[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Witwe Sohn

Eine arme Witwe hatte einen Sohn. Keiner konnte sich mit seiner Tapferkeit messen. Deshalb waren der Sohn des Beis und der Sohn des Kaufherrn seine guten unzertrennlichen Freunde. Eines Tages, als sie gemeinsam spazieren gingen, gerieten sie an einen Brunnen und bemerkten die Fährte eines riesigen Ungeheuers. Die Jünglinge blickten in den Brunnen und sahen, dass aus der Tiefe wie aus einem Tamdyr eine Flamme züngelte. Wahrscheinlich sind wir auf die Wohnstatt eines Dew gestoßen. Wir wollen ihn töten und seine Schätze in unseren Besitz bringen, beschlossen die Jünglinge, gingen heim und kehrten anderntags mit Schwertern und einem langen Seil zurück. »Ich will als erster hinabsteigen und den Dew töten«, sagte der Sohn des Beis und knüpfte sich das Seil an den Gürtel. Die Freunde waren es zufrieden und ließen ihn in den Brunnen hinab. »Wai, zieht mich hoch, ich brenne!« schrie der Jüngling, und die Freunde zogen ihn mit vereinten Kräften ans Tageslicht. »Du Feigling«, sagte der Sohn des Kaufherrn verächtlich, »Lasst mich hinab.« Er knüpfte sich das Seil an den Gürtel und nahm das Schwert in die Hand. Doch kaum war er im Brunnen verschwunden, da vernahmen die Freunde bereits seinen Ruf: »Wai, ich brenne, zieht mich heraus!« So zogen sie auch den Sohn des Kaufherrn ans Tageslicht.

Der Witwe Sohn wiegte bedenklich den Kopf und sprach: »Wie man sieht, hat Allah euch beiden wohl keine Tapferkeit verliehen. Lasst mich in den Brunnen steigen. Wenn ich schreien sollte, so beachtet das nicht. Ich will lieber im Feuer verbrennen, denn als Feigling gelten.« Auch er knüpfte sich das Seil am Gürtel fest, nahm das Schwert und ließ sich in den Brunnen hinab. Wenngleich es dort unten auch sehr heiß war, so schrie er doch kein einziges Mal und gelangte auf den Grund des Brunnens.

Neugierig sah er sich um und erblickte eine wunderschöne Peri, von einem leuchtenden Strahlenkranz umgeben. Neben ihr ruhte ein riesiger Dew. Als die Peri den Jüngling erblickte, flehte sie: »Oh, Jüngling, erschlage den Dew, solange er schläft. Errette mich von dem Ungeheuer.«

»Wohlan, ich will dich erretten«, erwiderte der Witwe Sohn. »Doch wäre es unehrlich, den Dew im Schlafe zu töten. Drum will ich ihn wecken, damit wir unsere Kräfte messen.« Der Jüngling kitzelte den Dew mit dem Schwert an der Fußsohle. Hellwach sprang der Unhold auf. Als er den Jüngling gewahrte, packte er einen Knüppel und schlug zu, so dass eine Hälfte des Brunnens einstürzte. Als der Dew zum zweiten Mal ausholte, spaltete der Jüngling ihm mit dem Schwert den Schädel. Der Kopf des Ungeheuers rollte über den Boden. Aus seinem Hals strömte das Blut wie aus einem Aryk. Der Dew wand sich in Krämpfen und hauchte sein Leben aus.

Der Witwe Sohn nahm alles Gold und Silber an sich, das er fand, und hieß es seine Gefährten ans Tageslicht ziehen. Alsdann knüpfte er dem Mädchen das Seil um die Hüfte. Nachdem die Söhne des Beis und des Kaufherrn Gold, Silber und die schöne Peri aus dem Brunnen gezogen hatten, ließen sie der Witwe Sohn im Brunnen schmachten und teilten die Beute untereinander auf. Der Sohn des Beis erhielt die schöne Peri, der Sohn des Kaufherrn Gold und Silber. Sie kehrten nach Hause zurück und lebten, als sei nichts geschehen. Lange wartete die Witwe auf ihren Sohn, doch er kam nicht heim. Überall fragte sie nach ihm, suchte ihn, beklagte ihn und glaubte endlich, dass er umgekommen sei.

