[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Holzsammler und seine Tiere

Es war einmal eine alte Frau, die hatte einen Sohn; den schickte sie täglich in den Wald, damit er Holz sammle und es verkaufe. Er arbeitete auch fleißig, aber von dem Geld, das er verdiente, gab er nur einen Teil der Mutter, den andern behielt er für sich, um damit Gutes tun zu können.

Einmal traf er auf seinem Weg Kinder, die ein kleines Hündchen prügelten; da kaufte er es ihnen ab und rettete es so vor weiteren Schlägen. Ein andermal fand er Kinder, die ein Kätzchen totschlagen wollten; er gab ihnen Geld, und sie überließen ihm das Kätzchen. Hund und Katze zogen nun mit dem Holzsammler, wo immer er ging.

Als er einmal im Gebirge Holz sammelte, sah er eine brennende Buche; hoch in ihren Ästen zischte eine Schlange und rief um Hilfe. »Ich möchte dich gern aus dem Feuer retten«, sagte der Bursch, »wenn ich nicht fürchten müsste, dass du mich beißen wirst.«

»Fürchte nichts Böses von mir!« sagte die Schlange. »Meinen Retter werde ich nicht berühren.«

Da streckte er eine Stange an die Buche, die Schlange wickelte sich um die Stange und rettete sich so aus dem Feuer. »Nun will ich dir meine Dankbarkeit beweisen«, sprach sie. »Bringe mich zum Zaren der Schlangen, dem Drachen. Er wird dir einen Beutel mit Gold anbieten; den nimm aber nicht, sondern verlange stattdessen den Ring, den er unter der Zunge trägt. Sowie er dir ihn gibt, stecke ihn gleich unter deine Zunge und behalte ihn immer dort; dann geht alles, was du wünschest, in Erfüllung.«

Der Holzsammler tat, wie ihm geheißen. Der Schlangenzar gab ihm den Ring, er steckte sich ihn unter die Zunge und ging nach Hause.

Am nächsten Morgen sagte er zu seiner Mutter: »Geh zum Zaren und verlange seine Tochter für mich zur Frau!«

»Du bist wohl närrisch!« rief die Mutter erschrocken. »Wie soll der Zar seine Tochter einem armen Holzsammler geben? Er wird mich töten.«

»Geh und tu, was ich dir sage! Sprich zum Zaren: Mein Sohn kann Eurer Tochter alles bieten, was Ihr für sie begehrt.«

Da ging die Mutter aufs Zarenschloß und warb dort für ihren Sohn um die Zarentochter. »Wenn dein Sohn meiner Tochter ein Schloss bieten kann wie dieses, in dem sie jetzt lebt, dann kann er sie haben!« sagte der Zar und meinte, damit die Sache am raschesten los zu sein.

Als die Mutter heimkam und über den Erfolg ihrer Werbung berichtete, sagte der Holzsammler zu dem Ring: »Ich wünsche ein Haus wie das Zarenschloß!« Und sogleich stand eines da an der Stelle ihrer alten Hütte. Nun schickte er seine Mutter wieder zum Zaren. Der machte ein erstauntes Gesicht. »Ich will deinem Sohn meine Tochter geben, wenn er die Straße, die sie ziehen soll, mit Gold pflastern lässt«, erklärte er.

Der Bursche wünschte sich nun die ganze Straße vorn Zarenschloß bis zu seinem eigenen mit Gold gepflastert, und auch das führte der Ring ohne Zögern aus. Da forderte der Zar noch für seine Tochter einen Garten wie seinen eigenen, in dem die Nachtigallen singen und die Falken schreien sollten; und schließlich, als auch diese Bedingung erfüllt war, fügte er sich drein und sagte zu der alten Frau: »Dein Sohn soll mit dem Hochzeitsgefolge kommen, alle auf weißen Pferden und in weißen Kleidern, dann mag er meine Tochter heimführen.« Und so geschah es auch.

Die jungen Leute lebten recht glücklich miteinander, bis eines Tages die Amme der Zarentochter anfing, die junge Frau zu quälen. »Woher hat doch dein Mann die Gabe, alles auszuführen, was er sich nur denkt?«

»Er hat einen Zauberring unter der Zunge«, sagte die Zarentochter. »Den hat er für eine gute Tat bekommen, und der bewirkt alle diese Wunder.«

»Das ist aber eine gefährliche Sache«, meint die Amme kopfschüttelnd. »Wenn er deiner überdrüssig wird, kann er dich durch diesen Ring verderben. Weißt du, was? Ihr habt doch schon alles, was euer Herz begehrt; es wäre das Beste, deinem Mann den Ring wegzunehmen.«

»Er legt ihn aber niemals ab.«

»Dann tu folgendes: Nachts, wenn er schläft, mach deinen Finger nass und stecke ihn die die Pfefferbüchse; dann fährst du deinem Mann damit in die Nase. Er wird niesen, und der Ring wird ihm aus dem Mund fallen; dann nimmm ihn und gib ihn mir, damit ich ihn verwahre.«

Die törichte junge Frau tat wirklich, was ihr die Amme geraten hatte; die Amme aber gab den Ring ihrem Sohn, und dieser, der die Zarentochter lange schon hatte heiraten wollen, wünschte sich sogleich das Schloss mit ihr und allem, was sonst drin war, ins Gebirge, den jungen Ehemann aber wieder in seine Holzfällerhütte zurück, die früher sein Heim gewesen war.

