[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der habgierige Mullah

Ein Mullah erhielt für einen Tag zwei Einladungen zur Sadaka: eine in den Aul Dumurkel, die andere in den Aul Gessik. Angestrengt grübelte er, wie er beiden Einladungen Folge leisten könne, um seinen Vorteil zu haben. Er brachte heraus, dass die Einwohner von Gessik gewöhnlich vormittags bewirten, während die Bewohner von Dumurkel die Gäste zum Abend einladen. Deshalb beschloss er, zunächst nach Gessik zu gehen und dann seine Schritte nach Dumurkel zu lenken. Der Mullah gelangte nach Gessik, betete für die Seele des Verstorbenen und wendete nach dem Gebet seine Aufmerksamkeit den Vorbereitungen zur Sadaka zu. Die Leute entfachten gerade das Feuer im Herd, und die Frauen säuberten die Eingeweide des geschlachteten Ochsen. Das betrübte den Mullah, denn er merkte, dass es bis zum Mittagsmahl noch lange sei, und er beschloss, in den Aul Dumurkel zu gehen. Als er in den Aul gelangte, sah er, dass der Hof, wo die Sadaka ausgeteilt werden sollte, verwaist lag. Auf der Straße begegnete er nur dem alten Hassan, der hier wohnte. »Ehrwürdiger Hassan, was sind das für neue Bräuche bei euch? Ihr habt doch, soweit ich mich erinnere, die Sadaka stets vor dem Mittagsmahl gereicht?« fragte der enttäuschte Mullah. »Das stimmt, Verehrter, so haben wir es immer gehalten. Aber heute hatten es die Gäste eilig...« Ohne das Ende der Rede abzuwarten, kehrte der Mullah nach Gessik zurück, doch offensichtlich war es für ihn nun einmal ein Unglückstag. Als er den Hof des Toten betrat, wuschen die Frauen bereits das Geschirr. »He, Weiber, wie habt ihr das Fleisch so schnell gar gekriegt?« fragte der Ausgehungerte tonlos.

So blieb der Mullah, der gleich in zwei Aulen den Leichenschmaus genießen wollte, am Ende dieses Tages hungrig.