[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Füchsin und die Drossel

Eine Drossel hatte sich auf einem Baum ein Nest gebaut, hatte Eier hineingelegt und Kinderchen ausgebrütet. Das hatte eine Füchsin gemerkt, sie kam zum Baum, und - poch-poch-poch, klopfte sie mit ihrem Schwanz gegen den Stamm.

Die Drossel guckte aus dem Nest, und die Füchsin rief hinauf: »Ich schlag' mit meinem Schwanz den Baum um, fress' dich Drossel auf und deine Kinder auch!«

Die Drossel erschrak und fing an, die Füchsin zu bitten und zu beschwören: »Mütterlein Füchsin, schlag den Baum nicht um, vernichte nicht meine Kinderlein! Ich will dich mit Kuchen und Honig bewirten!«

»Gut, wenn du mich mit Kuchen und Honig fütterst, werd' ich den Baum stehnlassen.«

»Komm, folge mir auf die große Straße.«

Die Füchsin und die Drossel machten sich auf den Weg zur großen Straße: die Drossel fliegt voraus, die Füchsin läuft hinterher. Da sieht die Drossel eine Großmutter mit dem Enkelkind, mit einem Korb voll Kuchen und einer Kanne voll Honig des Weges daherkommen.

Die Füchsin verbarg sich, die Drossel aber hüpfte auf dem Weg herum, als könnte sie nicht fliegen, flattert auf von der Erde und setzt sich wieder - flattert auf und setzt sich wieder...

Das Enkelkind sagt zur Großmutter: »Komm, wir wollen das Vögelchen fangen!«

»Wie sollen wir das wohl machen?«

»Ach! Irgendwie wird es schon gehen. Das eine Flügelchen scheint doch kaputt zu sein. Das Vögelchen ist gar so schön!«

Die Alte und ihr Enkelkind setzten den Korb und die Kanne ab und liefen hinter der Drossel her.

Die Drossel aber lockte sie immer weiter weg von dem Kuchen und dem Honig. Die Füchsin aber begann unterdessen zu schmausen: fraß sich gehörig voll mit Kuchen und Honig und versteckte auch noch einiges im Gebüsch.

Da schwang sich die Drossel in die Luft und flog ihrem Neste zu.

Doch auch die Füchsin war schon wieder da. Poch-poch-poch, klopft sie mit ihrem Schweif gegen den Stamm: »Ich schlag' mit meinem Schwanz den Baum um, fress' dich Drossel auf und deine Kinder auch!«

Die Drossel guckt aus dem Nest und fängt zu bitten und zu betteln an: »Mütterchen Füchsin, schlag den Baum nicht um, vernichte nicht meine Kinderchen! Ich gebe dir Bier zu trinken.«

»Komm, mach schnell! Hab' so viel Fettes und Süßes gefressen, nun will ich trinken!«

Die Drossel fliegt wieder zur großen Straße, die Füchsin läuft hinterdrein.

Da kommt ein Mann mit einem Fass Bier gefahren. Sie fliegt auf ihn zu, hüpft bald aufs Pferd, bald auf das Fass... Dem Mann reißt die Geduld, er will sie erschlagen. Da setzt sich die Drossel auf den Zapfen. Der Mann holt aus und schlägt mit dem Beil nach ihr - trifft aber dabei den Zapfen und schlägt ihn heraus. Er selber aber rennt der Drossel nach.

Das Bier läuft auf die Straße. Die Füchsin trank nach Herzenslust, lief ihres Weges und sang sich ein Liedchen.

Kaum war die Drossel in ihr Nest zurückgekehrt, schon war auch die Füchsin wieder da. Poch-poch-poch klopft sie mit ihrem Schweif an den Stamm : »He, Drossel, hast du mich gefüttert?«

»Hab' dich gefüttert!«

»Hast du mir zu trinken gegeben?«

»Hab' dir zu trinken gegeben!«

»Nun, so bring mich jetzt zum Lachen, sonst schlag ich den Baum um und fress' dich Drossel auf und deine Kinder auch!«

Die Drossel führte die Füchsin ins Dorf. Da sitzt eine Frau und melkt ihre Kuh. Neben ihr flickt ein alter Mann an einem Bastschuh.

Die Drossel setzte sich der Alten auf die Schulter, der Mann aber sagt: »Sitz still, Alte, ich will die Drossel erschlagen!«

Und er schlägt die Frau auf die Schulter, trifft aber die Drossel nicht.

Die Alte fiel vom Schemel und kippte den Melkeimer um. Sie sprang auf und fiel mit Schimpfen und Schelten über den Alten her...

Lange noch lachte die Füchsin über den dummen Alten.

Die Drossel war nach ihrem Neste geflogen. Sie hatte kaum Zeit gehabt, ihre Jungen zu füttern, da war die Füchsin auch schon wieder da.

Poch-poch-poch, klopfte sie mit ihrem Schweif gegen den Stamm: »He, Drossel, hast du mich gefüttert?«

»Hab' dich gefüttert!«

»Hast du mir zu trinken gegeben?«

»Hab' dir zu trinken gegeben?«

»Hast du mich zum Lachen gebracht?«

»Hab' dich zum Lachen gebracht!«

»Nun jag mir auch noch einen Schrecken ein.«

Die Drossel wurde böse und sagte.

»Schließ die Augen und lauf mir nach.«

Die Drossel flog voraus. Sie fliegt dahin und lockt, die Füchsin läuft mit geschlossenen Augen hinterdrein.

So hatte die Drossel die Füchsin bis dicht vor die Jäger gelockt: »So, Füchsin, hier hast du deinen Schrecken!«

Die Füchsin macht die Augen auf, sieht die Jäger und nimmt Reißaus, die Hunde immer hinter ihr her. Mit Müh und Not nur erreichte sie ihren Bau. Sie schlüpfte hinein, verschnaufte ein wenig und fing dann an zu fragen: »Äugelchen, meine Äugelchen, was habt ihr denn getan?«

»Wir haben uns um und um geschaut, damit die Hunde das Füchslein nicht zerreißen konnten.«

»Öhrchen, meine Öhrchen, was habt ihr denn getan?«

»Wir haben gelauscht, damit die Hunde das Füchslein nicht verspeisen konnten.«

»Beinchen, Beinchen, was habt ihr denn getan?«

»Wir sind gelaufen, damit die Hunde das Füchslein nicht greifen konnten.«

»Und du, Schwanzungetüm, was hast du getan?«

»Ich, Schwanzungetüm, hing mich an Baumstümpfe, Büsche und Hecken und hinderte dich im Laufen.«

Die Füchsin ärgerte sich über ihren Schwanz und steckte ihn zum Bau hinaus: »Hier, Hunde, fresst meinen Schwanz!«

Die Hunde packten den Schwanz und zogen die Füchsin aus dem Bau.