[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Königssohn und der kupferne Wolf

Es war einmal ein König, der hatte einen Sohn. Einst trat der Sohn hinaus in den Garten, um sich dort zu ergehen. Da kam der Vogel Greif geflogen, packte den Königssohn, trug ihn übers Meer auf eine Insel, ließ ihn dort frei und sagte: »Hier«, sagte er, »wirst du drei Jahre bleiben. Doch wenn die drei Jahre um sind, dann bringe ich dich wieder zurück in das Reich deines Vaters.« Freigelassen wandelte er auf der Insel umher, und dabei fand er ein kleines Häuschen. In dem Häuschen traf er eine alte Frau. Sie sagte: »Von wo bist du hierher gekommen, Kindchen?«

»Ich bin der Sohn eines Königs. Mich hat ein Vogel hierher auf diese Insel getragen. Er hat mir versprochen, mich nach drei Jahren wieder in meines Vaters Reich zu bringen.« Da sagte die alte Frau: »Das ist gut, du kannst diese drei Jahre lang bei mir bleiben.« Er lebte nun dort, fegte das Häuslein aus und machte sich überall nützlich.

Als die drei Jahre um waren, sagte er: »Ich muss nun hinausgehen auf die Insel und auf den Vogel warten.« Da sagte die alte Frau: »So nimm deinen Lohn dafür, dass du mir hier gedient hast.« Sie gab ihm einen Beutel, sagte aber dazu: »Schau nicht hinein, denn sonst wird es dir schlimm ergehen!« Doch er wollte unbedingt wissen, was da in der Ecke des Beutels so weich war. Er band den Beutel auf, da sprangen drei Pferde heraus: eins aus Silber, das zweite aus Gold, das dritte aus Diamant. Sie sprangen um ihn herum, doch gingen sie nicht wieder in den Beutel zurück. Er sagte: »Was soll nun werden? Der Vogel wird geflogen kommen, und ich werde diese schönen Pferde hier lassen müssen!«, so jammerte er. Da kam der kupferne Wolf gelaufen (die alte Frau war nämlich die Mutter dieses Wolfs) und sagte: »Was gibst du mir? Unterschreibe mir mit deinem Blut, dass du dein Lebtag nicht heiraten wirst, dann treibe ich dir die Pferde hinein.« Er schnitt sich in den Finger und gab die Unterschrift. Der Wolf nahm den Beutel - die Pferde gingen hinein.

Der Vogel Greif kam geflogen, nahm den Jüngling und trug ihn in das Königreich seines Vaters. Freude herrschte im ganzen Land und am Hofe des Vaters. Der Vater sagte: »Jetzt musst du heiraten.« Doch der Königssohn sagte: »Ich werde nicht heiraten. Ich habe mich dem kupfernen Wolf mit meiner Unterschrift verpflichtet, nicht zu heiraten, solange ich lebe - für die Pferde, die ich dort auf dem Hof herausgelassen habe. Denn als ich sie herausgelassen hatte und sie nicht wieder hineintreiben konnte, da musste ich unterschreiben, dass ich bis an mein Lebensende unverheiratet bleibe.«

»Ach was«, sagte der Vater, »wir werden zwölf Meilen vom Schloss Wachen aufstellen, die werden den Wolf totschlagen.«

Nun gut. Sofort wurde ein Mädchen ausgesucht, und schon sollte die Hochzeit sein. Der König stellte zwölf Meilen entfernt rings um den königlichen Hof Wächter auf, und da kam auch schon der Wolf. Sie schossen auf ihn, stachen mit langen Piken nach ihm, schossen sogar mit Kanonen nach ihm, doch dem Wolf tat dies alles nichts: Er kam ganz gemächlich immer näher an das Schloss heran. Als der Königssohn sieht, dass der Wolf schon nahe ist, spricht er mit dem Pferd. Da sagt das Pferd: »Wenn wir sehen, dass er schon ganz nahe ist, dann stelle mich unter das Fenster, du selber springe aus dem Fenster auf meinen Rücken, und wir fliehen.«

So machte er es denn auch: Er sprang aus dem Fenster auf das Pferd und - »Gott gib uns Füße!« Er ritt den ganzen Tag über und kam zu einem kleinen Häuschen. In dem Häuschen fand er eine alte Frau. »Wohin reitest du?« fragte sie. »Ich fliehe vor dem kupfernen Wolf.« Da sagte sie: »Das ist gut, du kannst hier übernachten. Ich habe so ein Hündchen, das wittert einen Wolf auf neun Meilen. Wenn dieses Hündlein zu bellen anfängt, dann ist es Zeit los zu reiten.«

Der Wolf aber kam langsam und vorsichtig auf den Schlosshof. Er schaut sich um - der Königssohn ist nicht da. Er geht durch die Gemächer - auch da ist er nicht. Der Wolf geht ans Fenster und kriecht hinaus. Doch kaum war er aus dem Fenster gekrochen, jagte er auch schon eilig hinter dem Königssohn her. Sofort fing das Hündlein an zu bellen. Die alte Frau sagte: »Der Wolf hat nur noch neun Meilen, jetzt musst du los reiten!« Er ritt los. Er ritt den ganzen Tag über und kam wieder an ein Häuschen, darin fand er eine alte Frau. »Wohin reitest du?« fragte sie. »Ich fliehe vor dem kupfernen Wolf.« Sie sagte: »Das ist gut. Ich habe so ein kleines Hündlein, das hört den Wolf auf sechs Meilen. Du kannst hier übernachten: Wenn das Hündlein anfängt zu bellen, ist es Zeit weiter zu reiten.«

Ob er nun in der Nacht etwas geschlafen hatte oder nicht - das kleine Hündlein fing an zu bellen, Da sagte die alte Frau: »Der Wolf hat nur noch sechs Meilen, es ist Zeit zu reiten!« Er ritt los. Er ritt den ganzen Tag. Er kam zu einem dritten Häuschen und fand dort eine alte Frau. »Wohin reitest du?« Er sagte es. »Das ist gut, du kannst hier übernachten. Ich habe so ein kleines Hündlein, das wittert den Wolf auf drei Meilen. Wenn es anfängt zu bellen, dann ist es Zeit weiter zu reiten.« Sie gab ihm noch zu essen.

