgens fort und kamen erst abends zurück. Inzwischen blieb die Schöne mit der Katze allein.

Die Stube, in der sie eingesperrt war, hatte in der Decke ein Luftloch, durch das die Sonne herein schien. Tag und Nacht bat sie Gott unter heißen Tränen, ihr zur Flucht zu verhelfen, wiederholt versuchte sie, durch das Luftloch zu klettern. Aber jedes Mal wurde sie von der Katze daran gehindert, die so Furcht einflößend die Krallen hob und so entsetzlich fauchte, dass die Jungfrau zurückschrak.

Doch einmal, als sie Gott besonders verzweifelt um Beistand angefleht hatte, erschien ihr plötzlich ein weißhaariger alter Mann. »Jungfrau, warum weinest du?« fragte er. »Weil ich zu meinem lieben Vater möchte!« schluchzte sie. »Du kannst hier nicht fort, dass schloss hat keine Türen.«

»Das weiß ich, aber in der Decke ist ein Luftloch, da wäre ich schon längst hindurch gekrochen, hätte mich die unheimliche Katze nicht daran gehindert.«

»Im Schwanz der Katze sitzen neun Teufel, Diener der Hundeköpfe. Gib der Katze Fleisch, und wenn sie danach schnappt, hacke ihr schnell den Schwanz ab und wirf ihn neun Ellen weit hinter dich, dann können die Teufel dir nichts mehr anhaben.« Nach diesen Worten verschwand der Alte. Die Schöne folgte seinem Rat. Und als sie der Katze den Schwanz abgehackt und ihn neun Ellen weit hinter sich geworfen hatte, duckte sich das Tier und verkroch sich still in einer Ecke. Hastig zwängte sich die Schöne durch das Luftloch, kletterte auf das Dach und hielt nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau. Es dämmerte bereits, und sie musste fort sein, bevor die Hundeköpfe heimkamen. Da sah sie plötzlich, dass die schwanzlose Katze ihr durch das Luftloch gefolgt war und nun am Gesims entlanglief. Sie ging ihr nach und gelangte zu einem Baum, dessen einer Ast an das Dach stieß. Und als die Katze daran in die Tiefe kletterte, folgte sie ihr. Auf diese Weise erreichte sie den Boden und konnte davonlaufen.

Abends, als die Hundeköpfe heimkamen, entdeckten sie den abgehauenen Katzenschwanz, erkannten, was geschehen war, und entsandten zwölf der Ihrigen, um die Schöne zurückzuholen. Diese hatte inzwischen ihr Elternhaus erreicht - eine Schmiede, die unmittelbar am Fluss lag. Ihr Vater, der Schmied, war in jener Nacht zufällig unterwegs, um sie zu suchen. Das Wasserrad, das den Blasebalg in Bewegung setzte, stand still, und ringsum herrschte Grabesstille. Vergebens versuchte die Schöne, die verschlossene Tür zu öffnen, auch durch das Fenster konnte sie nicht klettern, denn es hatte ein Eisengitter. Sie rief eine Weile nach ihrem Vater, und weil er nicht antwortete, wollte sie sich schon bis zu seiner Rückkehr auf die Bank legen, die vor dem Hause stand. Doch fiel ihr noch rechtzeitig ein, dass sie dort vor den Hundeköpfen nicht in Sicherheit war. Deshalb hob sie kurz entschlossen das Wasserrad ab und kletterte durch die entstandene Öffnung in die Schmiede hinein. Kaum war sie drinnen und hatte einen Kienspan angezündet, da hörte sie auch schon draußen die Stimmen der Hundeköpfe, die ihrer Spur gefolgt waren.

Geschwind verrammelte sie die Tür mit einer Brechstange, verhängte das Fenster, nahm eine große Axt, die ihr Vater tagsüber geschmiedet hatte, und stellte sich neben die Öffnung, durch die sie ins Haus gelangt war. Bald bemerkten die Hundeköpfe diese Öffnung, und einer steckte seinen Kopf in die Schmiede. Da holte das Mädchen aus, schlug ihm den Schädel ein und zog ihn zu sich herein. In der Annahme, er wäre hineingekrochen, steckten die übrigen Hundeköpfe nacheinander ihre Köpfe durch die Öffnung und wurden von dem Mädchen auf die gleiche Weise getötet. Und als der Vater am nächsten Morgen in die Schmiede zurückkehrte, fand er dort seine Tochter vor, sowie neun tote Hundeköpfe.