Doch nun wollen wir sehen, was ihrem Sohn widerfuhr. Als er im Brunnen allein zurückgeblieben war, versuchte er vergeblich nach oben zu klettern, denn der Brunnen war sehr tief. Lange sann er nach, doch ihm fiel keine Lösung ein. Völlig erschöpft, fiel er schließlich in tiefen Schlaf. Miteins vernahm er im Traum eine Stimme, die sprach: »Heute um die Mittagszeit erscheinen oben am Brunnen zwei Hammel, ein weißer und ein schwarzer, für den Unhold Dew. Stürze dich auf eines der Tiere. Packst du den weißen, so trägt er dich ans Tageslicht, greifst du den schwarzen, so gerätst du in eine Welt, aus der es kein Zurück mehr gibt.« Der Jüngling erwachte und begann zu warten. Bald erblickte er in der Tat zwei Hammel. Der Jüngling sprang auf den weißen Hammel zu, doch er täuschte sich und hatte den schwarzen gepackt. Der Hammel schleppte ihn in eine Welt, aus der es kein Zurück mehr gibt.

So kam der Witwe Sohn in ein unbekanntes Land und schritt aufs Geratewohl aus. Bald begegnete er einem Daichanen, der einen Acker bestellte. Der Jüngling grüßte. »Woher kommst du und wohin willst du, Bruder?« fragte der Pflüger. »Weiß selbst nicht, wohin ich gehe. Es würde auch zu lange dauern, es zu erzählen. lass mich lieber pflügen und bringe mir indessen etwas zu essen«, bat der Witwe Sohn. »Zu essen will ich dir schon etwas bringen, aber sieh zu, dass du pflügst, ohne Lärm zu machen«, riet der Landmann. »Ich will mich bemühen«, versprach der Jüngling. »Will kein Wörtchen verlieren.«

Der Daichan war es zufrieden und machte sich auf, um Essen zu holen. Als er verschwunden war, dachte der Jüngling: Warum hat der Bauer mir geraten, mich still zu verhalten? Was mag geschehen, wenn ich Lärm mache? Gleich trieb er die Wasserbüffel mit lauten Rufen an. Da stürzten sich sechs Tiger aus dem Wald auf ihn. Deshalb also hat der Daichan gesagt, ich soll schweigend pflügen, dachte der Jüngling, packte zwei Tiger am Genick und schlug sie mit den Schädeln gegeneinander. Die beiden Tiger ließen sich zitternd vor Angst auf ihre Hintertatzen nieder. Die übrigen flüchteten in den Wald. Der Jüngling schirrte die Wasserbüffel aus, spannte die Tiger vor den Pflug und bestellte den Acker weiter, als sei nichts geschehen. In ein paar Stunden hatte er soviel Land gepflügt, wie ein Bauer gewöhnlich in ein paar Tagen bestellt.

Als der Daichan zurückkehrte und den Jüngling mit den angeschirrten Tigern gewahrte, verwunderte er sich arg. »Komm her, Aga, fürchte dich nicht«, rief der Witwe Sohn. Ängstlich gehorchte der Daichan. »Aga, hast du mir etwas zu essen gebracht?« fragte der Jüngling. »Ja, das wohl«, entgegnete der Daichan. »Soll ich die Tiger laufen lassen oder weiter mit ihnen pflügen?« fragte der Jüngling. »Ach, Junge, lass sie lieber laufen, mögen sie machen, dass sie fortkommen«, bat der Daichan. Da gebot der Jüngling den Tigern: »Erkühnt euch nicht, hier noch einmal zu erscheinen. Lasst den Daichan lärmen, soviel er mag und stört ihn fürderhin nicht bei seinem Tagewerk. Ich werde stets in seiner Nähe sein. Wenn ihr mir noch ein einziges Mal unter die Augen kommt, so will ich euch töten!« Mit diesen Worten spannte er die Tiger aus, und sie sprangen davon. Der Jüngling stillte seinen Hunger und sagte zum Ackersmann: »Aga, hab Dank, dass du mich bewirtet hast. Jetzt bin ich gesättigt und will weiterziehen.«