Ob er nun in der Nacht geschlafen hatte oder auch nicht, das kleine Hündlein begann zu bellen. Sie sagte: »Steh auf, reite los, denn der Wolf hat nur noch drei Meilen!« Die alte Frau gab ihm zwei Knäuel, sie sagte: »Wenn du jetzt los reitest, wirst du an eine Brücke kommen. Wenn du kaum auf die Brücke geritten bist, wird dich große Müdigkeit befallen, und du wirst dich ihrer nicht zu erwehren wissen. Dein Pferd wird sogleich einschlafen. Daher Lass es im Stich und lauf aus Leibeskräften, damit du hinüberkommst. Und wenn du drüben bist, wirf die beiden Knäuel fort.« Diese alten Frauen waren nämlich die Muhmen des Wolfs, und sie konnten den Wolf nicht leiden.

Er nahm die Knäuel und ritt los. Er ritt auf die Brücke - und schon befiel ihn solch eine Müdigkeit, dass er sich ihrer nicht zu erwehren wusste. Sein Pferd schlief auf der Brücke sofort ein, es blieb da, und er konnte sich nur mit knapper Not über die Brücke schleppen. Hinter der Brücke warf er die Knäuel hin - aus den Knäueln wurden zwei weiße Windhunde. Das Pferd blieb schlafend zurück, er ging zu Fuß weiter, und die Windhunde jagten immer nur umher, um den Wolf zu fassen und zu zerreißen.

Er kam an ein kleines Häuschen, und in dem Häuschen fand er ein Fräulein. Doch auch der Wolf war schon dorthin gelaufen, nur sah er ihn nicht. Er lauerte nur immer darauf, ihn fressen zu können, doch fürchtete der Wolf die Windhunde. Das Fräulein sagte: »Ich«, sagte sie, »bin sehr krank. Wenn du dorthin gehen könntest - da ist eine Mühle mit neun Türen, dort haben sie viel Kuchen gebacken. Wenn du mir etwas davon bringen würdest, dann wäre ich gesund.« So erschöpft er auch war, er war bereit, ihre Bitte zu erfüllen. Er ging hin zu jener Mühle, fand den Kuchen, nahm davon und ging wieder hinaus. Kaum war er hinaus, da schlossen sich alle Türen, seine Windhunde blieben drinnen. Und jede Tür hatte sich mit neun Schlössern verschlossen.

Jetzt glaubte er, dass es ihm schlimm ergehen werde. Aber die Windhunde benagten die Türen: Wenn einer müde wurde, biss der andere weiter. Da kam eine weiße Taube geflogen und gab ihm ein kleines Blashorn. Sie sagte: »Wenn du nach Hause kommst, dann findest du dort schon den Wolf, der auf dich lauert, um dich zu fressen. Dann bitte den Wolf, er möge dir noch erlauben, dass du dich badest. Aber wenn du ins Wasser steigst, so komme so bald nicht wieder aus dem Wasser heraus. Und wenn du dann herauskommst, so bitte darum, noch einmal blasen zu dürfen. Am Teich steht eine Linde; klettere auf die Linde, um zu blasen.«

Er kommt nach Hause - dort wartet schon der Wolf. »Na, jetzt«, sagt er, »gehörst du schon mir!«

»Na gut, ich gehöre dir, doch erlaube mir noch, in diesem Teich zu baden, dann wird dir das Fleisch beim Fressen besser schmecken.«

»Na gut, geh!« Der Königssohn stieg ins Wasser und planschte darin herum; die Windhunde jedoch hatten die Tür schon fast durchgenagt. Er blieb lange im Wasser. »Na«, sagte der Wolf, »du wirst dich schon genug gewaschen haben, steig heraus!« Er stieg heraus und sagte: »Erlaube mir noch, auf diese Linde zu klettern und einmal in mein Horn zu stoßen.« Der Wolf meinte, er wäre ihm schon sicher, und er sagte: »Du kannst noch ein wenig hinaufklettern und dich vergnügen.« Er stieß einmal ins Horn. Als das die Windhunde hörten, da bissen sie nun mit aller Kraft und bissen die Tür durch. Er blies zum zweiten Mal. Der Wolf hatte sich hingesetzt, blickte hinauf und hieß ihn herunterklettern. Er stieß nochmals ins Horn.

Da der Wolf so hockte und nach oben schaute, sah er nicht, wie die Windhunde angejagt kamen. Unversehens packten sie den Wolf, rissen ihn mittendurch und zerfetzten ihn auf der Stelle. Doch der Königssohn ging hin zu dem Fräulein, schlug einen Keil in einen Hauklotz und klemmte ihre Zöpfe ein. Und die Windhunde rissen so lange an ihr, bis sie in Stücke zerfetzt war. Dieses Fräulein war nämlich die Schwester des Wolfes. Der Königssohn kehrte mit seinen Windhunden auf die Brücke zurück, dort fand er sein Pferd. Das machte er wach, und er ritt glücklich zu seines Vaters Schloss zurück. Heimgekommen, heiratete er nun ganz richtig zum zweiten Male das Mädchen und wurde nach dem Vater König.