Als am Morgen der Bursche wieder in seiner armseligen Hütte erwachte, da ahnte er, was geschehen war, und sprach zu seiner Mutter: »Ich will meinen Esel, meinen Hund und meine Katze nehmen und herumwandern, bis ich mein Schloss wieder finde.«

So gingen sie und kamen an einen Fluss mit starker Strömung. Da sah der Bursche am Ufer einen Fisch rücklings auf dem Trockenen liegen; er fasste ihn und warf ihn ins Wasser. »Hab Dank!« sagte der Fisch. »Für das Gute, das du mir getan hast, will ich dir alles tun, was du wünschest. Schneide mir eine Flosse ab, und wenn du etwas von mir brauchst, brenne sie an; ich komme dir dann gleich zu Hilfe.« Der Bursche schnitt dem Fisch eine Flosse ab und steckte sie ein.

Nach kurzer Wanderung sah er das Schloss hoch oben auf einem Berg stehen. Da schickte er Hund und Katze aus, ihm seinen Ring wiederzuholen.

Die Katze stieg in die Zimmer des Schlosses hinauf, während der Hund unten am Tor blieb. Die Mäuse im Schloss feierten gerade eine Hochzeit. Die Katze trat dazwischen und fing den Bräutigam ab. Da war große Aufregung, und die Mäuse sammelten sich um die Katze und versprachen ihr alles, was sie verlangen würde, wenn sie ihnen nur den Bräutigam freilassen wolle.

»Ich will das ausnahmsweise tun«, sagte sie, »wenn ihr dem Herrn dieses Schlosses den Ring wegnehmen wollt, den er unter der Zunge trägt. Macht eure Schwänze im Wasser nass, pfeffert sie in der Pfefferbüchse ein, dann geht in sein Zimmer, in dem er jetzt eben schnarcht, und steckt ihm die Schwänze in die Nase. Dann wird er niesen und den Ring aus seinem Mund ins Bett fallen lassen. Wenn ihr mir den Ring bringt, sollt ihr meinen Gefangenen frei haben.«

Die Mäuse liefen eilig davon und führten den Auftrag getreulich aus. Hei, wie da der Bösewicht nieste! Die arme, gefangene Zarentochter hörte es bis in ihr Zimmer und zitterte vor Schrecken und Abscheu. Die Katze aber, als sie den Ring übernommen hatte, ließ den Mäusebräutigam laufen und wünschte ein fröhliches Hochzeitsfest. Dann lief sie ans Tor, wo der Hund sie erwartete, und beide eilten davon. Als sie an den Fluss kamen, sagte die Katze zum Hund: »Jetzt will ich auf dir reiten, damit wir über den Strom kommen.« Der Hund duckte sich und trug sie ins Wasser, aber als sie mittendrin waren, sagte er: »Lass mich den Ring tragen. Bei mir ist er sicherer.« Da gab sie ihm den Ring aus dem Maul, aber der fiel in den Fluss.

Nun war guter Rat teuer. Sie liefen zu ihrem Herrn und berichteten ihm. Da fiel dem Burschen die Fischflosse ein, die er bei sich trug. Er zündete sie an und legte sie brennend auf den Fluss; da kam der Fisch herbei geschwommen und fragte: »Was kann ich für dich tun?«

»Mir ist ein kostbarer Ring mitten in den Fluss gefallen«, sagte der Bursche, »kannst du mir den herausholen?«

»Freilich«, sagte der Fisch. »Wart ein wenig, ich will ihn dir gleich bringen.« Und er tauchte auf den Grund und brachte alsbald den Ring herbei.

Der Bursche nahm den Ring unter die Zunge und rief: »Nun soll mein Schloss wieder auf dem alten Platz stehen und ich darin und der Bösewicht auch, so dass ich ihn fassen kann.« Da war er schon in seinem Zimmer im Schloss, und die Zarentochter saß weinend am Fenster, und der Sohn der Amme stand neben ihr und bedrohte sie, weil sie ihren Mann nicht vergessen wollte. Da sprach der Holzsammler: »Dieser Schurke soll von dem Felsen, auf den er dieses Schloss versetzt hatte, in den Fluss stürzen!« Und in diesem Augenblick verschwand der Böse und wurde nie wieder gesehen.