Über kurz oder lang erblickte der Jüngling eine blühende Platane. Er legte sich in ihren Schatten, um zu rasten. Plötzlich hörte er, wie die Vogeljungen aufgeregt in der Baumkrone schrieen. Weshalb sind sie so unruhig, dachte der Jüngling. Als er den Kopf hob, erblickte er einen geflügelten Ashdarcha. Rasch sprang der Jüngling auf die Füße und schoss zwei Pfeile auf den Drachen ab. Beide Pfeile trafen ihr Ziel. Der Ashdarcha fiel unweit der Platane zu Boden, peitschte mit dem Schwanz das Erdreich und verendete. Nachdem der Jüngling das Ungeheuer getötet hatte, streckte er sich unter dem Baum zur Ruhe und fiel in tiefen Schlaf. Die Jungen des Vogels Symrug aber flatterten aus dem Nest und strichen über den Schlafenden hin. Bald kam die Vogelmutter Symrug geflogen. Als sie den Menschen gewahrte, beschloss sie bei sich: Der ist es also, der Jahr für Jahr meine Kinder auffrisst! Will gleich einen Felsbrocken herbeischleppen und ihn auf dieses Ungeheuer schleudern! Sie flog davon, kehrte mit einem Felsbrocken zurück, wollte ihn schon auf den Schlafenden werfen, als sie miteins die flehenden Stimmchen ihrer Jungen vernahm: »Mutter, liebe Mutter, töte diesen Menschen nicht! Er hat uns das Leben gerettet. Siehst du dort den Drachen Ashdarcha? Er kam geflogen, um uns zu vertilgen, doch der Jüngling hat ihn getötet.«

Symrug betrachtete den Retter ihrer Kinder voll Dankbarkeit, trug den Felsbrocken in die Berge fort und breitete, als sie zurückkam, ihre großen Schwingen behutsam über dem Jüngling aus, um ihn vor der Sonnenglut zu schützen. Als der Witwe Sohn erwachte, sah er, dass die Vogeljungen von Symrug um ihn herumflatterten, ihre Mutter aber hielt ihre Schwingen über ihn gebreitet. Das erstaunte den Jüngling. »Oh, Mensch, sollst dich nicht wundern und brauchst nichts zu fürchten. Du hast den bösen Drachen getötet, der Jahr für Jahr meine Kinder fraß. Ich aber wusste nicht einmal, wer das tat. Heute habe ich es erfahren. Der Drache ist schuld, dass ich noch immer keine Erben habe. Du hast meinen ärgsten Feind vernichtet. Das kann ich dir niemals vergelten, soviel Gutes auch immer ich für dich tun mag«, sprach die Vogelmutter. »Ach, ich habe herrlich geruht unter deiner Schwinge«, erwiderte der Jüngling. »Doch wenn du gestattest, so will ich nun weiterziehen.«

»Das kannst du gern tun, doch sprich, womit kann ich dir helfen?« fragte Symrug. »Ich brauche keine Hilfe«, gab der Witwe Sohn zur Antwort. Da riss sich Symrug zwei Federn aus ihrer Schwinge und sprach: »Nimm diese zwei Federn und bewahre sie gut. Wenn du in Not gerätst, so verbrenne eine von ihnen. Dann will ich dir zu Hilfe eilen.« Der Witwe Sohn nahm Abschied von Symrug und machte sich auf den Weg.

Über kurz oder lang kam er in eine Stadt. Bei einem armen Mann fand er Obdach. Nach einer Weile bemerkte der Jüngling, dass alle Bewohner der Stadt in Trauerkleidern einhergingen. »Warum tragen alle Menschen in eurer Stadt schwarze Kleider?« fragte der Jüngling den Hausherrn. »Oh, Bruder, großes Unheil ist über uns hereingebrochen«, gab der Arme zur Antwort. »Einstmals ist ein Fluss durch unsere Stadt geströmt. Jetzt liegt an der Quelle dieses Flusses ein böser Drache Ashdarcha. Er fordert Tag für Tag eine Jungfrau zum Fraß. Hat der Drache sein Opfer verspeist, so lässt er das Wasser in unseren Fluss strömen. Nun hat er aber alle Jungfrauen aus unserer Stadt vertilgt. Morgen wird er das letzte Mädchen auffressen, die Tochter des Padischahs. Deshalb haben die Menschen Trauerkleider angelegt.«

»Wo liegt dieser Ashdarcha auf der Lauer?« wollte der Jüngling wissen. »Wenn du stromaufwärts an diesem Fluss entlang wanderst, so stößt du am Stadtrand auf das Ungeheuer«, gab ihm der Hausherr Bescheid.

