[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Kloß

Es waren einmal ein Großväterchen und ein Großmütterchen. Eines Tages sagte der Mann zu seiner Frau:

»Geh, Alte, fege den Schrank und schabe den Kasten aus, ob du nicht noch etwas Mehl für einen Kloß zusammenbekommst.«

Da nahm die Alte ein paar Hühnerfedern, fegte den Schrank und Kasten aus und brachte auch wirklich noch zwei Handvoll Mehl zusammen. Das Mehl vermischte sie mit saurer Sahne, machte daraus einen Kloß, weich und rund und nicht zu groß. Sie buk ihn in brutzelndem Rübenöl und stellte ihn dann zum Kühlen auf die Fensterbank.

Da lag er nun, der Kloß - weich und rund und nicht zu groß. Und die Zeit wurde ihm so lang - da fing er zu rollen an: rollte vom Fensterbrett auf die Bank, rollte von der Bank auf den Boden, rollte über die Bodendielen zur Zimmertür, sprang - hops - über die Schwelle, rollte durch den Flur, zur Haustür hinaus, über den Hof, rollte auf und davon. Und wie unser Kloß so rollte und rollte, kam ein Häschen angehoppelt: »Hör doch, Kloß! Kloß, bleib stehen! Kloß, ich will dich fressen!«

»Nein, friß mich nicht, Hase. Ich singe dir auch ein Liedchen vor: Bin ein Kloß, ein schöner Kloß.
Weich und rund und nicht zu groß.
Aus dem Schrank gefegt,
aus dem Kasten geschabt,
mit Fettmilch gemischt
und in Rüböl gebacken.
Stand am Fenster zum Kühlen,
und keiner kann mich kriegen.
Großväterchen kriegt mich nicht,
Großmütterchen kriegt mich nicht,
und du, Häschen, kriegst mich auch nicht!«
Und ehe der Hase sich versah, war der Kloß weitergerollt.

Da stand auf dem Weg der Wolf, der große graue Wolf. »Hör doch, Kloß! Kloß, bleib stehen! Kloß, ich will dich fressen!« »Nein, nein. Du frisst mich nicht, grauer Wolf. Ich singe dir auch ein Liedchen vor: Bin ein Kloß, ein schöner Kloß.
Weich und rund und nicht zu groß.
Aus dem Schrank gefegt,
aus dem Kasten geschabt,
mit Fettmilch gemischt
und in Rüböl gebacken.
Stand am Fenster zum Kühlen,
und keiner kann mich kriegen.
Großväterchen kriegt mich nicht,
Großmütterchen kriegt mich nicht,
das Häschen kriegt mich nicht,
und du, grauer Wolf, kriegst mich auch nicht!«
Und schon war der Kloß wieder auf und davon.

Da kam aus dem Wald der Bär, der brummige braune Bär: »Hör doch, Kloß! Kloß, bleib stehen! Kloß, ich will dich fressen!« »Nein, nein, nein. Du frisst mich gewiss nicht, alter Brummbär. Aber ich singe dir ein Liedchen vor: Bin ein Kloß, ein schöner Kloß.
Weich und rund und nicht zu groß.
Aus dem Schrank gefegt,
aus dem Kasten geschabt,
mit Fettmilch gemischt
und in Rüböl gebacken.
Stand am Fenster zum Kühlen,
und keiner kann mich kriegen.
Großväterchen kriegt mich nicht,
Großmütterchen kriegt mich nicht,
das Häschen kriegt mich nicht,
der Wolf kriegt mich nicht,
und du, alter Brummbär, kriegst mich auch nicht!«
Und kaum hatte er fertig gesungen, war er auch schon weg.

Da saß am Wegrand der Fuchs, der schlaue rote Fuchs: »Kloß, lieber Kloß! Wo willst du denn so eilig hin?« »Ich rolle in die weite Welt hinaus!« »Kloß, lieber Kloß, singe mir doch ein Liedchen vor.« Und da sang der Kloß: »Bin ein Kloß, ein schöner Kloß.
Weich und rund und nicht zu groß.
Aus dem Schrank gefegt,
aus dem Kasten geschabt,
mit Fettmilch gemischt
und in Rüböl gebacken.
Stand am Fenster zum Kühlen,
und keiner kann mich kriegen.
Großväterchen kriegt mich nicht,
Großmütterchen kriegt mich nicht,
das Häschen kriegt mich nicht,
der Wolf kriegt mich nicht,
der Bär kriegt mich nicht,
und du, alter Rotfuchs, kriegst mich auch nicht!«
»Wie schön du singst!« sagte da der Fuchs, »leider höre ich nicht so gut. Setze dich doch auf meine Schnauze, Kloß, und singe mir dein Liedchen noch einmal vor, nur etwas lauter.« Und der Kloß sprang dem Fuchs flink auf die Schnauze und sang noch einmal: »Bin ein Kloß, ein schöner Kloß.
Weich und rund und nicht zu groß.«
Und er sang es aus voller Kehle. Da sagte der Fuchs: »Kloß, lieber Kloß, setze dich doch auf meine Zunge und singe dein Lied zum letzten Mal!« Da sprang der Kloß dem Fuchs auf die Zunge: »Bin ein Kloß, ein schöner Kloß.«
Da schnappte der Fuchs »haps« - und weg war der Kloß.