[swahili, "Geschichte, Legende"]

Der Bei und die Knechte

Ob es sich nun zugetragen hat oder nicht, man sagt, ein Armer hatte drei Söhne. Vor dem Tod rief er sie zu sich und sprach: »Ich sterbe nun, ihr aber, meine Kinder, müsst euch als Knechte verdingen. Gehet wohin ihr wollt, nur dienet keinem Mann in einem gestreiften Chalat.« Der Vater verschied, die Kinder betteten ihn zur letzten Ruhe, und der älteste Sohn zog in die nächste Stadt, um sich zu verdingen. Kam ihm ein Mann in einem gestreiften Chalat entgegen. »Wohin willst du?« fragte er den Jüngling. »Will mich als Knecht verdingen...«

»Folge mir«, sprach der Mann im gestreiften Chalat. Erwiderte der Jüngling: »Ich tät's mit Freuden, doch vor seinem Tod hat uns mein Vater aufgetragen, niemals einem Mann im gestreiften Chalat zu dienen.« Und der Jüngling ging weiter. Der Mann im gestreiften Chalat wechselte rasch seine Kleider und kam dem Jüngling abermals entgegen. »He, Bursche«, rief er. »Wohin gehst du?«

»Will mich als Knecht verdingen.«

»Dann folge mir«, antwortete der Fremde. Der Jüngling war es zufrieden, und sie gingen mitsammen fort.

Der Dienstherr gab dem Knecht zwei Ochsen und schickte ihn pflügen. Jener Bei aber besaß einen Jagdhund. Dem band er einen frischen Tschurek und einen Krug saure Milch an den Hals. »Bring dies dem Pflüger«, befahl er dem Hund, »und sage ihm, dass er den Tschurek essen möge, ohne den Rand abzubrechen, und die Milch trinken möge, ohne den Rahm abzuschöpfen.« Der Jagdhund trug den Tschurek und die Milch aufs Feld und überbrachte dem Knecht den Auftrag seines Herrn: »Der Bei hat befohlen, den Tschurek zu essen, ohne den Rand abzubrechen und die Milch zu trinken, ohne den Rahm abzuschöpfen.« Der Jüngling wusste nicht, wie er den Auftrag des Herrn ausführen sollte, brach den Tschurek, verzehrte ihn und trank die Milch dazu. Abends kehrte er von der Feldarbeit heim. Der Bei sah, dass der Knecht sein Gebot nicht befolgt hatte, und prügelte den Jüngling zu Tode.

Als keine Nachricht vom ältesten Bruder eintraf, begab sich der mittlere Bruder in die Stadt, um sich als Knecht zu verdingen. Da kam ihm der ehemalige Dienstherr seines ältesten Bruders entgegen. »Willst du nicht als Knecht bei mir dienen, Bursche?« fragte er den Jüngling. »Gern!« entgegnete der Jüngling. »Deshalb bin ich ja in die Stadt gekommen.«

»So folge mir!« Der Bei gab ihm zwei Ochsen und schickte ihn pflügen. Als die Mittagszeit heranrückte, rief er seinen Jagdhund herbei, band ihm einen Tschurek und einen Krug mit Milch an den Hals und trug ihm auf, dem Knecht auszurichten, dass er den Tschurek verzehren möge, ohne den Rand abzubrechen, und die Milch trinken möge, ohne den Rahm abzuschöpfen. Der Knecht wusste nicht, was tun, um die Weisung des Herrn zu erfüllen, verzehrte den Tschurek und trank die Milch aus, so wie er es verstand. Abends kehrte er von der Feldarbeit heim. Als der Bei sah, dass der Jüngling sein Gebot nicht befolgt hatte, prügelte er ihn zu Tode.

In dieser Nacht träumte der Jüngste, dass seine Brüder gestorben seien und dass ihr Mörder ein und derselbe Mann sei und in einem gestreiften Chalat einhergehe. Er erwachte früh am Morgen, kleidete sich an und machte sich ebenfalls auf, um sich als Knecht zu verdingen. Da kam ihm eben jener Bei entgegen. »Wohin so eilig, oh Jüngling?« fragte er. »Ich suche Arbeit.«

»Dann folge mir!« sagte der Bei. Ohne zu zögern, willigte der Jüngling ein.

Der Dienstherr gab ihm zwei Ochsen und schickte ihn pflügen. Die Mittagszeit rückte heran. Der Bei band seinem Jagdhund einen Tschurek und einen Krug saure Milch an den Hals und befahl ihm, dem Knecht zu sagen, dass er den Tschurek essen möge, ohne den Rand abzubrechen, und die Milch trinken möge, ohne den Rahm abzuschöpfen. Der Jagdhund brachte Tschurek und Milch aufs Feld und richtete dem Jüngling alles aus, wie es ihm der Bei aufgetragen hatte. Der Jüngling knüpfte dem Hund das Mittagsmahl vom Hals, setzte sich und überlegte: Wahrscheinlich haben meine Brüder gerade diesem Bei gedient, nicht gewusst, wie man den Tschurek verzehren und die Milch trinken musste, und sind deshalb gestorben. Er zog sein Messer hervor, schnitt die Mitte des Tschureks aus, schlug ein Loch in den Boden des Kruges, verzehrte den Tschurek und trank die Milch dazu.

Als er am Abend heimkehrte, war der Bei rein außer sich vor Zorn, denn er wollte den Jüngling um alles in der Welt ins Verderben stürzen. »Wie hast du das fertig gebracht?« fragte er den Knecht. »So!« erwiderte der Jüngling, holte aus und schlug dem Bei mit voller Kraft den Krug auf den Schädel. »Das ist die Vergeltung für das Blut meiner Brüder!«

Die Frau des Beis war sehr gläubig. Deshalb ging sie, als ihr Mann verschieden war, in die Moschee und flehte Allah an, ihren Mann wiederauferstehen zu lassen, den Knecht aber zu töten. Doch Allah erhörte ihre Bitten nicht. So lebten sie denn. Die Witwe des Beis übernahm die Herrschaft im Haus, und der Jüngling arbeitete für sie. Eines Tages buk sie Tschapaden und sagte: »Ich will gehen und beten, du aber schau, dass alles im Hause blitzt, dass die Ochsen ihre Köpfe nicht aus ihrem Stand stecken und die Hühner nicht aus dem Hühnerstall lugen.« Sie ging in die Moschee und begann wieder zu beten, dass Allah ihr ihren Mann zurückgeben und sie von dem Knecht befreien möge. Ihr schien gar, als vernehme sie eine Stimme, die sprach: »Er ist schon tot.« Da freute sich die Dienstherrin gar sehr und eilte heim.

Als sie das Tor auftat, sah sie: Auf dem Boden war alles Öl ausgegossen, im Stall lagen die Ochsen mit abgetrennten Köpfen, und im Hühnerstall waren alle Hühner geschlachtet. »Was hast du angerichtet?« schrie die Dienstherrin ihren Knecht an. »Ich habe deine Weisung befolgt«, erwiderte der Jüngling. »Du hast mir gesagt, alles solle blitzen im Haus, da habe ich nicht mit Öl gespart. Dann hast du mir befohlen, drauf zu achten, dass die Ochsen die Köpfe nicht aus ihrem Stand und die Hühner nicht aus dem Hühnerstall lugen sollen. Auch dafür habe ich gesorgt. Was befehlst du mir weiter zu tun?« Vor Ärger brach der Witwe des Beis das Herz, und da sie keine Erben hatte, so wurde der Jüngling zum Besitzer über all ihr Hab und Gut.