Anderntags im Morgengrauen nahm der Witwe Sohn seine Waffe und machte sich auf zu dem unheimlichen Ort. Nach kurzer Weile gelangte er an die Quelle und erblickte dort einen großen Drachen Ashdarcha. Im Näher kommen schoss der Jüngling mehrere Pfeile auf das Untier ab und spaltete ihm alsdann mit seinem Schwert den Schädel. Das Wasser, mit dem Blut des Drachen vermischt, strömte alsbald in die Stadt. Der Jüngling schnitt aus dem Rücken des Ashdarcha ein Stück Haut und begab sich in das Haus, in dem er Obdach gefunden hatte.

Als die Einwohner das blutgefärbte Wasser erblickten, ahnten sie: Jemand hatte den Drachen erschlagen. Schleunigst überbrachten sie dem Padischah die freudige Botschaft. Anderntags verkündete der Padischah vor allem Volk: »Wer den Drachen Ashdarcha getötet hat, mag vor mich treten, ich will ihm meine Tochter zum Weibe geben.« Die Menschen überlegten vergeblich, wer das Ungeheuer getötet haben könnte, doch sie brachten es nicht in Erfahrung. So verging eine Weile, bis sich der Arme zum Padischah in den Palast begab. »Mein Padischah«, sprach er, »ich habe einen Gast in meinem Haus aufgenommen, vielleicht hat er den Ashdarcha getötet?« »Geht und ruft diesen Mann zu mir«, gebot der Padischah seinen Jessaulen. Als der Witwe Sohn in den Palast gebracht wurde, empfing ihn der Padischah leutselig und fragte: »Mein Sohn, hast gar du den Drachen Ashdarcha getötet?«

»Ja, mein Padischah, Ihr seid von diesem Ungeheuer befreit. Ich habe ihn getötet.«

»Hast du einen Beweis für deine Tat?« fuhr der Padischah fort. Der Jüngling zog das Stück Drachenhaut hervor und legte es dem Padischah zu Füßen. Bei seinem Anblick rief der Padischah aus: »Jetzt glaube ich dir, du bist ein wackerer Recke! Hast für uns eine so große Heldentat vollbracht, dass ich dich nun zum Lohn mit meiner Tochter vermählen werde.«

»Oh, mein Padischah, ich habe nichts getan, um Eure Tochter zu freien, habe Euch einfach geholfen nach Kräften. Vielleicht steht Eurer Tochter gar nach einem andren der Sinn?« gab der Jüngling artig zur Antwort. »Nein, nein, es gibt keinen, nach dem es sie verlangt. Doch selbst wenn es so wäre, gäben wir dir das Mädchen zum Weibe als Dank für deine Heldentat«, schloss der Padischah seine Rede. »Ich habe aber schon eine Jungfrau in mein Herz geschlossen«, erwiderte der Jüngling und erzählte dem Padischah, wie er der Peri begegnet war und auf welch grausame Weise sie voneinander getrennt worden waren.

Er sagte auch, dass er sie um alles in der Welt wieder sehen möchte und bat den Padischah um Beistand. »Mein Sohn, so mag denn diese Abmachung zwischen uns gelten - du sollst ein Sohn mir sein, ich aber will wie ein Vater zu dir sein. Ich habe ja nur eine einzige Tochter. Fortan werde ich nun Sohn und Tochter besitzen«, sprach der Padischah. »Gern will ich mich fortan Euer Sohn nennen, habe ja auch keine Menschenseele auf der weiten Welt als meine alte Mutter«, entgegnete der Jüngling. Alsdann führte der Padischah den Recken in seinen Palast. Der Witwe Sohn wurde zum Schah bestimmt. Er vertrieb sich die Zeit mit Spiel und Kurzweil oder zog auf die Jagd. Eines Tages, als der Schah auf seinem Ruhebett lag, kam ihm die Vogelmutter Symrug in den Sinn. Morgens erzählte er seinem Vater davon. Kaum hatte er die Feder angezündet, da stand Symrug vor ihm. »Ich lebe nun in diesem Land. Es geht mir zwar gut, aber ich möchte gern meine alte Mutter wieder sehen, vermagst du mir zu helfen dabei?« fragte er. »Ich vermag alles«, erwiderte Symrug. »Nur musst du sieben Ochsen abstechen und die Häute mit Wasser und Fleisch füllen. Wenn wir davonfliegen, so gib mir Wasser, wenn ich dich um Fleisch bitte, reiche mir Fleisch, wenn ich um Wasser bitte.« Der Jüngling tat, wie Symrug ihn geheißen und trat vor seinen Vater: »Vater, ich will auf dem Vogel Symrug in meine Heimat fliegen, um Mutter und meine Peri hierher zu bringen. Zugleich will ich Rache nehmen am Sohn des Beis und am Sohn des Kaufherrn. Ich bitte dich, lass mich für ein paar Tage ziehen.« Der Padischah setzte ihn auf Symrugs Rücken und wünschte ihm eine glückliche Reise. Symrug stieg hoch auf in die Lüfte und flog in ferne Länder.

