[swahili, "Geschichte, Legende"]

Die Frau aus der Mpondofrucht

Es war einmal ein Jäger, der hatte stets Erfolg auf der Jagd. Wenn er ein Tier erlegen wollte, brauchte er nicht erst lange zu zielen, sondern konnte gleich drauflosschießen. Aber der Jäger war nicht verheiratet, und so jammerte er jeden Tag: »Gäbe mir Gott doch eine Frau, wie würde ich ihn dann lieben.«

Eines Tages ging er wieder einmal auf die Jagd. Unterwegs stolperte er mit dem linken Fuß. Erfreut rief er: »Wie schön, dass ich links gestolpert bin, gewiss ist das ein Zeichen, dass Gott mir heute mehr helfen wird als früher.« Da erblickte er mitten auf dem Weg eine Mpondofrucht. Er wollte daran vorübergehen, aber die Mpondo rollte ganz dicht an ihn heran, bis vor seine Füße. Da sprach der Jäger: »Ich muss wohl Gewalt anwenden, die Mpondofrucht will mich nicht vorbeilassen.« Er bückte sich, spaltete sie mit einem kräftigen Hieb in zwei Teile, und - eine Frau kam heraus.

Anfangs fürchtete sich die Frau ohne die schützende Fruchthülle und zitterte. Der Jäger aber sprach zu ihr: »Ich möchte dich heiraten.«

»Und ich möchte dich heiraten«, antwortete ihm die Frau. Dann erklärte sie: »Wenn du mich in die Stadt zu deiner Familie bringst, erzähle keinem, dass ich aus einer Mpondo gekommen bin, das bringt Ärger! Auch du darfst niemals zu mir sagen: ›Du kommst ja nur aus einer Mpondo‹, ich kehre sonst in die Frucht zurück, und du siehst mich nie wieder. Wagt es aber ein anderer, mir das vorzuhalten, töte ich ihn mit meinen eigenen Händen.« Die Frau war stärker als ein Löwe! Der Jäger entgegnete: »Gut, du aber nenne mich nie ›alter Junggeselle‹! Wenn du das sagst, ist es aus zwischen uns.« Nun begab sich der Jäger mit seiner Frau in die Stadt. Alle Verwandten freuten sich, als die beiden kamen. Er erzählte auch gleich seiner ganzen Familie: »Niemand darf dieser Frau vorhalten: ›Du kommst ja nur aus einer Mpondo‹. Wagt es doch jemand, so mag sie mit ihm tun, was sie will, mich geht es nichts an.«

Eines Tages ging der Jäger in den Wald, um für die Frau Fleisch zu besorgen. In seiner Abwesenheit geriet sie mit einem anderen Mann in Streit. Schließlich drohte jener: »Wenn du jetzt nicht deinen Mund hältst, sage ich, was du nicht hören willst.« Da begann die Frau zu weinen, und als ihr Mann nach Hause kam, berichtete sie ihm: »Während du auf der Jagd warst, drohte mir ein Mann, wenn ich meinen Mund nicht hielte, würde er das sagen, was ich nicht hören will.« Der Jäger wurde sehr zornig und kämpfte mit dem anderen Mann, denn er hielt alles für recht und gut, was seine Frau tat.

Die Mutter des Jägers ließ die junge Frau schwer arbeiten und schimpfte oft mit ihr, denn sie mochte die Schwiegertochter nicht. Eines Tages kam die Frau des Jägers vom Waschen. Ein Rind ging an der Wäsche vorbei und beschmutzte sie. Da versetzte die Frau dem Tier einen so kräftigen Schlag, dass es auf der Stelle starb. Die Schwiegermutter meinte dazu: »Ich glaube, du bist eine Zauberin, die mit Gift tötet, von deinem Schlag kann das Rind doch nicht gestorben sein.« Da packte die Frau der Zorn, und sie tötete Menschen mit ihren bloßen Händen!

Als der Mann von der Jagd kam. erzählte seine Frau ihm alles. Aufgebracht schimpfte er mit seiner Mutter: »Ich habe dir doch gesagt, dass du ihr nie vorhalten sollst, ich hätte nichts rechtes geheiratet. Warum hörst du nicht?« Und seine Frau bat er: »Verzeih der Mutter!« Die Frau folgte ihrem Mann und verzieh der Schwiegermutter.

Nach einigen Tagen ging der Jäger wieder in den Wald. Kaum hatte er seine Frau und die Mutter verlassen, sagte die Schwiegermutter: »Du kommst ja nur aus einer Mpondo, und doch bist du so frech!« Da wurde die Frau zorniger als je zuvor und rief: »Aus einer Mpondo bin ich gekommen, und dorthin kehre ich jetzt wieder zurück!« Ihr Mann war im Wald, als das geschah. Plötzlich zitterte er am ganzen Körper. Er eilte nach Hause und fragte seine Mutter: »Wo ist meine Frau?« Sie antwortete: »Deine Frau war sehr frech, darum hielt ich ihr vor, sie käme ja nur aus einer Mpondo. Darüber geriet sie in Wut und rief, dass sie in die Mpondo zurückginge, denn von dort sei sie ja gekommen.«

Da schrie der Jäger: »O weh!« und machte sich sofort auf die Suche. Überall, wo er auch hinkam, rief er seine Frau. Aus weiter Ferne antwortete sie schließlich: »Hier bin ich!«

»Komm zurück, ich bin von der Jagd heimgekehrt!« rief der Mann ihr zu. Aber sie erwiderte: »Niemals kehre ich wieder!« Noch viele Male forderte der Mann sie auf, zu ihm zurückzukehren, aber die Frau entgegnete stets: »Ich komme nicht wieder! Geh doch und heirate deine Mutter!« Schließlich zauberte sie zwischen sich und ihren Mann ein riesiges Meer. Da weinte der Mann bitterlich und bat: »Lass doch dieses Meer verschwinden!« Aber die Frau wies ihn ab: »Nein, denn ich will dich nicht länger zum Mann haben. Deine Mutter hat mir vorgehalten, ich sei ja nur aus einer Mpondo gekommen.« Und kaum hatte sie das gesagt, war sie endgültig verschwunden. Da kehrte auch der Mann um. Als er nach Hause kam, jagte er seine Mutter fort. Fünf Tage aß er nicht und wusch sich auch nicht. Er begann sein Äußeres zu vernachlässigen und heiratete nicht wieder, solange er lebte.