[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Fuchs und der Wolf

Einmal streifte ein Fuchs durch die Berge und fand ein altertümliches Buch. Er ließ sich im Schatten eines Baumes nieder und begann zu lesen. Ein Wolf lief vorbei, erblickte den Fuchs und fragte: »He, Fuchs, was machst du da?«

»Ich bin Mullah und lese den Koran.«

»Unterweise meine Kinder im Lesen und Schreiben«, bat der Wolf. Der Fuchs entgegnete: »Gut, bring mir deine Kinder.« Der Wolf holte seine Kinder und fragte den Fuchs, was noch benötigt werde. Der listige Rotrock überlegte nicht lange: »Es wird bald Winter. Da brauchen wir ein paar Schaffelle, um deinen Kindern Pelzmäntel anzupassen. Schließlich sollen sie nicht frieren.« Da trieb der Wolf ein Dutzend Schafe herbei. Der Fuchs war des Lobes voll: »Recht so, Gevatter Wolf! Nun kannst du heimziehen. Komm im Frühling wieder, um deine Kinder zu besuchen.« Der Wolf trollte sich. Der Fuchs trieb die Schafe und die Wolfsjungen in seinen Bau, würgte alle und lebte den Winter hindurch in Saus und Braus. Als es Frühling wurde, kam der Wolf zum Fuchsbau, um seine Kinder wieder zu sehen. Leutselig empfing ihn der Fuchs: »Deine Kinder sind gerade mit den anderen Schülern spazieren gegangen. Komm morgen wieder vorbei.« Am nächsten Tag traf der Wolf weder den Fuchs, der sich als Mullah ausgegeben hatte, noch seine Kinder an. Da merkte er, dass der Rotrock ihn überlistet hatte, und machte sich auf die Suche nach ihm.

Der Fuchs war indes zu einer Mühle gelangt, hatte sich mit Mehlstaub eingepudert und erwartete den Wolf. Als der den Fuchs erblickte, stürzte er sich wutentbrannt auf ihn. »Gib mir meine Kinder heraus und die Schafe dazu!« Doch der rot schwänzige Betrüger erwiderte: »Ich bitte dich, Gevatter Wolf, ich habe weit und breit weder deine Kinder noch Schafe gesehen. Auch bin ich kein Mullah, der Kinder unterrichtet. Meine Ahnen waren Müller wie ich. Mein Lebtag bin ich ein einfacher Mann. Sicher verwechselst du mich.« Der Wolf schenkte dem Fuchs Glauben und bat: »Liebes Füchslein, ich bin ganz allein zurückgeblieben, hab all meine Kinder verloren, lehre mich, wie man Müller wird.« Der Fuchs war einverstanden. »Gut, leg deinen Kopf unter den Mühlstein und wart einen Augenblick.« Er lief davon, ließ Wasser über den Mühlstein fließen, der begann sich zu drehen und hätte dem Wolf fast den Schädel zermalmt. Mit Mühe und Not konnte er sich vor dem sicheren Tod retten und rannte los, um den Fuchs zu suchen. Der aber war bereits auf und davon. Unterwegs hatte er sich Reiser geschnitten, und nun saß er auf einem Hügel und flocht Körbe.

Als der Wolf den Fuchs erblickte, stürzte er sich laut fluchend auf ihn. Scheinheilig sagte der Fuchs: »Was willst du von mir, Gevatter Wolf? Ich bin nie Müller gewesen. Mein Lebtag habe ich nur Körbe geflochten. Sicher verwechselst du mich.« Wieder glaubte der Wolf dem Fuchs und bat ihn: »Lieber Fuchs, zeig mir, wie man Körbe flicht.« Der Fuchs riet ihm: »Kriech in den Korb! Von innen flicht es sich leichter.« Der Wolf zwängte sich in den großen Korb. Der Fuchs flocht ihn oben und unten zu, stieß ihn den Hügel hinab und rief den Schäfern zu: »He, Schäfer, fangt euern Feind!« Der Korb rollte auf die Weide. Da stürzten sich die Hunde auf ihn und rissen den Wolf.