Unterwegs, wenn Symrug um Wasser bat, reichte der Jüngling ihr Fleisch, wenn sie jedoch nach Fleisch verlangte, gab ihr der Jüngling Wasser. Einmal, als Symrug abermals um Wasser bat, wollte der Jüngling ihr Fleisch reichen, doch es war bis auf den letzten Bissen verzehrt. Da schnitt er sich wortlos ein Stück Fleisch aus dem eigenen Bein. Was mag das nur für schmackhaftes Fleisch sein, dachte Symrug und verschlang es nicht, sondern schob es unter die Zunge, um den Leckerbissen zu genießen. Nach einer Weile ließ sie sich auf einem Berggipfel nieder und sprach: »Siehst du dort die Kibitka am Rand des Auls? Es ist deiner Mutter Haus. Wandere nun dorthin.« Symrug reichte ihm noch vier Federn und belehrte ihn: »Wenn du mit dieser Feder über deine Wangen streichst, so wächst dir ein grauer Bart, benützest du hingegen diese Feder, so verjüngst du dich wieder. Deine Mutter ist erblindet. Streiche mit der dritten Feder über ihre Augen, und sie wird wieder sehen. Die letzte Feder aber zünde an, wenn du mich brauchst.« Der Jüngling nahm Abschied von Symrug und wollte davongehen, doch das Bein schmerzte ihn, und er konnte keinen Schritt tun. Da hüpfte Symrug zu ihm, nahm das Häppchen Fleisch aus dem Schnabel und legte es ihm auf die Wunde. Sofort waren die Schmerzen vergangen, und der Jüngling machte sich auf den Weg zur Kibitka der Mutter.

Während er so fürbass wanderte, strich er mit der ersten Feder über seine Wange, und ein grauer Bart wuchs ihm. Als der Jüngling die Kibitka betrat, erkannte die Mutter ihn nicht. Ohne zu zaudern, zog der Sohn die zweite Feder hervor, strich mit ihr über der Mutter Augen, und sie konnte wieder sehen. Die Greisin dankte ihm und begann von ihrem verlorenen Sohn zu erzählen. »Würdest du deinen Sohn wieder erkennen, wenn du ihn sähest?« fragte der Jüngling. »Natürlich erkenne ich mein Lämmchen wieder«, entgegnete sie. Da trat der Jüngling aus der Kibitka, strich mit der dritten Feder über seine Wange, erhielt sein früheres Aussehen zurück und ging abermals ins Haus. »Oh, mein Sohn, du bist es!« rief die Mutter und schloss ihn in ihre Arme. Alsdann erzählte sie ihm von den Söhnen des Beis und des Kaufherrn und von der schönen Peri. »Ich komme bald zurück, Mutter«, sagte der Sohn, nahm sein Schwert und ging. Er vergalt den Söhnen des Beis und des Kaufherrn ihre bösen Taten, nahm den Schatz vom Dew in Besitz und vermählte sich mit der schönen Peri. Alsdann ging er zu seiner Mutter zurück und verbrannte die letzte Feder. Da stand Symrug vor ihm. Der Jüngling belud sie mit den Schätzen des Dew, setzte seine Mutter und die schöne Peri auf ihren Rücken, schwang sich hinter ihnen auf den Vogel, und Symrug brachte alle wohlbehalten ins Land des Padischahs.

Vierzig Tage und vierzig Nächte währte der Toi des Jünglings und seiner Peri. Vierzig Tage lang vergnügte sich das Volk bei Tanz, Spiel, Gesang, bei leckeren Speisen und süßen Weinen. Auch ich war zu diesem Fest geladen, wollte euch bringen ein paar kleine Gaben, bin jedoch vom Weg abgekommen und habe alles verloren.